Bild: Kloster Raitenhaslach Kirche Innenraum Blick zum Altar // Gruehr / CC BY-SA 3.0

Der Altar ist ein Fels in der Brandung

Der Altar ist ein Fels: Es ist kein Zufall, dass der Altar meist fest verankert und aus Stein gehauen ist. Die Predigt von Bischof Stefan Oster zur Altarweihe in Raitenhaslach 2014.

Lieber Herr Pfarrer Aicher, liebe Schwestern und Brüder im Glauben,
wenn ein Gottesdienst beginnt, ist eine der ersten Handlungen des Priesters der Kuss des Altars. Der Priester verehrt den Altar, weil er mit der Kirche den Glauben teilt, dass der Altar der besondere Ort der Anwesenheit Gottes ist. Schon in der Zeit des Alten Testaments haben Menschen dort, wo sie besondere Erfahrungen der Gegenwart Gottes machen durften, Altäre gebaut.

Der Altar gibt einem Ort mitten in der Welt den Charakter der Heiligkeit: Hier ist Gott anwesend. Und hier erinnern wir uns immer wieder neu an seine Gegenwart mitten in der Welt. In besonders feierlichen Messen wird der Altar auch zweimal in der Liturgie mit dem Weihrauch umschritten und verehrt. Mit dem Altar verehren wir also Gott selbst.

Der Altar ist ein Fels: Verlässliche Festigkeit

Normalerweise steht der Altar wie auch dieser neue, prächtige Altar hier in Raitenhaslach fest mit dem Boden verbunden und unverrückbar in der Kirche. Auch das, liebe Schwestern und Brüder, ist nicht Zufall: Christus selbst wird in der Bibel auch der Fels genannt, der Eckstein, der lebendige Stein und sogar wörtlich: der Altar.

Und vielleicht kann man diese verlässliche Festigkeit so deuten: Was auch immer kommt, wie auch immer die Welt sich dreht mit all ihrer Schönheit und mit all ihren schrecklichen Seiten: Christus ist da und er bleibt da. Er ist der Fels in der Brandung, er ist der Felsen, auf dem auch wir unser Lebenshaus bauen können. Auch das ist ein Bild, das er uns selbst schenkt, am Ende der Bergpredigt. Wer ihm folgt, der baut sein Haus auf Felsen, sagt er und eben nicht auf Sand.

Zum Altar werden, dem Ort, wo Gott wohnt

Aus dieser Perspektive folgt ein weiterer Gedanke: wer auf Ihn, den Felsen, den Altar baut, der wird – so sagt er uns – selbst zum Felsen und er wird selbst zum Altar. Also zu dem Ort, bei dem Gott wohnt. Wie kann man sich das vorstellen? Sicher haben Sie alle, Schwestern und Brüder, schon einmal Menschen kennen gelernt, die ihr Leben wirklich aus einem tiefen Glauben heraus gelebt haben oder leben.

Der Glauben an Christus, das Vertrauen auf ihn, ist ja nicht nur eine Kopfsache, sondern zuerst eine Herzenssache, eben eine Vertrauenssache. Und Sie alle wissen, dass Vertrauen wachsen und stärker werden oder schwächer werden und sich auflösen kann. Es kann in Misstrauen umschlagen. Und so ist es mit dem Glauben: Er kann wachsen und stark werden oder er kann schwach werden und verdunsten.

Der Altar ist ein Fels in der Brandung

Und meine Erfahrung ist: Menschen, mit einem starken Glauben, Menschen, die erfüllt sind vom Vertrauen auf Gottes Gegenwart, die habe ich schon oft selbst als Fels in der Brandung erlebt. Die sind auch innerlich fest und stabil. Da kann viel kommen, viel Erschütterung, viel Krisenhaftes, solche Menschen stehen fest und sind oft Halt für viele Wankende.

Vielleicht haben Sie schon einmal Berichte darüber gehört, wie Edith Stein oder Pater Maximilian Kolbe in den Konzentrationslagern der Nazis von anderen Lagerinsassen erfahren wurden. Die Berichte gehen dahin, dass beide eine tiefe innere Ruhe und Gelassenheit ausgestrahlt haben – und dadurch sehr anziehend für andere gewirkt haben – und zwar mitten in dieser Hölle des Lagers. Sie waren beide gewissermaßen Altar Gottes, Wohnort Gottes in einer gottlosen Umgebung. Sie hatten ihr inneres Leben auf den Altar Christus, auf den Eckstein gebaut und sind selbst wie Altäre geworden.

Wie wird man ein Mensch, der tief im Glauben steht?

Liebe Schwestern und Brüder im Glauben: Wie wird man ein Mensch, der tief im Glauben steht? Im Evangelium von heute haben wir gehört, dass Christus nicht nur Altar ist, sondern auch ein Sämann. Er streut sein Wort aus, das Wort vom Reich Gottes, das Wort von der Erlösung durch ihn selbst, ja er selbst ist auch Wort und Same zugleich: Er gibt sich ja selbst mit in allem, was er gibt.

Aber die Frage an uns ist: Wie tief berührt uns sein Wort? Wie tief berührt er uns im Sakrament? Ist unsere Seele eher wie ein harter Weg oder wie Felsenuntergrund, oder wie Dornengestrüpp? Hören wir sein Wort und es geht links hinein und rechts wieder hinaus? Oder hören wir sein Wort, wir lassen uns berühren, und wir gehen nach Hause und sofort kommen die Sorgen des Alltags oder das Geld oder anderes – und wir haben das Wort wieder vergessen.

Oder sind wir wirklicher Ackerboden, fällt das Wort, fällt die Eucharistie in unser Herz? Macht sie uns fester und tiefer im Glauben. Lässt sie uns im Vertrauen wachsen? Wird unser Innenleben fester, wie ein fester Altar – oder schwimmen wir im Glauben und in unseren Überzeugungen – und wanken wir wie ein Schilfrohr im Wind?

Gefestigte Menschen wirken anziehend

Menschen, die innerlich wie ein fester Altar sind, Menschen, bei denen wir den Eindruck haben, bei ihnen wohnt Christus, die wirken anziehend. Die faszinieren uns, die helfen uns, das eigene Innenleben wieder neu zu pflegen und selbst Christus tiefer zu suchen. Solche Menschen bringen also auch Frucht, wie das Evangelium sagt: Manchmal sogar dreißig, sechzig oder hundertfach.

Wir dürfen uns ehrlich fragen: Warum eigentlich scheint unsere Kirche heute in unserem Land eher wenig fruchtbar zu sein, warum scheint sie nicht zu wachsen? Liegt es womöglich auch daran, dass wir selbst wenig dazu beitragen, dass wir immer mehr Altar Christi werden?

Diese Fragen dürfen wir uns auch an einem so besonderen Tag wie heute stellen. In jedem Fall, liebe Schwestern und Brüder im Glauben, dürfen wir uns aber zuerst einmal auch freuen: Wir haben den Altar hier, wir haben die Quelle der Fruchtbarkeit und der Freude hier und ich bin dankbar, heute mit Ihnen dieses Fest der Altarweihe begehen zu dürfen. Möge es von neuem unseren Glauben vertiefen auf Christus den Felsen in uns und unter uns.

Ein Pfarrer mit Ecken und Kanten

Sie, Herr Pfarrer Aicher, können anlässlich dieses Festes auf viele Jahre Ihres Wirkens hier in Raitenhaslach, aber auch in Mehring und in Burghausen, in der engsten Umgebung also zurückblicken. Wir sind uns erst kürzlich das erste Mal und dabei leider nur kurz begegnet, daher habe ich Sie gebeten, mir ein paar Notizen zu Ihren Lebensstationen zu geben.

Und zudem habe ich einen Zeitungsartikel gelesen, in dem stand, dass Sie ein Pfarrer mit Ecken und Kanten seien, aber dass genau das die Leute besonders schätzen würden. Direkt, geradlinig, engagiert und mit großen Kämpferqualitäten, so werden Sie da beschrieben. Und wenn man so was in der Zeitung liest, dann bedeutet das sicher auch, dass Sie für Ihre Ziele durchaus auch den einen oder anderen Konflikt nicht gescheut haben.

Fruchtbares Wirken

Auf jeden Fall, wenn man nur die äußeren Daten und Ergebnisse nimmt, ist Ihr Wirken sehr konkret und anschaulich fruchtbar gewesen: Sie haben das Pfarrhaus und die Kirche in Mehring renoviert. Sie haben dort den Kinderarten gebaut und den Friedhof dort neu gestaltet. Sie haben ein ähnliches Programm als Pfarrer von St. Jakob und St. Konrad durchgeführt, einschließlich der Sorge um das Pfarrzentrum und der Sanierung des Pfarrhauses.

Und besonders hier in Raitenhaslach und Marienberg kamen wieder die Renovierungsarbeiten an beiden Kirchen hinzu, einschließlich der Erschließung neuer Pfarrräume, des Baues eines neuen Leichenhauses und anderes mehr. Zudem haben sie bei der Gründung der Georgsbläser entscheidend mitgewirkt. Und heute eben können wir hier in Ihrer Pfarrkirche den neuen Altar weihen.

Das Wort kehrt nicht leer zurück

Lieber Herr Pfarrer Aicher, ich danke für Ihren Einsatz und für Ihre Treue im Weinberg des Herrn in den vergangenen 40 Jahren als Sein Priester. In der zweiten Lesung hat uns Paulus im Brief an die Römer gesagt, dass er zusammen mit den anderen darauf wartet, dass „wir mit der Erlösung unseres Leibes als Söhne offenbar werden“. Sie haben auch wegen gesundheitlicher Rückschläge um Ihre Entpflichtung als Pfarrer gebeten. Ich bitte den Herrn, dass er Ihnen alles lohnen möge, was Sie in den vierzig Jahren im Dienst als Priester gewirkt haben.

Er hat den Samen in unser Herz gelegt, wir haben sein Wort gehört und in der ersten Lesung hat er uns verheißen, dass sein Wort nicht leer zu ihm zurück kehrt, sondern bewirkt, was er, der Herr, will. Ihre Gemeinde und viele Ihrer Freunde hier danken für allen Einsatz – und wir beten alle miteinander, dass der Herr auch an Ihnen bewirke und zur Reife und Vollendung bringe, was er in Ihnen grundgelegt hat. Gott segne Sie und in der Bitte um diesen Segen wollen wir nun auch den Altar dieser wundervollen Kloster- und Pfarrkirche weihen. Amen.

Bild: Kloster Raitenhaslach Kirche Innenraum Blick zum Altar // Gruehr / CC BY-SA 3.0