Foto: Anna Hofmeister/pbp

Gottesdienst – Der Leib als lebendiges Opfer

Gottesdienst als lebendiges Opfer feiern. Die Predigt von Bischof Stefan Oster zum Gottesdienst mit Studierenden des Departements für Katholische Theologie an der Universität Passau.

Liebe Schwestern und Brüder im Glauben,
das Thema, das Sie sich für diesen Gottesdienst anlässlich des Sommerfestes gewählt haben, ist anspruchsvoll. Vor allem im Bezug auf die Texte, die heute aus der hl. Schrift zu diesem Thema zu uns sprechen.

Die Lesung aus dem Römerbrief beginnt nämlich gleich mit einer Ermahnung, der sich vieles in unserem natürlichen, menschlichen Dasein dramatisch widersetzt. Hören wir nochmal hinein: Paulus ermahnt uns angesichts des Erbarmens Gottes, uns selbst als lebendiges und heiliges Opfer darzubringen, das Gott gefällt. Dies, so Paulus weiter, ist der wahre und angemessene Gottesdienst.

Also, im Grunde würde ich diejenigen, die die Textstellen ausgewählt haben, gerne fragen, was sie sich dabei gedacht haben. Denn wer von uns möchte gerne sich Gott selbst als heiliges und lebendiges Opfer darbringen? Und wer von uns glaubt, dass das der wahre und angemessene Gottesdienst ist? Was heißt hier überhaupt Opfer? Im Original steht da übrigens nicht euch selbst, sondern „euren Leib“. Wir sollen also unseren Leib als lebendiges Opfer darbringen.

Was ist das Opfer?

Vielleicht versuchen wir ein Verständnis zu gewinnen, wenn wir fragen, was das Opfer eigentlich ist. Denn das ist einer der vielschichtigsten und vielleicht auch am meisten missverstandenen Begriffe, die in unserem Glauben zur Anwendung kommen. Ich würde aus den vielen Bedeutungen einmal drei herausnehmen wollen.

Etwas, das kostet

Einmal ist ein Opfer etwas, das uns etwas kostet. Ich bringe das Opfer heißt im heutigen Sprachgebrauch: Es kostet mich eigentlich etwas und es ist gar nicht selbstverständlich, das ich das tue. Die zweite Bedeutung wäre ausdrücklich religiös: Wir tun etwas oder bringen etwas dar, was Gott gehört oder Gott geweiht sein soll oder für Gott ausgesondert wird. Das Alte Testament ist voll von solchen Opferhandlungen und Opfervorschriften.

Dabei ist aber immer wieder auch zugleich Kritik am Opfern mit impliziert und formuliert: Wenn man Gott etwas in falscher Absicht opfert, etwa um ihn für seine eigenen Ziele zu verzwecken, dann wird es magisch und auch verkehrt. Gott will das Opfer aus reinem Herzen. Deswegen bezeichnet die Schrift zum Beispiel das Gebet oder den Lobpreis als Opfer des Lobes. Das heißt: Wir tun etwas einfach für Gott um seinetwillen, einfach weil wir ihn anbeten, loben und preisen. Freilich auch, in der Fürbitte um etwas, aber nie in der magischen Absicht, ihn für uns nur zu verzwecken.

Reine Opfer-Gabe

Damit sind wir schon bei der dritten Bedeutung, der allgemeinsten Bedeutung. Ein Opfer ist eine reine Gabe. Es ist etwas, was wir tun oder geben schlicht und einfach weil es gut ist oder weil es wahr ist, das jetzt zu tun. Um der Sache willen oder um des Adressaten willen. Ein solches Opfer ist ein Akt des Gebens, der umsonst ist, das heißt, er nicht noch einmal rückgebunden oder heimlich motiviert durch hintergründige eigene Interessen, die wir vielleicht auch noch verfolgen.

Und nun, liebe Schwestern und Brüder, nun hören wir Paulus noch einmal: Bringt Euer Leben, euch selbst, euren Leib als lebendiges Opfer dar. Das ist der wahre und angemessene Gottesdienst, sagt Paulus. Ich glaube, das darf man so deuten: Werdet Menschen, die umsonst lieben können. Werdet Menschen, die das Gute um des Guten willen und die Wahrheit um der Wahrheit willen tun, und nicht, weil sie selbst noch einmal ihren Vorteil suchen.

Menschen, die umsonst lieben können

Die Frage an uns ist: Gibt es das? Ist das möglich, dass wir Liebende in diesem Sinne werden? Die Antwort des Paulus folgt in der vorgetragenen Lesung gleich im nächsten Satz: Gleicht euch nicht dieser Welt an, sondern wandelt und erneuert euer Denken, damit ihr prüfen und erkennen könnt, was der Wille Gottes ist, was ihm gefällt, was gut und vollkommen ist.

Also: Vor der Fähigkeit, wirklich zu lieben, kommt die Bekehrung, die Erneuerung des eigenen Denkens, des eigenen Blickes auf die Welt. Diese Bekehrung ist für Paulus gleichbedeutend mit der immer neuen Hinwendung zu Jesus. Und zwar nicht einfach nur in ein paar Gedanken über ihn, sondern in der existenziellen inneren Verbindung mit ihm.

Kennen Sie Jesus?

Liebe Schwestern und Brüder, kennen Sie Jesus? Ich meine nicht einfach als gelernten Inhalt des Theologie-Studiums. Solcher Inhalt ist natürlich nützlich und hilfreich. Aber er ist aus der Sicht des Glaubens nur hilfreich, wenn er uns dahin führt, Jesus persönlich und gemeinschaftlich tiefer zu erkennen, mehr zu lieben und inniger aus Ihm zu leben. Denn die Sache mit der Liebe umsonst, zu der sind wir aus eigenen Kräften gar nicht groß in der Lage. Zur Liebe umsonst befähigt uns die immer neue Hinwendung zu Christus, der in uns selbst, in unserer Seele, in unserem Herzen Raum gewinnen, der darin wachsen will, der darin immer mehr lebendige Gegenwart werden will.

Aber dazu ist es nötig, mit Ihm wirklich im beständigen inneren Dialog zu sein, dazu ist es nötig, von Ihm her die Welt sehen zu lernen, dazu ist es nötig, eben unser Denken von Ihm her erneuern zu lassen. Erst dann können wir verstehen, sagt Paulus, was denn der Wille Gottes ist. Erst in Christus wird unser ganzes Leben wie eine Art lebendige Gabe, lebendiges Opfer, wahrer Gottesdienst. Weil wir in allem anfangen Ihm zu dienen.

Weg, Wahrheit und Leben

Und damit, meine Lieben, sind wir beim Evangelium: Jesus spricht in seinen Abschiedsreden davon, dass er zum Vater geht und sagt den Jüngern, dass sie den Weg dahin kennen würden. Thomas versteht nicht recht und sagt: Herr wie sollen wir den Weg kennen? Und ehe wir die Antwort Jesu hören, dürfen wir ruhig einen Augenblick innerlich niederknien, denn nun kommt eine dieser unfassbaren Selbstoffenbarungen des Herrn, wenn er sagt dass er selbst Weg, Wahrheit und Leben ist. Und dass niemand, es sei denn durch Ihn zum Vater kommt.

Liebe Schwestern und Brüder, wenn wir diesen Aussage doch nur vollen Herzens Ernst nehmen könnten, wenn wir nur vollen Herzens sagen könnten: Ja, Herr, ergreife mein Leben ganz und verwandle es so, dass es in allem Dir dient, in allem mit Dir die Wahrheit sucht und in allem mit Dir unterwegs ist zum Vater.

Jeder und jede von uns hat seinen eigenen Lebensweg. Und es gibt unzählige Wege durchs Leben, soviel Menschen es eben gibt. Weil jeder einzig und einzigartig ist. Aber in der rechten Weise gehen wir nur durchs Leben, wenn wir Jesus Weg sein lassen und Wahrheit. Und das Wunder ist, auch das kommt in der Lesung zum Ausdruck: Wenn jemand wirklich in Christus geht, dann wird er nicht genau so wie alle anderen, sondern dann kommt in ihm noch einmal in tiefer und besonderer Weise seine Einzigartigkeit zum Vorschein.

Eine besondere Erfahrung der Tiefe

Meine Lieben, ich bin einigermaßen überzeugt, dass es eine solche Erfahrung in dieser Tiefe im Grunde nur im Christentum gibt: nämlich dass uns die Liebe aller zum selben, also zu Christus, in der Tiefe zu Menschen macht, die alle geeint sind in dieser Liebe, aber zugleich radikal und profiliert verschieden voneinander sind.

Das liegt daran, dass unsere Zugehörigkeit zu Christus, das Gehen des Weges in ihm, nicht versklavt, sondern befreit. Wer in Ihm ist, sagt Paulus, der ist eine neue Schöpfung. Er ist neu, anders als die anderen auch anderes als alles, was eine Welt so tut und denkt, in der Gott nicht vorkommt. Ein Mensch, der in Christus seinen Weg geht, ist lebendiger Gottesdienst, sagt Paulus. Er dient dem Herrn und macht ihn durch die Art und Weise wie er lebt und leibt, den Menschen offenbar.

Sie sehen, Schwestern und Brüder, wenn man das Evangelium nach dem Thema Weg befragt, bekommt man keine einfachen Antworten. Aber man bekommt eine Antwort, die die letzte und tiefste Antwort gibt auf die Frage: Welchen Weg sollen wir gehen? Die Antwort heißt schlicht: Christus ist der Weg.