Jemanden lieben bedeutet, ihm zu sagen: Du wirst nicht sterben. Die Predigt von Bischof Stefan Oster an Allerseelen 2025.
Was bedeutet es, jemanden zu lieben? Darauf gibt der französische Philosoph Gabriel Marcel eine Antwort: Es bedeutet, zu jemandem zu sagen: Du wirst nicht sterben. Doch wie ist das zu verstehen? Und was hat das mit Allerseelen zu tun? Darüber sprach Bischof Stefan Oster in seiner Predigt am Allerseelentag 2025 im Passauer Stephansdom.
Der Bischof stellte das Evangelium von der Auferweckung des Lazarus in einen größeren biblischen Zusammenhang. Bethanien sei für Jesus ein Ort persönlicher Freundschaft gewesen; dort lebten Martha, Maria und Lazarus, die ihm besonders nahestanden. Als Jesus nach dem Tod des Lazarus eintrifft, kommt Maria, die eine besonders innige Beziehung zu Jesus gehabt habe, ihm entgegen – und sie weint vor ihm. Dies zeige deutlich: Gott lässt sich von menschlicher Trauer berühren. Die Tränen und das Gebet der Menschen bewegen Christus dazu, Lazarus ins Leben zurückzurufen.
„Gott lässt sich von menschlicher Trauer berühren“
Zentral ist ein Gedanke des französischen Philosophen Gabriel Marcel: „Jemanden lieben bedeutet, zu ihm sagen: Du wirst nicht sterben.“ Von dort aus widmet sich Oster der Frage, was Liebe im christlichen Verständnis bedeutet. Der Begriff sei vielschichtig und werde oft oberflächlich gebraucht; wahre Liebe gehe jedoch tiefer. Er zitiert Thomas von Aquin: „Liebe heißt, das Gut des anderen zu wollen.“ Und zwar nicht nur äußeres Wohlergehen, sondern seine innere Wahrheit, seine Reifung und sein Heil. Liebe wolle, dass ein Mensch beheimatet sei in Gott: „Ich will, dass du innerlich nach Hause kommen kannst, dass du beheimatet bist in dem, der dich geschaffen hat, der dein Schöpfer ist. Gut dem anderen gut wollen bedeutet, ihm sein Leben wollen, sein ewiges Leben wollen.“
„Lieben bedeute, zu verstehen, warum Gott einen Menschen geschaffen hat.“
Liebe sei deshalb nicht bloße Sentimentalität, sondern enthalte auch Wahrhaftigkeit und Verantwortung. In diesem Sinn erinnert Oster an ein Wort des Philosophen Nicolás Gómez Dávila, nach dem Lieben bedeute, zu verstehen, warum Gott einen Menschen in seiner Einzigartigkeit geschaffen hat. „Es bedeutet, verstehen zu lernen, dass diese Person einen einzigartigen Platz und damit auch Auftrag in dieser Welt hat, der nicht ersetzbar ist – und zu wollen, dass diese Person ist und bleibt.“ Dies bedeute, zu jemandem zu sagen: Du wirst nicht sterben.
Damit verbindet er die Situation der Maria: In ihren Tränen und ihrer Trauer steht sie vor Christus – und Jesus lässt sich bewegen und ruft den verstorbenen Lazarus wieder ins Leben zurück. Christus lässt sich auch durch unsere Fürbitte für Verstorbene bewegen. Zum Abschluss betont der Bischof: „Die Kirche hat immer gewusst, dass authentisches Gebet für den Verstorbenen dazu beitragen kann, dass er ins größere Leben findet. Und das wollen wir heute in besonderer Weise für unsere Verstorbenen erbitten.“
