Am vergangenen Wochenende (17. Mai 2025) zeichnete die christliche Medieninitiative pro erneut Medienschaffende mit dem „Goldenen Kompass“ aus – einem Preis, der an Persönlichkeiten vergeben wird, die durch ihre publizistische Arbeit zu einem authentischen, inspirierenden und konstruktiven Blick auf den christlichen Glauben beitragen. Geehrt werden Projekte und Menschen, die Themen rund um Kirche, Bibel und Spiritualität mit Relevanz und Tiefe in die Öffentlichkeit tragen.
Unter den diesjährigen Preisträgerinnen und Preisträgern waren unter anderem die Kugelstoßerin Yemisi Ogunleye, die Sportmoderatorin Birgit Nössing, der Fernsehjournalist Alexander Bommes – und der SZ-Magazin-Autor Tobias Haberl für sein Buch „Unter Heiden“.
Die Laudatio auf Tobias Haberl kann hier nachgelesen werden.
Laudatio zu Tobias Haberl
Meine sehr verehrten Damen und Herren, lieber Herr Haberl,
am 30. März vor zwei Jahren erschien im Magazin der Süddeutschen Zeitung ein Essay mit dem Titel „Unter Heiden“. Sein Autor, Tobias Haberl, begann den Text mit einem Satz, der vermutlich die eklatanteste Fehleinschätzung seiner jahrzehntelangen Journalistenlaufbahn sein sollte. Der Satz lautete: „Diesen Text traue ich mir nur zu schreiben, weil ihn sowieso niemand liest.“ Aber schon nach einer Woche hatten ihn allein 500 Emails zu eben diesem Text erreicht – und fast alle waren positiv. So etwas hatte man aus einer unverdächtigen Ecke schon lange nicht mehr gelesen. Unverdächtig, weil im Magazin eines großen, linksliberalen und nicht gerade als besonders kirchenfreundlich bekannten Mediums. Haberl schreibt in einer stupenden Ehrlichkeit über seinen eigenen Glauben, über sein Leben im Glauben und sinniert über die Frage, warum denn kaum jemand aus seinem Umfeld auf die Idee kommen könnte zu fragen, was eigentlich an den Inhalten des Glaubens, an seiner Feier und gelebten Praxis attraktiv sein könnte.
Und er selbst findet jede Menge: Ganz besonders eindringlich, so scheint mir, ist seine Analyse des Glaubens als eine Art Gegengewicht gegen das, was unsere Kultur so stark und offenbar ganz besonders die Welt der Medien prägt. Ein Leben in der Ablenkung, ein Leben im Außen, ein Leben an der Oberfläche des täglichen Betriebs der Überladung unserer Lebenswelt mit Bildern, Filmchen, und Kurznachrichten; mit sozialen Medien, die süchtig machen nach dem schnellen Like, dem kurzfristigen Endorphin-Kick; das Eintauchen in eine Welt, in der Polarisierungen und Emotionalisierungen in einer Selbstverständlichkeit produziert werden, dass sie von uns als Medienkonsumenten kaum mehr bemerkt werden. Aber unbemerkt verwandeln wir uns selbst zum Produkt dessen, was wir da konsumieren, zu oberflächlichen Polarisierern mit herzlichen Grüßen aus der jeweils eigenen Bubble.
Haberl steigt immer wieder aus – buchstäblich, entweder kurzfristig in die Hl. Messe oder auch mal ein paar Tage in ein Kloster zum Schweigen. In seiner Offenheit verschweigt er auch nicht, dass er selbst seine Not hat, in die Ruhe zu finden, ins Gebet, in die Konfrontation mit sich selbst. „Da beschwere ich mich seit Jahren über die Volldigitalisierung der Welt und drohe am dritten Tag ohne Internet die Nerven zu verlieren“, schreibt Haberl. Aber er hält durch und findet tiefer: „Die quälende Stille hat sich in eine atmende Stille verwandelt“, formuliert er und bekennt: „Ach ja, ich habe angefangen, mit Jesus zu sprechen.“
Haberl verschweigt kein Thema, das der Kirche in der modernen Gesellschaft um die Ohren fliegt, nicht den Skandal des Missbrauchs, nicht die Frage nach der Rolle der Frau in der katholischen Kirche, nicht den Zölibat und nicht die Debatten um Gender und Sex. Haberl spricht darüber in Ernsthaftigkeit, aber zugleich in der der gelassenen Überzeugung, dass alles das letztlich nicht das Entscheidende ist, wenn es um die Mitte des Glaubens geht. Diese Mitte findet er im Hinzeigen auf eine größere Freiheit, die die Gottesbeziehung schenkt. Insbesondere in dem gläubigen Bewusstsein, dass ihm vergeben ist und immer wieder vergeben wird. Aber er bleibt auch dabei nicht stehen.
Zur Mitte des Glaubens kann er einen Satz formulieren, der in seiner einfachen Schönheit geeignet ist zu erschüttern. Haberl glaubt nämlich tatsächlich, was im Grunde selbst viele Kirchengeher nicht mehr glauben, nämlich dass die Gottesbeziehung ein tiefes, inneres Veränderungspotential für den Menschen hat. Er glaubt also, dass es für ihn als gläubigen Menschen möglich ist, in eine größere Ähnlichkeit mit dem Schöpfer zu kommen. Der schöne Satz heißt dann, Zitat: „Gott ähnlich zu werden bedeutet nicht nur aufzuhören, schlecht über andere zu reden, sondern auch schlecht über andere zu denken.“
Viele Menschen, sehr viele haben seinen Aufsatz „Unter Heiden“ gelesen. Daraus ist dann das gleichnamige, tiefgründige und inzwischen sehr erfolgreiche Buch entstanden – ein echter Bestseller. Mancher meint in dieser Überraschung womöglich schon einen Trend zu erkennen. Einen Trend, der darin bestehen könnte, dass gerade Menschen mit intellektuellem und ästhetischem Anspruch heute wieder vermehrt bereit sind, die Schönheiten und Wahrheiten eines christlichen, gläubigen Lebens zu entdecken – jenseits von Moralismus, Heuchelei oder skandalösen Ärgernissen. Lieber Tobias Haberl, es ist schwer, wie Sie sagen, über andere gar nicht mehr schlecht zu reden, und noch schwerer ist es, nicht mehr schlecht über sie zu denken. Dafür brauchen wir den Gott, an den Sie und ich glauben. Aber um diesem Gott in einer gottfernen Zeit neu auf die Spur zu kommen, brauchen wir Bücher wie das Ihre und Menschen wie Sie. Und Ihr Glaubens-Buch ist gesellschaftlich relevant: Das zeigen auch die inspirierenden Interviews in vielen Medien: im Stern, im Bayerischen Rundfunk, in der Neuen Züricher Zeitung oder auch auf dem Youtube-Kanal des Passauer Bischofs.
Deshalb: Für Ihr bei penguin verlegtes Buch „Unter Heiden“ (und Ihre begleitenden Publikationen zum Thema) erhalten Sie den Goldenen Kompass 2025.
Herzliche Gratulation!
Hier auch als Video: