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Fronleichnam: Ein Zeichen in die Welt tragen

Christus sagt durch das Zeichen von Brot und Wein: Ich selbst habe mich Dir geschenkt, vollständig, ohne irgendetwas zurückzuhalten. Die Predigt von Bischof Stefan Oster zum Fest Fronleichnam am 19. Juni 2014 im Passauer Stephansdom.

Was ist ein Zeichen?

Liebe Schwestern und Brüder im Glauben,
was tragen wir hinaus, wenn wir heute auf die Straße gehen? Eine sehr allgemeine Antwort ist: Wir tragen ein Zeichen hinaus. Ein Zeichen ist etwas in unserer Welt, was meistens auf etwas Anderes hinweist. So wie ein Verkehrszeichen zum Beispiel, das eine Bahnschranke zeigt, auf einen nahenden Bahnübergang hinweist.

Es gibt nun aber ganz besondere Zeichen in der Welt, solche Zeichen, die nicht auf etwas hinweisen, was von ihnen unterschieden ist, sondern solche, die auf etwas hinweisen, was in ihnen enthalten ist. Am offensichtlichsten ist das bei uns Menschen. Wir Menschen sind nämlich selber Zeichen füreinander, allesamt. Wir sehen uns gegenseitig an und sehen und hören ja mit unseren Sinnen zunächst einmal nur Äußerlichkeiten: Wir sehen einen Körper, Kleidung, Haare, Bewegungsarten und so fort, wir hören Laute, wir riechen Gerüche.

Zeigen, was sich verbirgt

Und das Gesamt dieser Zeichen hilft uns verstehen, wer sich eigentlich in diesem Leib verbirgt. Welche Person, welcher Geist? Wir sind also nicht nur selbst Zeichen, wir sind auch immerfort Zeichendeuter und jeder von uns drückt sich in jedem Moment irgendwie aus und gibt den anderen Menschen gewissermaßen zu lesen und zu deuten. Wir wissen nie unmittelbar, wer der andere ist, sondern wir wissen es nur vermittelt eben durch den zeichenhaft nach außen gerichteten Leib, durch die Sprache, durch das Handeln. Wir sind Zeichen!

Als Christen glauben wir nun sogar, dass die ganze Welt, die uns umgibt, vor allem die wundervolle Schöpfung Zeichencharakter hat. Die Schöpfung ist in sich selbst so wundersam geordnet, so lebendig, so schön, dass wir mit den Augen unseres Glaubens verstehen können, dass sich auch in der Schöpfung ein Schöpfer ausdrückt. Gott spricht durch seine Schöpfung zu uns. In ihr gibt er uns ein Zeichen seiner Größe, seiner Schönheit, seiner Treue.

Verdunkelte Augen

Unser sehr grundsätzliches Problem ist nur, dass die Augen unseres Herzens, mit denen wir die Gegenwart Gottes in der Schöpfung und auch in uns Menschen lesen könnten, verdunkelt sind. Wir sehen Menschen und neigen dazu, sie eben nicht mit dem Herzen zu sehen, sondern zum Beispiel mit einem berechnenden oder einem taxierenden oder einem vergleichenden oder einem gierigen Blick. Wir sehen die Schöpfung und neigen dazu, sie zu reduzieren auf das, was wir von ihr profitieren könnten. Wir sind in gewisser Hinsicht blind geworden auf unseren Herzensaugen und blind für das Lesenkönnen der tiefen Zeichensprache Gottes.

Auch deshalb ist Christus in unsere Welt gekommen: Damit wir wieder besser sehen lernen, mit den Herzensaugen, damit wir in uns und im anderen Menschen und in der ganzen Schöpfung wieder die Gegenwart unseres Schöpfers erkennen können. Er gibt uns ein Zeichen dafür, dass Gott radikale Liebe ist und radikale Schönheit, die sich einfach verschenkt.

Eine Liebe, die sich verschenkt

Eine Liebe, die nichts, aber auch gar nichts, geizig an sich hält. Er gibt uns das Zeichen des Kreuzes, der radikalen Selbsthingabe Gottes. Ja, er selbst ist dieses Zeichen in Person. Aber damit nicht genug: die Eucharistie verdeutlicht dieses Selbsthingabe noch einmal um eine unfassbare Dimension. Christus sagt durch das Zeichen von Brot und Wein: Ich selbst habe mich Dir geschenkt, vollständig, ohne irgendetwas zurückzuhalten.

Ich selbst bin für Dich gestorben am Kreuz und auferstanden. Und ich selbst will Dir in diesem Zeichen zur Nahrung werden, zur Nahrung von der sich Deine Seele nähren kann, von der sie leben kann. Ich selbst will Dir Lebensmittel werden, Mittel zum Leben. Ich selbst will Dir innerlicher werden, als Du Dir selbst innerlich sein kannst.

Und so will ich, dass Du von innen her die Welt und den anderen Menschen mit neuen Augen sehen lernst. Ich will, dass Du in allem die Gegenwart Gottes wieder neu wahrnehmen kannst. Ich will, dass Du Dich von mir nähren und tragen lässt, damit auch Du der Welt zum Zeichen wirst, für meine Liebe und meine reale Gegenwart.

Fronleichnam: Zeichen in der Welt

Deshalb, liebe Schwestern und Brüder, deshalb werden wir auch in unserer Fronleichnamsprozession heute der Welt in unserer Umgebung zum Zeichen. Wir bringen damit zum Ausdruck, dass wir an einen Gott glauben, der in der Welt gegenwärtig ist und bleibt. Wir tragen ein Zeichen in die Welt, das für uns das Zeichen schlechthin ist, weil Gott selbst es uns geschenkt hat.

Wir bekennen heute, dass wir das Leben haben, weil uns in diesem Zeichen Gott selbst zur Nahrung geworden ist. Würden wir uns nicht dazu bekennen, hätten wir keinen Anteil an ihm, sagt der Glaube. Aber in diesem Zeichen, in diesem Sakrament, sind wir bleibend mit ihm verbunden und können nicht mehr verloren gehen. Und das zeigen wir Ihm heute voller Dankbarkeit und Verehrung. Wir zeigen es uns auch gegenseitig, weil wir in diesem Zeichen auch untereinander geeint sind, und wir zeigen es der Welt, in der wir leben. Amen.