Foto: Pressestelle Bistum Passau

Unnütze Sklaven? – Weil Jesus es wert ist!

Unnütze Sklaven? Weil Jesus es wert ist! Die geplante Predigt von Bischof Stefan Oster für die Wiedereinweihung der Kirche St. Rupert in Salzweg nach der Renovierung. Weil er sie aber frei vorgetragen hat, wurde sie anders gehalten.

Liebe Schwestern, liebe Brüder,
1485 Stunden – so habe ich in der Zeitung gelesen – haben viele von Ihnen ehrenamtlich für Ihre Kirche investiert! Wie schön. Außerdem 40 000 Euro Spenden aufgebracht und eingesammelt. Für die Kirche, für diese Kirche St. Rupert hier in Salzweg. Und ich habe ein Bild gesehen mit einem zurecht stolzen Pfarrer Aulinger und seiner tatkräftigen Truppe.

Ein wunderbares Beispiel von Zusammenhalt! Organisiert allen voran von Hannes Schwarz und Ludwig Falkner – vereint mit vielen anderen. Und ich bin sehr froh, heute das Ergebnis mit Ihnen allen feiern zu dürfen: eine neue Kirche.

Eine neue Kirche?

Eine neue Kirche, liebe Schwestern und Brüder, wie klingt das in Ihren Ohren und Herzen, wenn wir zu dem Haus aus Stein auch das dazu nehmen, was Kirche wirklich im Innersten ausmacht: Menschen, die Jesus im Herzen haben. Und die deswegen eine Gemeinschaft der Freude sind und auch eine Gemeinschaft, die Glauben weitersagen und teilen möchten.

Und auch eine Gemeinschaft für die, die vom Leben benachteiligt worden sind. Ich bin fest davon überzeugt, dass die Kirche ein lebendiger Organismus ist. Und lebendige Organismen wollen wachsen! Aber wenn wir ehrlich sind, dann müssen wir uns alle eingestehen, dass wir dann offensichtlich vielleicht doch so lebendig nicht sind.

Lebendig oder tot?

Und ich möchte das gar nicht so sehr für Salzweg oder den Pfarrverband sagen, besonders nicht, wenn ich heute dieser lebendigen Gemeinde begegne. Sondern eher für unsere Kirche in unserem Bistum, in unserem Land insgesamt, oder sogar in Europa. Die Welt um uns herum hat sich so sehr und auch so schnell gewandelt, dass wir heute ehrlich eingestehen müssen:

Die Kirche hat lange auf Altbewährtes, auf bewährte Strukturen und Methoden vertraut und tut es immer noch, aber sie hat offenbar damit insgesamt nicht mehr genügend Kraft, von innen her den Fragen, Einflüssen und Bedrängnissen aus einer säkularisierten Welt angemessen zu begegnen.

Jesus im Mittelpunkt – das ist nicht selbstverständlich

Die meisten von Ihnen wissen, dass mich diese Frage sehr beschäftigt und umtreibt. Wie geht es heute, das Evangelium neu in die Welt hinein zu sagen, oder mehr noch: nicht nur zu sagen, sondern mit unserem ganzen Leben zu buchstabieren? Wie kann es neu gelingen, dass unser Glaube, unser Dienst für die Menschen, unsere Verkündigung wieder neu und kraftvoll und anziehend werden?

Ich bin zuletzt in dieser Frage drei Tage in Frankreich gewesen in einem Bistum, von dem ich weiß, dass es da einiges an Aufbruch gibt. Freilich auch keine Patentrezepte, keine flächendeckenden Lösungen, aber dennoch nicht wenige Orte, wo wirklich Wachstum ist. Und eines, liebe Schwestern und Brüder, hat mich dabei frappiert.

Wir haben es für Jesus getan

Überall, wo man den Eindruck hat, dass wirklich etwas wächst, dort steht Jesus ganz neu im Mittelpunkt, im Zentrum. Vielleicht meinen Sie, dass das selbstverständlich sei, es gehe doch immer um Jesus. Aber, meine Lieben, das ist es eben nicht. Es geht bei uns allen so oft gerade nicht um Ihn. Wenn sich zum Beispiel hier in Salzweg St. Rupert alle, die mitgeholfen haben bei der Renovierung, fragen würden: Für wen haben wir hier eigentlich so viel Zeit investiert und Kraft und vielleicht auch Geld?

Was wären die Antworten? Für die Kirche, für die Ortsgemeinschaft, für den Pfarrer, und auch a bissl für einen selbst? Das wären alles legitime Gründe, liebe Schwestern und Brüder, oft gute Gründe. Aber ich bin sehr gewiss, dass wir in unserem gläubigen Leben noch tiefer kommen dürfen, dorthin, wo wir sagen könnten: Wir haben es für Dich getan, für Dich, Jesus.

Unnütze Sklaven? – Weil er es wert ist

Und wenn wir dann auch noch die Lektion des heutigen Evangeliums dazu nehmen, wo wir gehört haben, dass der Diener Jesu – auch wenn er alles getan hat – am Ende aus dem Herzen sagen soll: „Wir sind nur unnütze Sklaven, wir haben nur unsere Schuldigkeit getan“, dann ahnen Sie vielleicht, was ich meine, dass wir alle zusammen neu lernen dürfen, für Jesus zu dienen, zu arbeiten, zu leben.

Einfach weil er es wert ist. Mehr als alles andere. Und je tiefer wir das verstehen, je tiefer wir ihn selbst erkennen, desto mehr werden wir auch das Evangelium verstehen: Nicht Jesus muss froh sein, dass überhaupt noch irgendjemand etwas für ihn tut, sondern wir dürfen dankbar sein, dass wir so einem Herrn dienen dürfen, dass wir zu ihm gehören dürfen. Er ist nämlich so viel größer als alles, was sich sonst noch als guter Grund für unseren Dienstes eignen würde.

Sklaven sein: Jesus dienen

Aber was heißt das nun noch genauer? Jesus dienen? Nun, die Erfahrungen in Frankreich und anderswo auf der Welt mit der neuen Evangelisierung zeigen alle, dass wir einander helfen müssen, zu dem zu kommen, was es heißt, eine persönliche Beziehung zu Jesus zu haben. Das sagen auch im Grunde alle hierzulande, die für die Erneuerung der Kirche brennen.

Der Anfang von allem ist die persönliche Beziehung zum Herrn. Aber auch das ist für unsere niederbayerisch-katholischen Ohren nicht so vertraut. Was bedeutet das nun wieder? Ich möchte es einmal so sagen, liebe Schwestern, liebe Brüder: Vielleicht können sich nicht wenig unter Ihnen daran erinnern, dass sie in ihrem Inneren schon einmal angerührt worden sind, bewegt worden sind, vom Kern dessen, was wir an Ostern feiern, nämlich von der urchristlichen Erfahrung: Jesus lebt!

Jesus lebt!

Und zwar so, dass es nicht nur ein Gedanke in Ihrem Kopf war, sondern auch etwas, was Sie von innen her bejahen konnten, was Sie angezogen hat, was Sie vielleicht auch wirklich berührt hat. Jesus lebt. Und, ja, ich kann darauf auch vertrauen, kann es von Herzen glauben. Da ist ein Geheimnis in mir, das man damit in Verbindung bringen kann: Jesus lebt.

Das, meine Lieben, ist die Urerfahrung der Christen, eine Begegnung mit einer Wahrheit, die so viel mehr ist als nur Einbildung, oder nur ein Gedanke im Kopf. Es ist eine Wahrheit, die wir in jeder Eucharistie feiern: Jesus lebt, er ist gegenwärtig, er will uns berühren und beschenken, er will unser Leben erneuern, er will, dass wir mit dieser Hoffnung und diesem Frieden in die Welt gehen: Jesus lebt. Egal, was passiert.

Die Beziehung vertiefen!

Und wenn ich das einmal nachvollziehen kann, dann ist das Zweite: Ich will es nicht einfach vergessen und zur Tagesordnung übergehen oder es von den Sorgen des Alltags überwuchern lassen. Nein, ich will dieser Spur folgen, dem nachspüren, ich will ihn besser kennen lernen. Ich will lernen, zu Ihm zu beten, in seiner Gegenwart zu verweilen.

Ich will darauf vertrauen lernen, dass er mich wirklich liebt, dass er mich persönlich meint, dass er mich wirklich kennt und in meinem Herzen wohnt. Das heißt wachsen in dieser Beziehung, heißt lernen, ein Jünger, eine Jüngerin zu werden. Und das, meine Lieben, das wächst wiederum nur aus dem Gebet, aus der Liturgie, aus den Sakramenten, aus dem Lesen der Hl. Schrift – und aus dem selbstlosen Dienst der Liebe am Anderen.

Sklaven sein, Jünger werden: Anbetung als ein Weg

Ein Priester, den ich in Frankreich getroffen habe, der reist durch viele Gemeinden und hilft ihnen, so etwas wie beständige Anbetung in ihren Gemeinden zu beginnen. So, dass viele Menschen nacheinander ihre Zeit mit Christus haben, in der Stille bei ihm und vor ihm. Und die Erfahrung dieses Priesters ist: Wenn Menschen damit einmal begonnen haben und einige Zeit regelmäßig zum Beispiel ihre wöchentliche Stunde mit dem Herrn verbringen, dann wollen sie diese Zeit nicht mehr missen.

Sie kommen zu Christus, sie kommen gleichzeitig tiefer zu sich selbst, sie finden zu größerer Innerlichkeit und zu größerer Freude. Und das Zweite, ganz Wichtige ist: Solche betenden Menschen sind in dieser Zeit auch für die Kirche vor Gott, für die Menschen in und außerhalb der Kirche – sodass sie als Fürbitter auch beständig den Segen erbitten, beständig den Himmel offen halten. Sie tun nicht nur etwas für Jesus und für sich, sondern auch für die Kirche, als Stellvertreter für viele.

Den Segen erflehen!

Ich glaube zutiefst, liebe Schwestern, liebe Brüder, wenn es in einer Gemeinde, einer Pfarrei eine Gruppe, einen Kern von Menschen gibt, die sich so vereint wissen in dem Wunsch, dass in der Pfarrei gebetet wird, die das organisieren, dass immer jemand da ist, die sich verbunden fühlen in diesem Anliegen – dann wächst Erneuerung der Kirche auch von innen her.

Dann wird Ihr erneuerter Kirchenbau auch von innen her mit dem Glauben erfüllt, dass Christus wirklich da ist. Und dass er es wert ist, dass wir ihm Zeit schenken, dass wir den Segen für uns und andere erflehen. Wenn so etwas da ist, dann ist das gesamte Leben einer Gemeinde anders getragen, von der eigentlichen Mitte her. Und dann werden auch die anderen Aktivitäten, die Feiern und Feste, die Sorge für Benachteiligte, die Verkündigung des Glaubens von einem anderen Geist erfüllt und getragen.

Dankbar für die Früchte der Arbeit

Und wenn wir von hier in die Zukunft schauen und uns fragen: Was wird kommen, wenn wir noch weniger Priester haben, oder Hauptamtliche? Dann glaube ich: Eine Gemeinde, die so von innen her hineingefunden hat in den Glauben an die Nähe zu Jesus, die ist dann auch getragen und trägt sich weiter, und bricht nicht gleich zusammen, wenn der Pfarrer einmal nicht mehr so nahe am Ort sein kann.

Denn das, was die Kirche im Innersten hält, liebe Schwestern und Brüder, das ist nicht zuerst der Pfarrer, das ist auch nicht zuerst der äußere Kirchenbau, sondern das sind Menschen, in deren Herz Jesus wohnt, die aus dieser Gegenwart heraus selbst gemeinsam Kirche sind.

Die Beziehung zu Jesus sprengt die Ketten von Sklaven

Liebe Salzweger, diese Perspektive soll all das Gute nicht schmälern, dass hier da ist, das große Herz und den großen Einsatz für die Kirche, den Sie schon erbracht haben und erbringen. Meine Einladung ist nur ein Ausdruck meiner Sehnsucht: dass Jesus wirklich das Leben unserer Gemeinden und unserer Gläubigen neu erfüllt, dass von dort Kirche ihre eigentliche Mitte neu findet und daraus leben und wieder wachsen kann!

Nun aber wollen wir für heute Erntedank feiern. Wir danken ja im Segen so oft für die Früchte der Erde und der menschlichen Arbeit: Hier und heute können wir die Frucht von so viel Arbeit dankbar feiern, die so viele von Ihnen in diese Kirche gesteckt haben. Gott segne Sie alle. Amen.