Am 08.12.2025 veröffentlichte die Universität Passau die Aufarbeitungsstudie mit dem Titel „Sexueller Missbrauch und körperliche Gewalt. Übergriffe auf Minderjährige durch katholische Geistliche im Bistum Passau 1945 bis 2022“. Die Stellungnahmen von Bischof Stefan Oster SDB finden Sie hier.
Seit Herbst 2022 hat ein Forschungsteam an der Geistes- und Kulturwissenschaftlichen Fakultät unter Leitung des Historikers Prof. Dr. Marc von Knorring an einer Studie zur Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs und körperlicher Gewalt an Minderjährigen im Bistum Passau gearbeitet. Nachdem die fertige Schrift mit dem Titel „Sexueller Missbrauch und körperliche Gewalt. Übergriffe auf Minderjährige durch katholische Geistliche im Bistum Passau 1945 bis 2022“ Ende November zunächst der Unabhängigen Aufarbeitungskommission (UAK), dem Unabhängigen Betroffenenbeirat (UBB) und Bischof Dr. Stefan Oster SDB zum Studium übergeben worden war, steht die Studie nun der Öffentlichkeit zur Verfügung.
Durchgeführt wurde das Projekt zwischen Herbst 2022 und Herbst 2025 unter der Leitung von Prof. Dr. Marc von Knorring, der seit 2008 an der Universität Passau als Neuzeit-Historiker tätig ist. Unterstützt wurde er bis zum Februar 2024 durch ein junges dreiköpfiges Team, bestehend aus zwei Historikern in Teilzeit und der (nicht theologischen) Kirchenhistorikerin Anna Matschl M.A., die anschließend als alleinige Mitarbeiterin und Co-Autorin der Studie fungierte.
Begleitet wurden die Forschungen von der örtlichen Unabhängigen Aufarbeitungskommission und dem Betroffenenbeirat. Die Finanzierung des Projekts erfolgte durch den Bischöflichen Stuhl des Bistums Passau. Die Untersuchung wurde vollkommen unabhängig und eigenständig an der Universität Passau durchgeführt.
Pressemitteilung der Universität Passau
Auf der Seite der Universität Passau finden Sie die Studie zum Download sowie Stellungnahmen von Prof. Dr. Marc von Knorring (Projektleitung), Prof. Dr. Guido Pollak (Vorsitzender der Unabhängigen Aufarbeitungskommission) und des Unabhängigen Betroffenenbeirates.
Die erste Stellungnahme des Bischofs oben als Video zum Nachschaue. Hier finden Sie die erste Stellungnahme als Text:
Liebe Gläubige, liebe Interessierte an der unabhängigen Studie über Missbrauch und Gewalt in unserem Bistum,
Die Studie von Prof. Marc von Knorring und seinem Team ist für mich und für uns als Kirche schmerzhaft und heilsam zugleich. Schmerzhaft, weil sie detailliert und ohne Schonung nachweist, wie häufig in den Jahrzehnten nach dem letzten Krieg Missbrauch vorgekommen ist – und wie er zugleich bagatellisiert und vertuscht worden ist. Verantwortliche der Kirche wollten sich und das Ansehen ihrer Institution schützen, wollten gnädig mit Tätern sein und waren vor allem blind für betroffene Kinder und Jugendliche.
Das ist der größte Skandal – und er wurde auch noch gestützt – und das zeigt die Studie ganz eindringlich – durch ein kirchliches und gesellschaftliches Milieu, in dem solches Geschehen nicht geglaubt oder tabuisiert wurde. Ein starkes Kapitel der Studie spricht von den so genannten Bystandern, von Mitwissern also oder von Menschen, die etwas wahrgenommen hatten, sich aber aus vielerlei Gründen nicht aus der Deckung trauten oder mit Beschuldigten solidarisiert haben. Durch Kulturen des Schweigens, durch die Überhöhung des Priesters und durch Missachtung des Leids von Betroffenen haben nachweislich mindestens 700 Menschen oft unsägliches Leid erlitten mit Folgen, die oft ein Leben lang anhalten. Beschuldigte und Täter waren laut Studie 154 Welt- oder Ordenspriester. Ich kann nur einmal mehr voll Scham bekennen, dass verantwortliche Personen bei diesem Thema in der Kirche massiv versagt haben. Ich kann auch heute wieder nur im Rückblick mit großer Hilflosigkeit um Verzeihung bitten, weil vieles einfach nicht wieder gut zu machen ist.
In den vergangenen 25 Jahren setzte ein Veränderungsprozess ein, ein Wandel in der Wahrnehmung und des Umgangs. Vieles haben wir bereits gelernt und umgesetzt. Das Bistum hat sich institutionell neu aufgestellt durch massiv verstärkte Prävention, Intervention und auch durch ein begleitendes Nachsorgeprogramm für Beschuldigte. Wir haben unabhängige Ansprechpartner und Gremien zur Aufarbeitung und für Betroffene eingerichtet. Aber die Studie zeigt auch: Wir sind natürlich nicht am Ziel. Wir brauchen auch in der Fläche in unseren Gemeinden einen noch stärkeren Kulturwandel. Wir müssen deutlich machen, wie das geht, auf verwundbare Personen gut zu achten und an ihrer Seite zu stehen. Wir glauben, dass Kirche heute schon ein sicherer Ort geworden ist und arbeiten weiter daran. Wir hoffen, damit auch einen guten Beitrag für unsere Gesellschaft zu leisten.
Ich danke der Unabhängigen Aufarbeitungskommission, dass sie diese Studie in Auftrag gegeben hat – und auch für die Art der Studie, die einmal mehr aufzeigt, was in den vergangenen rund 80 Jahren in unserem Bistum geschehen ist. Auch dem Unabhängigen Betroffenenbeirat gilt mein Dank, dass Sie immer wieder aufs Neue auf das Leid und die Perspektive der Betroffenen verwiesen haben. Ebenso denjenigen Betroffenen, die sich für Interviews für die Studie zur Verfügung gestellt haben. Und wir brauchen auch weiterhin die Beteiligung betroffener Menschen, damit wir immer besser verstehen, wie es gelingen kann, in unserer Kirche ein neues, achtsames Miteinander einzuüben. Daher lade ich die Unabhängige Aufarbeitungskommission und den Unabhängigen Betroffenenbeirat zum Gespräch im Januar ein, damit wir gemeinsam aus der Aufarbeitungsstudie lernen und Konsequenzen ziehen können.
Prof. von Knorring und seinem Team danke ich von Herzen für alle Mühen, mit der sie diese Studie erarbeitet haben, mit einem großen Respekt auch für alle Belastungen, die es Sie gekostet hat.
