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Interview: „Amerikaner sprechen viel freier von ihrem Glauben“

Vergangene Woche reiste Bischof Stefan Oster mit einer Delegation in die USA.Über seine Reiseeindrücke sprach er mit Christoph Renzikowski von der KNA.

KNA: Herr Bischof, welches Erlebnis hat Sie am meisten beeindruckt?

Stefan Oster: Eine Universität in Steubenville/Ohio zu erleben mit einem hohen katholischen Profil. Da gibt es mehrere Studiengänge, Computerwissenschaften, Biologie und Psychologie, natürlich auch Philosophie und Theologie – und als ausdrückliches Ziel formuliert diese Hochschule für alle Studiengänge: Dass die Absolventinnen und Absolventen als freudvolle Jünger Jesu die Universität verlassen. Das ist in Deutschland nicht vorstellbar.

KNA: Also ein echtes mission statement.

Oster: Genau. Die Hochschule zählt etwa 2.500 Studierende, hunderte sind in missionarische und karitative Aktivitäten involviert. Beeindruckend von der Gesamtmentalität, die einem da begegnet.

KNA: Wo nehmen Sie den größten Unterschied zwischen der katholischen Kirche in Deutschland und in den USA wahr?

Oster: In Deutschland haben wir rund 800.000 Lohnempfängerinnen und -empfänger in Einrichtungen von Kirche und Caritas. Nach der letzten Zählung gehen gut 900.000 Menschen sonntags zur Kirche, vier Prozent aller Katholiken. Die Schnittmenge zwischen beiden dürfte überschaubar sein. Das zeigt: Wir haben einen großen Apparat aufgebaut, der natürlich viel Sinnvolles macht, aber gleichzeitig ist dieser Apparat vom sakramentalen kirchlichen Leben weitgehend entkoppelt. Das habe ich in Amerika anders erlebt.

KNA: Nämlich wie?

Oster: Weil Kirche und Staat in den USA viel weniger miteinander verschränkt sind als bei uns, gibt es dort viel mehr private Initiativen von intensivem gläubigem Leben, gestützt durch Spenden und Fundraising. Ein anderer Unterschied: Obwohl sich dort die Gesellschaft ähnlich säkularisiert wie die unsere, gibt es einen tiefen religiösen Impetus im Land, für dessen Unabhängigkeit und Staatswerdung der Wunsch nach Religionsfreiheit ein starkes Motiv war. Ich habe Amerikaner erlebt, die viel freier, selbstverständlicher von ihrem Glauben sprechen als ich das aus Deutschland gewohnt bin. Bemerkenswert auch, dass trotz Missbrauchskrise in den USA die Zahl der Priester- und Ordensberufungen weitgehend stabil geblieben ist, während sie bei uns dramatisch sinkt.

KNA: Was lässt sich für die Jugendseelsorge von den USA lernen?

Oster: Sie wissen ja, dass ich auf dem Gebiet Evangelisierung und gläubiges Leben mit jungen Menschen schon unterwegs bin. Das Wort „Jüngerschaft“ ist zugleich eines, das einem Niederbayern noch nicht leicht über die Lippen kommt. In Amerika, auch in der US-Bischofskonferenz ist der Begriff ganz selbstverständlich. Das ermutigt mich auf meinem Weg. Auch, dass es in der Berufungspastoral in den Staaten zunächst einmal einen klaren Fokus auf die Förderung des geistlichen Lebens, auf das Hineinwachsen in eine lebendige Christus-Beziehung gibt – auf das dann das karitative und missionarische Engagement folgen. Und noch etwas macht mich nachdenklich.

KNA: Was denn?

Oster: Eine selbstverständliche Voraussetzung für die Fruchtbarkeit der Evangelisierungs-Initiativen, die wir kennengelernt haben, ist die Treue zum Lehramt. Das wurde durch die Bank so klar ausgesprochen. Mag sein, dass die Auswahl unserer Gesprächspartner etwas einseitig war. Andererseits: Wir in Deutschland setzen den Glauben aufgrund unserer volkskirchlichen Tradition und dem Religionsunterricht an den Schulen fast immer schon voraus. Und bei Katechese haben wir fast nur die Kinder im Blick. Aber wo kann bei uns ein Erwachsener in den Glauben hineinwachsen? Da haben wir noch Luft nach oben.

KNA: Ist noch etwas von der Reise hängengeblieben, das Sie länger beschäftigen wird?

Oster: Interessant war die Begegnung mit einem Verantwortlichen des „National Prayer Breakfast“, der heute im Auftrag des Friedens unterwegs ist. Einmal im Jahr kommen im politischen Washington D.C. ohne Medien 2.500 Leute aus allen Lagern zusammen, meistens ist der Präsident dabei, dazu ein Speaker, darunter z.B. Mutter Theresa oder andere. Es wird gebetet, es gibt Gespräche. Die Organisatoren sagen, es geht vorrangig um die Qualität von Beziehungen, die später in Kleingruppen vertieft werden. Da reden und essen dann off records Demokraten und Republikaner miteinander, versuchen irgendwie einander zu verstehen. Der Verantwortliche konnte glaubhaft darlegen, dass sie es sogar schaffen, Staatsoberhäupter in Krisenregionen dazu zu bringen, vertraulich miteinander via Zoom zu sprechen. Das fand ich ganz erstaunlich.

Quelle: KNA/domradio.de

Einige Eindrücke zur gesamten Reise finden Sie auf der Bistumshomepage oder auf dem Facebook-Kanal von Bischof Stefan Oster – und hier in Fotoformat:

 

Fotos: Susanne Schmidt / pbp