Das hohe kirchliche Amt und der letzte Platz. Die Predigt von Bischof Stefan Oster zur Installation von Regens Martin Dengler als neuer Domkapitular 2016.
Lieber Herr Regens Martin Dengler, liebe Schwestern und Brüder im Glauben,
wenn ich lese und gleich nachher höre, was Sie, Herr Regens, als neuer Domkapitular gleich versprechen werden, dann könnte einem als Beobachter von außen ganz anders werden. Ich will mal ein paar Sätze zitieren.
Versprechen in das hohe kirchliche Amt
Sie werden versprechen „das Glaubensgut unversehrt zu bewahren, treu weiterzugeben und alle Lehren zu meiden, die dem Glaubensgut widersprechen“. Sie werden versprechen, „die Disziplin der Gesamtkirche zu befolgen und zu fördern und alle kirchlichen Gesetze einzuhalten, vor allem die im Kirchenrecht und in der Satzung unseres Domkapitels festgelegten“.
Außerdem werden Sie christlichen Gehorsam versprechen, vor allem dem gegenüber, was die Bischöfe als authentische Künder und Lehrer des Glaubens vortragen und als Leiter der Kirche festsetzen. Sie werden versprechen, mir, Ihrem Diözesanbischof, in Treue und Loyalität zur Seite zu stehen. Und Sie werden gleich am Anfang ein ausführliches Glaubensbekenntnis ablegen, samt dem Zusatz, an den Lehren festzuhalten, die der Papst und das Bischofskollegium vorlegen.
Das hohe kirchliche Amt: Ein Anachronismus?
Ein Beobachter von außen würde sagen: Was für ein Anachronismus, was für eine seltsame Kaderschmiede, völlig aus der Zeit gefallen. Wissen wir nicht längst, dass solche Art von Gehorsamsversprechen, solche Art von Anmaßung der Autorität auch in den Untergang führen können? Hatten und haben wir nicht auch heute noch genug Anmaßung von Herrschenden, die sich wie Gott aufführen und Gehorsam einfordern, zum Schaden von allen?
Wie ist das in der Kirche? Und warum glauben wir, dass es in der Kirche gerade nicht so ist, und auch nicht so sein soll, wenigstens nicht in ihrem Herzen, wo die lebendige Wahrheit wohnt? Natürlich, liebe Schwestern, liebe Brüder, müssen wir eingestehen, dass solche Formulierungen, wie ich sie zitiert habe, geradezu zum Machtmissbrauch einladen können – und ehrlich gesagt, auch immer wieder eingeladen haben. Ja, auch die Menschen in der Kirche sind und bleiben verführbare Sünder!
Der Weg der Heiligung
Trotzdem ist die Kirche dafür da, dass Menschen durch sie verwandelt werden, dass sie mit Gott versöhnt werden durch Christus, dass sie also auch bessere Menschen werden, und vorankommen auf dem Weg vom Sünder zum Geheilten und Heiligen. Und zwar gerade dadurch, dass sie immer mehr in die Mitte finden, ins Herz der Kirche, dorthin, wo Jesus gegenwärtig ist, dorthin, woraus jeder Satz unseres Glaubensbekenntnisses und Gehorsamsversprechens erwächst.
Er erwächst eben nicht aus bloß menschengemachten Phantasien, die nur formuliert sind, um Macht und Einfluss zu bewahren. Sondern unsere Bekenntnisse sind der Versuch, in menschlichen und in kirchlichen Worten immer neu zu sagen, was unser Schatz ist, was unser Innerstes ist, wovon wir leben und was wir verschenken wollen.
Daher ist dieses Glaubensbekenntnis und das Versprechen, das Martin Dengler heute am Festtag des Hl. Maximilian gleich ablegen wird, ein Versprechen, das auch eben diesen Glauben, dieses Vertrauen einschließt, nämlich dass wirklicher Gehorsam und auch wirkliche Autorität in der Kirche sich aus dem Christusgeheimnis speisen und – das ist der Anspruch an uns – auch speisen müssen.
Geistliche Autorität erwächst aus Intimität mit Christus
Schon oft habe ich gesagt, dass die Kirche zwar Macht und Einfluss ausübt. Aber wir alle wissen, Schwestern und Brüder, dass dort, wo dieser Einfluss sich reduziert auf ein bloßes Mitspielen im weltlichen Wettbewerb darum, wer sich am Ende durchsetzt oder besser dasteht als andere, ist er völlig verfehlt.
Kirchliche Autorität ist erst dann immer neu glaubwürdig, wenn sie sich speist aus der Zugehörigkeit zum Herrn, aus der Freundschaft mit ihm, aus der gelebten und immer neu gepflegten Beziehung mit Christus. Er will unsere Herzen erneuern, er will, dass die Menschen spüren, dass wir ihn kennen, ihn weitersagen und weitergeben wollen. Er will, dass Menschen durch uns von ihm bewegt werden – und nicht von uns.
Das kirchliche Amt des Domkapitulars
Lieber Martin Dengler, das Amt eines Domkapitulars ist auch in unseren Tagen immer noch sehr angesehen und mit manchen weltlichen und geistlichen Privilegien verbunden, zum Beispiel habe ich unseren Domkapitularen auch den Auftrag erteilt, in unserem Bistum als Vertreter des Bischofs das Firmsakrament zu spenden.
Unsere gläubigen Christen wissen auch, dass ein Domkapitular Mitglied des geistlichen Rates des Bischofs ist und andere Privilegien hat. Die Gläubigen werden Ihnen, Herr Regens, nun also auch wegen Ihres Amtes besondere Wertschätzung entgegen bringen.
Das Ego und das Nichts oder das Kreuz und die Freude?
Was heißt das nun für Sie, aber auch für alle hier anwesenden Domkapitulare und für mich als Bischof, die wir hohe Ämter der Kirche bekleiden? Oder was heißt es auch für unsere Priester, Diakone, Hauptamtliche? Es heißt: Wirkliche Autorität kommt aus der inneren Verbindung mit dem Herrn. Und ehrliche, innere Verbindung mit Christus führt zur Angleichung.
Die alten Philosophen und Theologen haben immer gewusst: Liebe macht den Liebenden dem ähnlich, den er liebt. Wir werden zu dem, was wir lieben. Wenn wir vor allem unser Ego und unsere Privilegien lieben, werden wir zum Nichts, weil beides am Ende nichtig ist. Wir würden aufgeblasene Popanze, denen die Menschen ansehen, dass es ihnen mehr um sich als um den Herrn geht, die es aber toll finden in irgendwelchen seltsamen Gewändern umherzugehen.
Sich selbst prüfen
Wenn wir aber Christus lieben lernen, ihn selbst im Gebet, in seinem Wort; wenn wir lernen, seine Gegenwart im Sakrament anzubeten und wenn wir auch lernen, ihn im anderen Menschen zu lieben, dann werden wir nach und nach ihm ähnlicher. Dann wächst uns eine innere Kraft zu, die wirklich reifen lässt, eine Freude an Ihm, die bewegt – und zwar nicht selten mitten in dieser Welt, die so oft mit ihm nichts zu tun haben will.
Aber dann wächst uns auch ein Verständnis zu, dass ein hohes Amt in der Kirche mehr Verantwortung und Verpflichtung bedeutet als bequeme und angesehene Privilegien. Das hohe kirchliche Amt geht einher mit der Fähigkeit, niederzusteigen auf den letzten Platz. Und, liebe Mitbrüder, ich sage das auch bewusst zu mir selbst: Sind wir schon gut darin? Sind wir schon gut darin, wirklich an die Ränder zu gehen, wie unser Papst Franziskus uns das immer neu vorschlägt und vormacht? Sieht man an uns, dass wir unsere Aufgabe wirklich für Christus wahrnehmen und deshalb auch für die Menschen?
Das hohe kirchliche Amt und der letzte Platz
Paulus sieht das ziemlich radikal: Er sieht sich auf den letzten Platz gestellt, er sagt sogar einmal, dass die Apostel der Abschaum der Welt sind – und er bejaht dies, weil er weiß, dass er damit auch seinem Herrn am Kreuz ähnlich ist. Und dass gerade aus der Bereitschaft, für ihn auch Erniedrigung zu ertragen, der Segen fließt, die Fruchtbarkeit.
So wie letztlich alle unsere wirkliche Fruchtbarkeit, unsere Kraft, wachsen zu lassen, also in einem guten Sinn geistliche Autorität auszuüben, all diese Fruchtbarkeit und Kraft fließen letztlich aus seinem Kreuz, aus seiner Hingabe. Ein hohes Amt in der Kirche ohne die Herzensfähigkeit, weit hinabzusteigen, wäre also ein Widerspruch in sich. Und wir wollen den Herrn bitten, dass wir nicht vor lauter Eitelkeit immer neu in diese Falle laufen. Bleiben wir wachsam, dazu mahnt er uns im heutigen Evangelium.
Der Hl. Maximilian
Wir wollen ihn also bitten, dass er uns lieben lehrt, ihn und die Menschen. Wir wollen ihn bitten, dass er uns in der Gnade bewahrt, bei ihm zu bleiben. Egal ob wir gerade gemocht oder anerkannt werden oder nicht. Denn das ist der Glaube, der die Welt besiegt, von dem in der Lesung die Rede war. Wir wollen ihn bitten, uns in die Freude zu führen, die wirklich aus der Intimität mit Ihm kommt.
Liebe Schwestern und Brüder, wir verehren heute eine geistliche Autorität unseres Bistums. Und von ihrem Anfang an hat diese Verehrung nun schon 1700 Jahre überdauert. Der Heilige Bischof Maximilian war ein Glaubenstreuer und ein Glaubensbote und ein Märtyrer seiner Zeit und er ist es bis heute. Möge er, und möge Maria, die Helferin der Christen, uns allen eine treue Fürsprecherin sein. Für alle, die in der Kirche ein Amt ausüben. Und heute vor allem auch für Sie, lieber Herr Regens, dem ich zugleich von Herzen danke für Ihre Bereitschaft, sich in den Dienst nehmen zu lassen und dieses Amt in Treue auszuüben. Amen.