Theologische und persönliche Anmerkungen zum Film „Die hippen Missionare – Mit Jesus gegen die Freiheit?“ – eine Dokumentation des Bayerischen Rundfunks, abrufbar hier.
Schon in seinem Titel berührt der Film den entscheidenden Punkt: Freiheit! Und die Autoren der Sendung setzen ganz offensichtlich eine konkrete Auffassung von Freiheit voraus, die weitgehend derjenigen entspricht, die in dieser Gesellschaft vorherrschend ist. In dieser Freiheit darf Gott natürlich auch irgendwie dabei sein – wie eine Art zusätzliche Ingredienz, die das Leben schöner und angenehmer macht – die aber ansonsten Privatsache ist.
Wenn es dann um das Evangelium Jesu Christi geht, dann scheint auch dieses irgendwie positiv besetzt – aber nur solange es sich einfügt in die gängige Freiheitsauffassung einer liberalen, digital abgelenkten und weitgehend materialistischen Gesellschaft. Man pickt sich also aus den heiligen Texten jene Stellen heraus, die dem gesellschaftlich liberal gesinnten Menschen guttun: „Der liebe Gott hat dich lieb“. Was tatsächlich unbedingt stimmt!
Nur: Wenn damit nicht mitgesagt wird, wie das möglich ist, sich von Gott lieben zu lassen – und was da dazugehört, dann geht der Kern des Evangeliums trotzdem verloren. Dass nämlich die Liebe Jesu darin besteht, dass er gekommen ist, „um zu retten, was verloren ist“ (Lk 19,10); dass er dafür leidet, stirbt und aufersteht – und zugleich diejenigen, die zu ihm gehören wollen, ebenfalls zur Kreuzesnachfolge auffordert (vgl. Mk 8,34), das passt nicht wirklich rein. Dass er dann auch noch die Jünger in die Mission aussendet, um alle anderen Menschen auch zu seinen Jüngern zu machen (vgl. Mt 28.19), erst recht nicht. Dass zu alledem Umkehr, Vergebung der Sünden und das Hineinfinden in ein neues Leben gehören, natürlich auch nicht. Und dass mit diesem neuen Leben nun eine tiefere Freiheit gemeint ist, als eine Art vordergründiges Laissez-faire, trifft nun ganz offenbar auf weitgehendes bis völliges Unverständnis.
Paulus und die Freiheit
Der Apostel Paulus aber ist von dieser neuen Freiheitserfahrung tief durchdrungen: „Zur Freiheit hat uns Christus befreit“ (Gal 5,1) – Eine Freiheit, die hineinführt in „Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut und Selbstbeherrschung“ (Gal 522-23). Die aber zugleich dazu führt, dass bestimmte „Leidenschaften und Begierden gekreuzigt (sic!)“ (Gal 5,24) werden. Und dass es dazu nötig ist, sein Leben zu verlieren, um das wirkliche Leben zu gewinnen (Mt 10,39)! Ja, der Anspruch, der von Jesus, dem Gottessohn ausgeht, ist absolut: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben, niemand kommt zum Vater, außer durch mich“ (Joh 14,6). Jesus selbst, der freieste Mensch, der je gelebt hat, will in die Freiheit der Gotteskindschaft führen (vgl. Röm 8,21). Und nein, dieser Weg ist kein Automatismus.
Primäres Interesse an Skandalisierung?
Mit dem Hauptautor des Films, Ralph Gladitz, habe ich während seiner insgesamt zweijährigen Recherche wenigstens zwei Mal ausführlich gesprochen – habe nach meinem Eindruck auch vor der Kamera auf alle Fragen Auskunft gegeben. Und wir haben auch über Freiheit gesprochen. Er schien freundlich Verständnis zu signalisieren. Auch gegenüber den anderen, die sich von ihm vor der Kamera etwa zu Loretto haben anfragen lassen.
Trotzdem habe ich nun im Nachgang den Eindruck, dass das Drehbuch womöglich doch schon vorher geschrieben war: Im Grunde nichts von dem, worüber wir gesprochen haben, ist in dem Film vorgekommen, dafür aber ein Versuch, die Initiative FOCUS zu skandalisieren – um dann mein Internetstatement pro FOCUS von einer Konferenz in Amerika dazuzulegen. Tatsächlich bin ich dankbar für die Arbeit dieser Initiative, der es offenbar gelingt, viele, viele Studierende in eine tiefere Freiheit zu führen. Dass dazu auch wachsende Entschiedenheit gehört, die womöglich geeignet ist, andere anzufragen oder gar zu irritieren, war immer schon Teil des Evangeliums. Dass es auch auf dem Weg von FOCUS und Loretto – wie übrigens bei allen Wegen christlichen Lebens – Versuchungen, Anfragen, Umwege, fehlbare Menschen gibt, liegt in der menschlichen Natur.
Über all das haben wir auch gesprochen. Im Film: Keinerlei tieferes Eingehen auf solche Grundfragen; auch nicht auf Fragen, wie Erneuerung von Kirche gelingen kann. Oder auf Fragen, wie genau dabei geistlich missbräuchliche Haltungen verhindert werden können. Nichts davon. Dafür das offensichtliche Interesse an Skandalisierung, das sich letztlich auch wieder nur abarbeitet an einigen der gängigen, aber lehramtlich gültigen katholischen Reizthemen; die medial dann gerne verbunden werden mit den Vorsilben Erz- oder Ultra-.
Und am Ende fragt man sich, ist das Ergebnis nach einer zweijährigen (!) Recherche des gebührenfinanzierten Qualitätsjournalismus tatsächlich dieses: Dass nämlich die Loretto-Bewegung und FOCUS auf ihre jugendliche Art einfach nur katholisch sind und sich eben auf Hl. Schrift, Lehramt und Tradition beziehen? Und dass sie mit ihrem jeweils unterschiedlichen geistlichen Profil nicht wenigen Menschen tatsächlich helfen, die Schönheit eines entschiedenen Glaubens an Christus für ihr Leben zu entdecken? Einen Glauben, der tatsächlich in eine tiefere Freiheitserfahrung münden kann, als sich die Autoren offenbar selbst vorstellen können? Denn der Film will selbstverständlich die rhetorische Frage seines Titels bestätigen: Natürlich sind diese Christen „Mit Jesus gegen die Freiheit!“ Und am Ende durch ganz obskure Verbindungen in die USA sicherlich auch noch für Trump!
Qualitätsjournalismus?
Ich komme ursprünglich auch aus dem Journalismus. Und ein Film wie dieser macht mir durch eigentümliche Selbsterfahrung verständlich, warum sich auch viele Christinnen und Christen durch so eine Art des generalverdächtigenden Journalismus entweder nicht mehr angesprochen fühlen oder auch warum sie sogar in „Jetzt-erst-recht-Reaktionen“ gehen. Johannes Hartl, der durchgehend im Subton des Films als gefährlicher Wolf im hippen Missionsschafspelz gezeigt wird, hat jedenfalls berichtet, dass die Sendung offenbar nochmal ein richtiger Ansporn für viele geworden ist, sich jetzt erst recht bei der im Film inkriminierten MEHR-Konferenz im Januar anzumelden. Womöglich suchen diese Menschen tatsächlich gegen das, was ihnen die Gesellschaft oder auch dieser Film als Freiheit verkaufen wollen, doch noch was Tieferes? Sie finden es auf der MEHR jedenfalls deutlich wahrscheinlicher, als wenn sie noch mehr Fernsehen dieser Art gucken würden.
