Der Mensch: Gärtner oder Vergewaltiger der Schöpfung?

Der Mensch: Gärtner oder Vergewaltiger der Schöpfung? Die Predigt von Bischof Stefan Oster anlässlich der 25. Wiederkehr der Donau-Segnung in Niederalteich 2018.

Liebe Schwestern und Brüder in Christus, liebe Freundinnen und Freunde von Gottes wunderbarer Schöpfung und von unserer Donau,
wir haben die Donau gesegnet – und ich bin dankbar, dass ich dabei sein konnte. Wir nehmen dieses Zeichen stellvertretend für so viele andere geistliche Ereignisse, Aktionen, Aktivitäten, in denen es uns auch um die Bewahrung der Schöpfung geht. Aber, liebe Schwestern und Brüder, ich möchte mit Ihnen an dieser Stelle auch über die Frage nachdenken: Warum eigentlich ist Bewahrung der Schöpfung ein Anliegen für uns als Menschen des Glaubens?

Sind wir Christen schuld an der Ausbeutung der Schöpfung?

Hat man uns Christen nicht vorgeworfen, wir wären mit- oder sogar hauptverantwortlich für die Ausbeutung der Schöpfung? Warum? Weil in unserem Schöpfungsbericht der Auftrag Gottes an den Menschen steht: „Unterwerft euch die Erde und herrscht über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels und über alle Tiere, die auf der Erde kriechen“ (Gen 1, 28). Und im nächsten Vers übergibt Gott dem Menschen auch noch alle Pflanzen der Erde, sie mögen dem Menschen als Nahrung dienen. Steckt hinter diesem Unterwerfungs- und Nutzungsauftrag nicht schon die Möglichkeit, wie manche Kritiker sagen, die Erde auszubeuten, sie zum Gegenstand von Profitgier zu machen? Wird das hier nicht ganz ursprünglich ermöglicht?

Wir waren lange blind für die Verletzlichkeit der Schöpfung

Liebe Schwestern, liebe Brüder, was rechtfertigt diesen Eindruck der Kritiker? Es ist offensichtlich der Eindruck, dass es zunächst vor allem die Länder des so genannten Westens waren, die in den letzten wenigen Jahrhunderten einen rasanten Fortschritt in so vielen Lebensbereichen, vor allem in Technik und Naturwissenschaften erlebt haben. Zugleich damit gab es aber auch Fortschritt in den Möglichkeiten, mit diesen Entwicklungen Profit zu erzielen, so dass das oftmals allzu sehr auf Kosten der Umwelt ging. Und dann könnte man zusätzlich fragen: Und sind diese Länder des Westens nicht ursprünglich christliche Länder?

Ist es also diese Kombination aus technischem Fortschritt und ursprünglichem Christentum, die die Natur ausbeutet und zerstört, weil es ja in der Bibel steht, dass wir das dürfen? Zunächst würde ich sagen: So unrecht haben die Kritiker nicht. Denn allzu lange hat auch unsere Kirche nicht gesehen oder sehen wollen, welche Entwicklungen des Fortschritts alle auf Kosten der Schöpfung gehen. Und die aus dieser Erkenntnis entstehende Ökologiebewegung ist keine, die zuerst bei uns entstanden wäre. Vielmehr durften und mussten wir demütig von ihr lernen. Daher: Unsere christlichen Augen waren bei nicht wenigen sicher lange blind für die Kostbarkeit aber auch die Verletzlichkeit der Schöpfung.

Die Berufung des Menschen: Gärtner und Priester der Schöpfung

Aber, liebe Schwestern und Brüder, die Kritiker haben mit ihrem Verweis auf die Schrift dennoch nicht einfach Recht, denn die eben gehörte Lesung aus der Schöpfungsgeschichte (Gen 2,4b-20a) erzählt in ihren Bildern, dass das ursprüngliche Verhältnis des Menschen zur Schöpfung nicht einfach das eines Herrn über seinen Knecht ist, auch nicht eines Ausbeuters über die Ausgebeuteten. Vielmehr vertieft die Bibel dieses Verhältnis, indem sie hier im zweiten Schöpfungsbericht den Menschen beschreibt als einen Gärtner im Auftrag Gottes. Als einen, der einen Garten kultivieren, pflegen und bebauen soll.

Ja, der Mensch ist schon ein Herr, aber einer, der pflegt und wachsen und gedeihen lässt. Er ist einer, der die Geschöpfe und ihr Wesen von innen her erkennt – und der ihnen deshalb auch Namen geben darf – im Auftrag Gottes. Und Gott sieht zu, wie der Mensch die Geschöpfe benennt. Der Mensch ist im biblischen Sinn also ein stellvertretender König, ein Regent zum Wohl der Schöpfung, aber ein König, der vom eigentlichen König abhängt.

Und er ist ein Priester hin zur Schöpfung, einer, der vermittelt zwischen Gott und seiner Schöpfung. In einem ursprünglichen, heilen Verhältnis drängt die Schöpfung, drängen die Geschöpfe zum Menschen hin, um hier in Berührung zu kommen mit dem Sinn von allen. Und Paulus greift dieses alttestamentliche Bild im Römerbrief wieder auf, wenn er davon spricht, dass die ganze Schöpfung sehnsüchtig wartet auf das Offenbarwerden der Kinder Gottes (Röm 8,19).

Erst der Sündenfall korrumpiert den Menschen und sein Verhältnis zur Schöpfung

Sie wartet darauf – und hier sehen wir von Paulus auch den Bruch angezeigt zwischen dem ursprünglichen Verhältnis: der Mensch als Gärtner, Priester, König der Schöpfung – und der Mensch als Ausbeuter, Vergewaltiger der Schöpfung. Diese zweite Seite ereignet sich erst nach dem, was die Bibel als die Geschichte vom Sündenfall erzählt. Jetzt erst, nach diesem verhängnisvollen Geschehen, nach dieser Entfremdung des Menschen von Gott, jetzt erst ist der Mensch nicht mehr heil und wir lesen einerseits, wie sich die Sünden-Geschichte fortsetzt, wie Mord und Totschlag, wie Kriege und Katastrophen entstehen und geschehen und erzählt werden.

Und wir lesen zugleich, wie sich Gott immer neu darum bemüht, den Menschen doch wieder ins rechte Verhältnis zu Ihm zurück zu holen. Durch den Bund und das Gesetz mit seinem Volk, durch die Propheten, schließlich durch Jesus, den Christus, der in Person wieder neu der eigentliche, der heile Mensch ist, der Priester und König, der Mittler zwischen Gott und seiner ganzen Schöpfung.

Wo Gott ins Zentrum kommt, kommt alles andere wieder an seinen Platz

Und nun, liebe Schwestern und Brüder, ich weiß nicht, ob Ihnen das schon einmal aufgefallen ist, aber mir zumindest ist deutlich geworden: Wo immer Menschen durch Christus wirklich zurück ins rechte Gottesverhältnis gefunden haben, dort wächst und vertieft sich neu der Respekt und die Achtung vor der Schöpfung. Oder anders gesagt: Dort, wo der Mensch Gott in seinem Herzen die erste Stelle gibt, dort kommt alles andere wieder an seinen rechten Platz.

Dort fangen die Menschen an, wieder in der rechten Weise miteinander umzugehen und mit dem, was ihnen aus Gottes Händen anvertraut ist. Denken Sie nur stellvertretend für viele andere solche Erfahrungen an unsere Klöster, auch hier in Niederalteich: Wo Gott die Mitte ist, dort wird die Umwelt, die Schöpfung kultiviert, wird sie eher wieder gehegt und gepflegt, aber nicht mehr einfach ausgebeutet aus Macht- oder Profitgier. Die Schöpfung wartet auf das Offenbarwerden der Kinder Gottes, sagt Paulus.

Der Garten unserer Seele

Und deshalb auch spricht die Geschichte unseres Glaubens nicht nur im wörtlichen Sinn vom Garten der Schöpfung, sondern sie spricht auch im übertragenen Sinn vom Garten, nämlich vom Garten der Seele. Ja, liebe Schwestern, liebe Brüder, unsere Seele, unser Herz ist ein Garten – und wir alle wissen, dass es in uns Mächte und Kräfte gibt, die dazu neigen, den Garten auszubeuten oder austrocknen zu lassen, oder zu vergiften oder zu zerstören, oder einfach nur Unkraut wachsen zu lassen.

Denken Sie daran, was wir alles in uns hineinlassen an mehr oder weniger sinnvollen Inhalten, denken Sie an unsere Neigung zu schlechten Angewohnheiten, denken Sie an unsere schlechten Ängste, unsere negativen Gedanken, an Neid, Stolz, Getratsche und vieles, vieles mehr, was in uns ist, und denken Sie an häufige Abneigung gegen das bewusste Gebet oder das Lesen der Schrift. Und nun denken Sie gleichzeitig an das viele Gute, das auch da ist und kultiviert werden will, das aber keinen Platz hat neben Unkraut und Wucherungen aller Art. Unsere Antriebe zum Guten, unsere Sehnsucht nach Vertrauen, nach Tiefe, nach Leben und Liebe.

Der Jordan – Weg ins gelobte Land, ins neue Eden

Liebe Schwestern, liebe Brüder, wir feiern heute die Taufe des Herrn: Jesus ist voller Demut in das Wasser des Jordan hineingestiegen und hat sich taufen lassen von Johannes. Der Jordan ist der Schicksalsfluss Israels; hier ist Israel seinerzeit endlich nach langer Wüstenwanderung hinein gezogen ins gelobte Land. Hier haben sie das Land, den Garten erwartet, in dem Milch und Honig fließen. Hier hat ihnen Gott erneut ein Stück Eden anvertraut, es zu hüten und zu pflegen.

Und Gott hatte verheißen, es würde gut gehen, wenn Er Gott in ihrer Mitte wohnen dürfte und verehrt würde. Land und Menschen würden blühen und gedeihen. Wir wissen aus der Schrift, dass es nur teilweise gut ging, aber eben auch immer wieder schief gegangen ist. Israel hat Gott immer wieder vergessen – und so ist es passiert, dass ihr Garten, ihr Land auch immer wieder von innen und außen verwüstet wurde durch andere Kräfte und Mächte.

Das neue Eden ist das von Jesus verkündete Reich Gottes

Und am heutigen Tag, dem letzten Tag des Weihnachtsfestkreises, taucht Jesus nun in eben diesen Jordan ein. Johannes der Täufer verwendet diesen Fluss, damit Israel darin seine Sünden bekennen und abwaschen möge. Und damit es neu werde in der Erwartung dessen, der da kommen soll, um Israel wiederherzustellen, um Israel bereit zu machen für das Neue, das gelobte Land, das Jesus dann als Reich Gottes verkünden wird.

Jesus kommt und er taucht mit ein und unter im Jordan. Und er hatte ja zu diesem Zeitpunkt schon längst angefangen, die Sünden der Menschen, ihren verwüsteten inneren Garten auf sich zu nehmen, um ihn im Feuer seiner Liebe verwandeln zu können, um eine Taufe zu schenken, die wirklich effektiv im Herzen sein kann, eine Taufe durch seinen heiligen Geist.

Das Kreuz in der Donau

Liebe Schwestern und Brüder, wir haben heute sein Kreuz ins Wasser geworfen. Was für ein Symbol! Das Kreuz, an dem er die Sünde der Welt verwandelt hat in einen Sieg der Liebe. Ich freue mich, liebe Schwestern, liebe Brüder, dass so viele von Ihnen hier an der Donau schon so lange gebetet haben, um ein kostbares Stück Schöpfung zu bewahren.

Damit es eher im Sinn eines Gärtners behandelt würde und nicht im Sinn eines Ausbeuters. Und ich bin dankbar, dass wir als betende Christen dadurch hinweisen auf unsere hohe Verantwortung für das Gut der Schöpfung, auf unsere Verantwortung als Gärtner und als Mittler der Schöpfung hin zu ihrem Schöpfer.

Die Gefahr der Verzweckung von Gebet

Aber ich möchte auch folgendes sagen: Wir müssen die Schöpfung ehren aber darin und darüber hinaus zugleich den Schöpfer. Wenn wir nicht anbetend vor Christus niederfallen und ihm die Herrschaft auch über unser eigenes Herz einräumen, dann bleiben wir auch in solchen Segenshandlungen wie heute versucht. Wir bleiben versucht, Religion zu verzwecken, um unsere eigenen politischen oder andere Ziele durchzusetzen, von denen nicht immer schon deutlich ist, ob sie im Sinn des Schöpfers sind.

Würden wir uns auf diese Weise selbst zu Herren der Schöpfung machen, ohne Rückbindung zum Schöpfer, dann blieben wir doch stets gefährdet, eher Manipulatoren der eigenen Ziele zu sein – und nicht Mithelfer an der Bewahrung der Schöpfung. Im Grunde geht es also auch für uns selbst immer neu um die Demut des Herrn. Wir dürfen uns vorstellen, dass mit dem Kreuz Jesu auch wir selbst in den Jordan oder in die Donau geworfen werden, damit wir in allen unseren Lebensbezügen tiefer erkennen können, wie wir ihn wirklich unseren Herrn sein lassen können, den Gärtner unserer Herzen und den König der ganzen Schöpfung.

Die Gegenwart Jesu in allen Menschen und Dingen suchen

Wirklich umkehren heißt also nicht einfach nur siegreich sein in einer auch politisch heiklen Angelegenheit, so bemerkenswert das tatsächlich ist. Wirklich umkehren heißt immer wieder neu sehen lernen mit den Augen des Glaubens – die Gegenwart des gekreuzigten Herrn in allen Menschen und Dingen. Und es heißt, dann mit seiner Hilfe beizutragen zur Heilung der Herzen. Unserer eigenen und unserer Mitmenschen und so auch zur Heilung des Verhältnisses des Menschen zur großartigen Schöpfung Gottes.

Liebe Schwestern, liebe Brüder, ich möchte abschließend noch einmal danke sagen von Herzen für jedes Gebet zum Erhalt der Schöpfung. Und ich möchte einladen, dass wir dieses Gebet auch immer neu aufsteigen lassen als zweckfreien Lobpreis an unseren Schöpfer, der uns und die ganze Schöpfung ursprünglich so gut gemacht hat – und der uns und seine ganze Schöpfung durch seinen Sohn noch wunderbarer erneuern will. Gott segne Sie alle. Amen.