Der „Marsch für das Leben“ am kommenden Samstag (19.9.) in Berlin führt Menschen zusammen, denen das Leben vom Moment der Empfängnis bis zum letzten Atemzug ein herausragendes Anliegen ist. Vergangenes Jahr habe ich selbst daran teilgenommen, teile mit voller Überzeugung sein Anliegen und unterstütze die Veranstalter daher sehr gern.
Der Wind wird rauer
Das Thema „Abtreibung“ nimmt dabei einen zentralen Stellenwert ein, hat es aber in der öffentlichen Debatte immer schwerer, tatsächlich wahrgenommen zu werden. Eine zu befürchtende Instrumentalisierung des Themas am rechten Rand, lässt viele politische Stimmen aus der Mitte kleinlaut oder defensiv werden – auch dann, wenn der Lebensschutz ihre persönliche Überzeugung ist. Auch uns Bischöfe (und damit meine ich auch mich selbst!) schließe ich von dieser Neigung zur Defensive nicht aus. Mit dem Thema kann man öffentlich wenig punkten, vielmehr ist zu erwarten und zu befürchten, dass einem sofort der raue Gegenwind ins Gesicht bläst – politisch wie gesellschaftlich.
Das Thema Lebensschutz darf nicht verwässern
Das darf m.E. dennoch nicht dazu führen, dass wir das Thema vernachlässigen, kleinhalten oder in schlechten Kompromissen untergehen lassen. Den folgenden Sachverhalt und die Rolle der Politikerin und Katholikin Dr. Maria Flachsbarth (CDU) darin würde ich daher gerne zur Debatte stellen, auch wenn er vereinzelt schon diskutiert wurde. Für mich zeigt der Vorgang, dass unser christliches Zeugnis für den Lebensschutz klar und unzweideutig sein sollte.
Es ist erstens erklärte Politik der Bundesregierung, dass die Propagierung von Abtreibung kein legitimes Mittel der Familienpolitik sein kann und soll. So zumindest hat es mir die parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Dr. Maria Flachsbarth, im persönlichen Gespräch mehrfach versichert.
Abtreibung unter dem Deckmantel sexueller und reproduktiver Gesundheitsdienste
Zweitens hat Maria Flachsbarth mehrmals erklärt, dass sie selbst eine erklärte Gegnerin von Abtreibung sei. Ich glaube ihr das und kenne von ihr dazu verschiedene öffentliche Äußerungen. Zum Beispiel hatte sie sich im Jahr 2013 ausdrücklich gegen den so genannten „Estrela-Bericht“ der EU gewandt. „Denn dieser hatte unter dem Oberbegriff der ’sexuellen und reproduktiven Gesundheit‘ ein Recht auf Abtreibung festgeschrieben und dieses als Handlungsziel europäischer Politik erklärt,“ so Maria Flachsbarth damals als Mitglied der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.[1]
Umso erstaunlicher ist es aber, dass Maria Flachsbarth nun als internationaler „Champion“, also als eine Art Aushängeschild der Organisation „She decides“ öffentlich auftritt und in den fünf Interview-Fragen zu ihrer Motivation dazu in jeder (!) Antwort die „sexuellen und reproduktiven Rechte“ bzw. den Zugang zu „sexuellen und reproduktiven Gesundheitsdiensten“ feiert.[2] Sie tut das nun aber für eine selbsterklärte „Bewegung“, die das Recht auf Abtreibung bis zur Geburt unter demselben Begriff der sexuellen und reproduktiven Rechte ausdrücklich fordert!
So entstand „She decides“
Kurz zur Entstehung von „She decides“: Die amerikanische Regierung unter Präsident Donald Trump hatte Anfang 2017 unter Wiederaufnahme der so genannten „Mexico City Policy“ seiner republikanischen Vorgänger denjenigen Organisationen das Funding entzogen, die Abtreibung als Dienstleistung im Rahmen ihrer Gesundheitsförderung fördern oder selbst anbieten.[3]Betroffen davon ist insbesondere die International Planned Parenthood Federation, eine weltweit operierende Stiftung, zu der in Deutschland auch die Organisation „Pro Familia“ gehört.
Unmittelbar nach dem Beschluss der Trump-Regierung hatte sich die Organisation „She decides“ gegründet. Die niederländische Entwicklungsministerin Lilianne Ploumen hatte als Initiatorin zu einer Geberkonferenz eingeladen, der sich zahlreiche Staaten und Organisationen anschlossen. Ausdrückliches Ziel: Das fehlende Funding aus den USA ausgleichen und Frauenrechte stärken, vor allem im Blick auf sexuelle und reproduktive Rechte und Gesundheit. Dabei geht es selbstverständlich auch um die Verhinderung von Nöten und die Stärkung der Rechte von Frauen, insbesondere um sexuelle Selbstbestimmung, gegen Genitalverstümmelungen, gegen Zwangsheiraten und ähnliches mehr. Dass aber der entscheidende Punkt der ausdrückliche Einschluss der Ermöglichung von Abtreibung ist – und zwar ohne Einschränkung und bis zur Geburt des Kindes, ist für Maria Flachsbarth offenbar weniger gravierend.
Wer dem Manifest nicht zustimmt, gehört nicht dazu
Sie persönlich, ebenso wie die Bundesregierung, lehne Abtreibung als Mittel der Familienpolitik und -planung ab, betont sie immer wieder. Die Dokumente von „She decides“ sagen etwas anderes: Sie propagieren ein Manifest, das offen und ohne Einschränkung vom Recht auf sichere Abtreibung spricht[4]. Und sie betonen, das Manifest sei der „nichtverhandelbare Eintrittspunkt“ (!), wenn man Mitglied der Bewegung sein wolle.[5]Maria Flachsbarth ist aber nicht nur Mitglied der Bewegung, sie ist einer ihrer „Champions“.
Ich bin mit Maria Flachsbarth deshalb in ein intensives persönliches Gespräch eingetreten, mündlich und schriftlich. Ich bin ihr für dieses Gespräch sehr dankbar und möchte dafür auch große Wertschätzung ausdrücken. Ich habe ihr aber auch mitgeteilt, dass ich in ihrem Handeln Widersprüche sehe, die sie mir nicht ausräumen konnte. Mehrmals hat Maria Flachsbarth dabei betont, dass sie selbstverständlich gegen Abtreibung sei. Sie habe sich immer wieder in diesem Sinn geäußert und eingesetzt. Sie engagiere sich daher vor allem im Blick auf Chancen, sexuelle Selbstbestimmung, Bildung und Gesundheit von Frauen für „She decides“. Zudem: Sie habe sich als „Champion“ der She-decides-Bewegung im Auftrag der Bundesregierung zur Verfügung gestellt – und das könne eben bisweilen auch zu Loyalitätskonflikten führen.
Maria Flachsbarth tritt nun aber auf der Seite von „She decides“ ausdrücklich als „practicing Roman Catholic“ auf, sie ist also solche nicht nur Mitglied der Bundesregierung, sondern eben auch Präsidentin des Katholischen Deutschen Frauenbundes und Mitglied im Zentralkomitee der Deutschen Katholiken.
Ein falscher Eindruck
Mit ihrem Engagement für „She decides“ vermittelt sie den aus meiner Sicht nicht zu leugnenden Eindruck, dass nun auch herausragende Repräsentanten der Katholischen Kirche das „Manifest“ der She decides-Bewegung voll mittragen. Zahlreiche Veröffentlichungen zu dieser Bewegung betonen natürlich ausdrücklich diesen Punkt: Zugang zu sicherer Abtreibung![6] Vernetzung und Unterstützung für „She decides“ läuft über Planned Parenthood[7], über eine Organisation also, die allein im Jahr 2018 nur in den USA 332.757 Abtreibungen durchgeführt hat.[8]Planned Parenthood betrachtet nach dem eindrücklichen Zeugnis von Abby Johnson, einer ehemaligen Klinikdirektorin der Organisation, Abtreibung als wesentliches „Geschäftsmodell“.[9]Die International Planned Parenthood Federation wird von der Bundesregierung mit einem zweistelligen Millionenbetrag unterstützt! Namhafte Stimmen aus ganz Europa und Afrika teilen die Einschätzung, dass es auch „She decides“ neben den Themen der Gesundheit und sexuellen Selbstbestimmung von Frauen vor allem um Abtreibungen gehe.[10]
Für ihr Engagement bei „She decides“ bekommt Maria Flachsbarth auch Kritik aus ihrer eigenen Partei, der CDU, insbesondere von den „Christdemokraten für das Leben“.[11]Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Prof. Dr. Thomas Sternberg, verteidigt Maria Flachsbarth dagegen. Er sieht sie durch „Lebensschützer“ gar „öffentlich denunziert“ oder „diffamiert“. Er sei sich mit Maria Flachsbarth in der Ablehnung von Abtreibung „völlig einig“ und meint, dass man mit ihrer Diffamierung dem gemeinsamen Anliegen des Lebensschutzes „einen Bärendienst“ erweise.[12]
Das Nachsehen hat der Lebensschutz
Ich bin genau umgekehrter Meinung: Ich meine, Maria Flachsbarth unterhöhlt mit einem undifferenzierten Plädoyer als Champion von „She decides“ für „sexuelle und reproduktive Rechte“ gerade dieses Anliegen – und erweist ihm einen Bärendienst. Denn bislang habe ich zum Beispiel keine Antwort bekommen auf die Frage, warum sie diesen Begriff (nämlich „sexuelle und reproduktive Rechte“) gerade auf dieser Internetseite, die für Abtreibung bis zur Geburt wirbt, nicht nach katholischen Verständnis präzisiert hat, nämlich, dass Abtreibung niemals zu rechtfertigen sei. Aus Loyalitätsgründen für die Regierung? Ich kann mir jedenfalls nicht vorstellen, dass Minister Gerd Müller als ihr Chef oder die Bundeskanzlerin eine solche Präzisierung untersagen würden.
Maria Flachsbarth betont auch, mit „She decides“ erreiche man viele vulnerable Menschen für Gesundheitsanliegen, die man sonst nicht erreiche. Für mich ist das ein Vorgehen nach der Logik: Der Zweck (das Erreichen der Vulnerablen) heiligt die Mittel (die Inkaufnahme von tausenden im Mutterleib getöteten Kindern). Auch auf diesen Vorhalt habe ich keine Antwort mehr bekommen.
Das Lehramt ist eindeutig
Ich möchte schließlich die Position der Kirche in wenigen markanten lehramtlichen Äußerungen darstellen. Die gewichtigste Aussage stammt aus dem II. Vatikanischen Konzil. In der Konstitution „Gaudium et spes“ (Nr 51) heißt es schlicht: „Abtreibung und Tötung des Kindes sind verabscheuungswürdige Verbrechen“[13]. Papst Johannes Paul II. hat in seiner Enzyklika Evangelium Vitae geschrieben: „Die sittliche Schwere der vorsätzlichen Abtreibung wird in ihrer ganzen Wahrheit deutlich, wenn man erkennt, dass es sich um einen Mord handelt… Getötet wird hier ein menschliches Geschöpf, das gerade erst dem Leben entgegengeht, das heißt das absolut unschuldigste Wesen, das man sich vorstellen kann.“ (Nr 58)
Und im selben Dokument (Nr 59) sagt der Papst: „Nicht unterschätzt werden darf schließlich das Netz der Mittäterschaft, das sich bis auf internationale Institutionen, Stiftungen und Vereinigungen ausdehnt, die systematisch für die Legalisierung und Verbreitung der Abtreibung in der Welt kämpfen. Damit übersteigt die Abtreibung die Verantwortung der einzelnen Personen und den ihnen verursachten Schaden und nimmt eine stark soziale Dimension an: sie ist eine sehr schwere Verletzung, die der Gesellschaft und ihrer Kultur von denen zugefügt wird, die sie aufbauen und verteidigen sollten.“[14]
Die Kirche und die Schwangerenkonfliktberatung
Vor über 20 Jahren hatte sich in der katholischen Kirche in Deutschland die heftige Debatte um die Schwangerenkonfliktberatung ereignet. Papst Johannes Paul II. hatte damals die kirchlichen Träger angewiesen, keinen Beratungsschein mehr auszustellen, der vom Gesetzgeber her Voraussetzung sein sollte für eine mögliche Abtreibung. Daraufhin haben engagierte Katholiken den Verein „Donum vitae“ gegründet – um so in der Schwangerenkonfliktberatung bleiben und den Beratungsschein weiter ausstellen zu können – und um so mehr Frauen zu erreichen und Abtreibungen zu verhindern. „Donum vitae“ war damit ausdrücklich kein kirchlicher Verein mehr. Aber weil der Verein trotz der Anweisung von Johannes Paul II. Beratungsscheine ausgestellt hat, haben die Bischöfe damals festgestellt, dass eine Mitarbeit bei „Donum vitae“ eine spätere Mitarbeit in einem kirchlichen Träger ausschließe. Und auch wenn sich inzwischen die Wogen zwischen Bischöfen und „Donum vitae“ geglättet haben, ist das Verhältnis immer noch nicht ganz geklärt.[15]Ich erwähne diesen alten Konflikt im Sinne der Vergleichbarkeit: Aus meiner Sicht ist die Mitwirkung bei „Donum vitae“ ungleich harmloser als ein Auftritt als internationaler Champion von „She decides“.
Unser Auftrag: Klarheit im Zeugnis für das Leben
Daher komme ich persönlich zu der abschließenden Bewertung – und sage das ausdrücklich im Anliegen des Zeugnisses für den Lebensschutz und ohne Maria Flachsbarths persönliche Überzeugungen in Abrede stellen oder ihr schaden zu wollen: Weil „She decides“ so eng mit der „International Planned Parenthood Federation“ verbunden ist und zudem für ein Recht auf Abtreibung bis zur Geburt eintritt, verkehrt sich ein Engagement für „She decides“ trotz aller guten Absichten zum Lobbyismus für einen der größten Anbieter von Abtreibung weltweit. Ich halte deshalb ihre Entscheidung, dennoch als ein „Champion“ der „She decides“ Bewegung aufzutreten für unvereinbar mit den herausgehobenen Positionen, die Maria Flachsbarth in der katholischen Kirche in Deutschland einnimmt.
[1]https://www.cducsu.de/presse/pressemitteilungen/europa-schuetzt-die-menschenwuerde-von-anfang
[2]https://www.shedecides.com/champions/dr-maria-flachsbarth/
[3]https://www.whitehouse.gov/presidential-actions/presidential-memorandum-regarding-mexico-city-policy/
[4]https://www.shedecides.com/manifesto/
[5]https://shedecides.com/wp-content/uploads/2018/12/SheDecides_AtLocalLevel_11.10.2018.pdf– Hier unter Punkt 2: Background and Context.
[6]Etwa hier: https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/sw/Schwangerschaftsabbruch?nid=72669
[7]https://www.shedecides.com/support-unit/
[8]https://www.plannedparenthood.org/uploads/filer_public/4a/0f/4a0f3969-cf71-4ec3-8a90-733c01ee8148/190124-annualreport18-p03.pdf
[9] https://aerzte-fuer-das-leben.de/fachinformationen/schwangerschaftsabbruch-abtreibung/literatur-zu-schwangerschaft-schwangerschaftsabbruch/lebenslinie-warum-ich-keine-abtreibungsklinik-mehr-leite/ Der Film zum Buch: Unplanned. Was sie sah veränderte alles, Gerth Medien Oktober 2020.[10]https://www.fafce.org/press-release-african-european-voices-united-yes-to-safe-deliveries-no-to-abortion/
[11]https://cdl-online.net/uploads/pdf/cdl-aktuell-2020-02-september.pdf
[12]https://www.kirche-und-leben.de/artikel/ein-baerendienst-fuer-den-lebensschutz
[13]http://www.vatican.va/archive/hist_councils/ii_vatican_council/documents/vat-ii_const_19651207_gaudium-et-spes_ge.html
[14]http://w2.vatican.va/content/john-paul-ii/de/encyclicals/documents/hf_jp-ii_enc_25031995_evangelium-vitae.html
[15]https://www.kirche-und-leben.de/artikel/woelki-beratungsscheine-von-donum-vitae-inakzeptabel
Kommentare
Lieber Bischof Stefan,
ein sehr guter Beitrag mit längst überfälligen Fragen.
Eine Frage habe ich an Sie, weil Sie schreiben:
„Ich halte deshalb ihre Entscheidung, dennoch als ein „Champion“ der „She decides“ Bewegung aufzutreten für unvereinbar mit den herausgehobenen Positionen, die Maria Flachsbarth in der katholischen Kirche in Deutschland einnimmt.“
Ist das nur nicht mit den herausgehobenen Positionen oder nicht viel eher mit unserem Glauben und der Lehre der Kirche nicht vereinbar?
Herzliche Grüße
Oliver Bagarić
Habe ich die Frage nicht mit den zitierten Lehramtsäußerungen beantwortet?
Gruß SO
Sehr geehrter Herr Bischof Dr. Oster!
Zunächst möchte ich sagen, dass ich um Ihren Beitrag sehr froh bin. Ich halte es wichtig, dass wir zu Themen klar Stellung beziehen und auch Anfragen stellen können und dürfen.
Zum Thema Selbstbestimmung der Frau finden wir wahrscheinlich soviele Antworten wie es Menschen gibt, da hier das eigene Bedürfnis und die eigene Wahrnehmung eine wichtige Rolle spielen. So wie ich hier ihre Anfrage wahrgenommen habe, ging es auch nicht darum, die Selbstbestimmung oder die Rolle von Frauen in Frage zu stellen, sondern wie sich kirchliches Engagement mit einer Organisation verträgt, die das Lebensrecht von z. B. ungeborenem Leben in Frage stellt. Dass es auch hier unterschiedliche Standpunkte gibt ist ebenfalls bekannt. Gleichzeitig aber auch, dass die Kirche hier eine klare und wichtige Position vertritt.
Mir geht es eher darum, wie auf solche Statements reagiert wird. Zurecht fragen Sie an, ob man noch seinen Standpuntk sagen darf, ohne gleich in eine Ecke gedrängt zu werden. Gleichzeitig nehme ich aber auch wahr, dass von beiden „Ecken“ oft und ich finde zunehmend scharf und unwertschätzend reagiert wird. Ich möchte das mit einem Beispiel belegen. In meinem Religionsunterricht habe ich den Synodalen Weg vorgestellt. Schüleräußerungen gingen in die Richtung, dass junge Menschen nichts davon erwarten. Im Gegenteil. Eine Schülerin hat es auf den Punkt gebracht: „Die Bischöfe streiten nur, wer Recht bekommt.“
Werden wir so in der Öffentlichkeit wahrgenommen? Geht es uns nur noch darum, dass wir aus Angst vor Veränderung oder der nicht stattfindenden Veränderung den anderen die Wahrheit absprechen? Und somit uns nur um uns selbst drehen. Wenn solche Kommentare auf Ihr Statement folgen, dann verfestigt sich bei mir dieser Eindruck. Man braucht, so glaube ich, keine Angst mehr haben, dass der Synodale Weg Veränderungen bringen wird. Denn am Ende werden die Fronten verhärteter den je sein und vom Wirken des Geistes oder gar der Evangelisierung nichts mehr spürbar sein. Das Bedürfnis nach Änderung kann ich in hohem Maße nachvollziehen, aber ich wünsche mir von allen, dass nicht alles in der Öffentlichkeit ausgetragen werden muss, um seinen Standpunkt vielleicht zu verfestigen oder von Medien verfestigt zu werden. Ich will und möchte darauf vertrauen können, dass der Heilige Geist tatsächlich durch alle Menschen wirkt, die guten Willens sind, die Christus im Herz und im Geist tragen und die fähig sind, Anderssein auszuhalten ohne gleich den anderen in Frage zu stellen. Am Tun wird man sie erkennen. Eine Dialogfähigkeit die Herausfordert und gleichzeitig eint, das sollte in Zukunft unsere Haltung werden. Ich frage mich oft, welches Beispiel geben wir ab, wenn wir schon so miteinander umgehen. Wie können wir von anderen mehr verlangen.
Ich wünsche mir weiterhin, dass Sie Stellung beziehen und ich wünsche mir auch, dass wir in einen Diskurs treten, der die Unterschiedlichkeit wertschätzt. Das wünsche ich mir nicht nur für mich, sondern auch besonders für die jungen Menschen, die Kirche von Morgen gestalten werden. Und auch hier wird es unterschiedliche Bedürfnisse geben, wie Kirche aussehen soll.
Stefan Zauner
Lieber Herr Zauner,
besten Dank für Ihr Statement. Ja, so ähnlich wie Sie es beschreiben, erlebe ich unsere Auseinandersetzungen in der Kirche auch. Der jeweils andere zum „Liberalen“ oder „Konservativen“ scheint der „Lieblingsfeind“ zu sein, auf den man draufhauen darf. Das Problem beim Synodalen Weg ist aus meiner Sicht, dass er von Anfang an (und von der Mehrheit auch so gewollt) eine Art öffentliches Forum ist. Ich konnte vor zwei Jahren in Rom bei der Jugendsynode sein und Papst Franziskus hat im guten Sinn so zum Dialog eingeladen, wie Sie es beschreiben oder sich wünschen. Synode sei „kein Parlament“, sondern vielmehr ein „geschützter Raum“ – nur so könne der Hl. Geist wirken. Bei uns ist der Raum – zumindest in den synodalen Vollversammlungen – tatsächlich nicht geschützt, alles wird per Livestream, Kameras und mediale Beobachter sogleich ans Licht der medialen Öffentlichkeit gezerrt. Und dort zählt leider aus meiner Sicht nicht mehr so sehr das Argument, sondern eher Befindlichkeiten, Emotionen, Polarisierungen. Das schafft Likes und Aufmerksamkeiten. Da braucht es tatsächlich und dringend nötig immer neu sachliche, moderate Töne. Zudem hat Papst Franziskus deutlich gemacht, dass die Synode „sub Petro und cum Petro“ gehe, will sagen: Er, der Papst, ist letztlich das einheitsstiftende Prinzip und zugleich ist er derjenige, der dann entscheidet. Diese Mitte haben wir in Deutschland eigens nicht, daher geht es vor allem um Mehrheiten und um die wird vordringlich politisch gerungen – was tatsächlich das Hören auf Gottes Geist schwer macht. Aber immerhin: Wir haben ja dennoch im Papst das Lehramt – und sind gewillt, uns auch in Deutschland letztlich danach auszurichten. Die wesentlichen Ergebnisse werden sich daran orientieren müssen, was das Lehramt dazu sagt. Dann wird es womöglich auch andere Ergebnisse oder Beschlüsse geben, die unterhalb der lehramtlichen Ebene entschieden werden können – und dort wird man dann sehen, wie die Bischöfe letztlich damit umgehen. Ich bin gespannt. Seien Sie herzlich gegrüßt und Gottes Segen für Ihren Dienst. SO
Lieber Bischof Stefan Oster,
vielen herzlichen Dank für Ihre klaren Worte. Gott segne Sie für Ihr unermüdliches Eintreten für das Evangelium ohne Wenn und Aber!
Hedwig Figlhuber, Österreich