Warum Christen den Altar weihen und verehren: Die Predigt von Bischof Stefan Oster zur Altarweihe in Thundorf bei Osterhofen 2015.
Liebe Schwestern, liebe Brüder,
sie haben einen kostbaren neuen Altar bekommen in Ihrer wunderschönen Kirche Maria Himmelfahrt. Aber was ist ein Altar? Was ist er für Sie, hier in Thundorf? Vielleicht erschließen wir uns seine Bedeutung von dem her, was in der Liturgie mit dem Altar passiert.
Bei jedem Einzug küsst der Priester gleich zu Beginn den Altar. Der Bischof legt vor dem Altarkuss sogar die Mitra ab. Ein Kuss ist ein Zeichen zärtlicher Verehrung. Warum küssen wir den Altar? Die Kirche glaubt, dass der Altar so eng mit Christus verbunden ist, dass wir ihn mit dem Kuss gleichsam selber ehren. Deshalb wird er auch nachdem er geweiht ist, in festlichen Liturgien zweimal umschritten und mit dem Weihrauch inzensiert.
Wir ehren über den Altar Christus selbst
Wir ehren mit dem Altar Christus selbst, weil Christus selbst für uns ein Altar ist: Ort der Gegenwart Gottes und auf eine gewisse Weise ist er das auch fest und unverrückbar. Liebe Schwestern, liebe Brüder, das ist das eine, das Feste, das Unverrückbare, das Unverlierbare.
Die Welt dreht sich sagt ein alter Kartäuserspruch, aber das Kreuz bleibt stehen. Wir können auch sagen: der Altar bleibt stehen, der Ort seines Kreuzesopfers. Hier auf dem Alter wird unser Herr immer neu gegenwärtig. Immer neu ist er die Mitte.
Nimm den Altar aus einer Kirche und du entfernst ihr Herz
Nimm den Altar aus einer Kirche und Du nimmst gleichsam ihr Herz heraus. Sicher könnte man etwas ähnliches auch vom Tabernakel sagen, aber der Altar steht noch einmal deutlicher in der Mitte der Gemeinde. Kirche ist ja nicht einfach Haus aus Stein, sondern Kirche ist lebendiges Volk Gottes. Kirche ist das Volk derer, die glauben, die den Herrn kennen und bekennen.
Und der Altar ist der Ort, um den herum dieser Glaube in jeder Hl. Messe seine Mitte findet. Unverrückbar, stabil. Außen herum können die Kämpfe toben, die Unwetter toben, die Stürme: der Altar bleibt stehen, fest im Boden verankert. Er gibt dieser Kirche ihre Mitte und er gibt auch unserer Gemeinde ihre Mitte, ihre Ausrichtung.
Jesus ist das Ziel unserer Sehnsucht
Hier können die Menschen ihren Glauben nähren lassen. Und wenn Sie sich fragen, was ist die tiefste Sehnsucht im Herzen eines Gläubigen, dann ist die Antwort der großen Gläubigen der Kirche: „Du selbst, Herr, Du bist meine Sehnsucht. Ich will, dass Du mich nährst, dass Deine Gegenwart für mich wichtig wird, dass Du in mir auch unverrückbarer Orientierungspunkt wirst.“
Wir haben im Evangelium die Geschichte vom blinden Bartimäus gehört. Die Frage Jesu lautete: Was willst Du, was ich Dir tun soll? Und Bartimäus antwortete: Herr, ich will wieder sehen können. Und Jesus heilt ihn, weil der Mann geglaubt hat, dass Jesus ihn wirklich heilen kann. Dein Glaube hat Dir geholfen, sagt Jesus.
Glauben hilft uns
Der Glaube hilft uns, liebe Schwestern und Brüder. Aber wissen wir eigentlich auch, dass der Glaube wachsen und reifen kann, dass er tiefer und fester werden kann – oder auch, dass er schwächer werden und langsam verdunsten kann?
Wir sehen ja in unseren Breiten so viel Glaubensverdunstung! Sehen wir manchmal auch Wachstum? Kennen wir Menschen, in denen der Glaube tief und fest geworden ist, Menschen, in denen Jesus so gegenwärtig ist, dass sie vertrauen, dass sie glauben, dass er wirklich immer da ist?
Den Altar zum Bild für das eigene Innere werden lassen
Liebe Schwestern und Brüder, lassen Sie sich diesen neuen Altar hier in ihrer schönen Marienkirche zum Bild für ihr eigenes Inneres werden? Paulus sagt uns, dass unser Inneres, unsere Seele, unser Herz ein Haus ist. Ein Haus mit vielen Zimmern und Wohnungen. Und das wissen Sie auch alle, liebe Schwestern und Brüder, dass wir Vorlieben, Überzeugungen, Gedanken, Wünsche, Sehnsüchte in uns haben. Wir wissen auch, dass wir Ängste in uns haben, negative Gedanken, manchmal Hass, manchmal Zorn, Neid, Sucht nach Neuem und vieles mehr. Wir sind anfällig für äußere Einflüsse, wir sind manchmal auch angefochten, versucht, herausgefordert.
Unser Inneres ist voller Leben, aber die Frage ist: In welcher Weise wird unser Inneres immer mehr zu einem Tempel. Paulus sagt uns, wir sind schon Tempel des Heiligen Geistes. Aber wir ahnen zugleich: In mir, in den vielen Kammern meines Herzens, gibt es vielleicht auch noch das dunkle Kellerloch, in dem vielleicht noch einige Ratten sitzen. Oder in mir gibt es auch das verrauchte Kneipenzimmer, in dem ich ein paar Süchte und schlechte Angewohnheiten pflege, von denen ich nicht lassen will oder kann.
Unser Herz soll ein Tempel sein
Wenn das Bild stimmt, liebe Schwestern und Brüder, dann darf man auch fragen. Haben wir in unserem Inneren auch einen Altar? Ist der Glaube an Jesus und seine Gegenwart auch schon unverrückbares Zentrum in uns, an dem sich unser Leben ausrichtet, unser Umgang mit dem Menschen, unser Zugang zur Schöpfung, unser Umgang mit uns selbst?
Gibt es in uns einen festen Orientierungspunkt, der dazu führt, dass unser ganzer Innenraum immer mehr Tempel wird, Wohnort des Geistes Gottes, wie Paulus sagt? Und haben wir einen Altar, auf dem wir auch Dinge ablegen und dem Herrn geben können, mit denen wir kämpfen, die wir zwar tun und fühlen, aber an uns gar nicht leiden können?
Richte in mir den Altar Deiner Gegenwart auf!
Liebe Schwestern und Brüder, meine Erfahrung ist. Je mehr unser Glaube an Jesus fest und tief wird, desto mehr kann er uns fragen und wird er uns fragen: Was soll ich dir tun? Und unsere Antwort ist: Herr, richte in mir einen Altar Deiner beständigen Gegenwart auf!
Lass in mir immer neu Wandlung geschehen, damit ich einer werde wie Du: tief und liebesfähig und voller Vertrauen und Hoffnung, voller Wahrheit und Leben. Herr, lass mich an Dir und mit Dir wachsen, mach mein Inneres voll von Deiner Gegenwart.
Es gibt eine Freude, die nicht totzukriegen ist
Liebe Thundorfer und liebe Gläubige, die Sie heute auch aus anderen Orten hier sind. Unser Papst Franziskus hat uns in seinem ersten großen Lehrschreiben verheißen: Jeder Mensch, der Christus begegnet ist, der findet immer und immer wieder in die Freude. Können Sie das nachvollziehen, dass es eine Freude, ein Vertrauen in Ihnen geben kann, was nicht totzukriegen ist?
Wie bei dem heiligen Papst Johannes Paul II, dessen Gedenktag wir in diesen Tagen gefeiert haben. Man erzählt, dass seine letzten Worte, in einem abgründigen Todeskampf waren: „Ich bin froh, seid ihr es auch.“ Der Körper zerfällt, versagt, Schmerzen überall, die Vitalfunktionen fallen aus! Aber da hat einer einen inneren Ort, einen inneren Altar, so fest und tief, dass er von dort her sagen kann: „Ich bin froh, seid Ihr es auch.“
Tiefer, reifer Glaube
Ich wünsche Ihnen sehr, liebe Schwestern, liebe Brüder, dass dieser Altar, an dem wir den Herrn immer neu gegenwärtig setzen dürfen, dass dieser Altar einen Beitrag dazu leisten kann, dass Ihr Glaube fest wird und tief und reif. Dass Ihr Herz voll Freude wird, weil Jesus in ihm wohnt. Und dass sie innerlich so einen festen Verankerungspunkt haben, dass kommen mag, was nur kommen kann: Sie bleiben im Herzen froh!
Ich möchte Sie einladen: Stärken Sie einander im Glauben. Entdecken Sie den Glauben und Ihre Beziehung zu Christus wieder als ein Gesprächsthema unter sich. Fragen Sie einander, wie das geht, im Glauben zu wachsen und zu reifen. Heute ist ja auch der Sonntag der Weltmission. Und oft und oft habe ich den Eindruck: Fangen wir doch damit erst wieder bei uns selber an!
Den Altar zum Anlass für Neubeginn nehmen
Fragen Sie einander, was Sie schon erlebt haben, mit dem lebendigen Gott. Nehmen Sie diesen Altar zum Anlass, sich auf den Weg zu machen, um den inneren Altar Ihres Lebens wieder zu stärken oder neu aufzurichten. Der Herr ist da und begleitet Sie und je näher Sie ihm kommen, wird er Sie fragen: Was soll ich Dir tun! Und Sie werden lernen, die Antwort zu hören und in der Antwort wird auch immer mitschwingen: Dein Glauben hat Dir geholfen!
Danken möchte ich allen, die dazu beigetragen haben, dass dieser Altar hier und heute steht, dem Künstler Thomas Hintersberger, den beteiligten Firmen, den engagierten Männern und Frauen der Pfarrei, die organisiert und mitgeholfen, auch denen die gespendet haben. Der Altar ist der Ort, um den sich Kirche versammelt, von dem sich Kirche buchstäblich und geistlich nährt. Möge er auch dazu beitragen, dass hier um diesen Altar die Pfarrgemeinde Thundorf sich neu ihrer großen Berufung bewusst wird, Zeichen der Anwesenheit Gottes in der Welt zu sein. Gott segne Sie alle. Amen.