Alles beginnt mit Vertrauen? Was dieser Slogan der Deutschen Bank mit der Heiligen Dreifaltigkeit zu tun hat – und was nicht. Die Predigt von Bischof Stefan Oster zum Dreifaltigkeitssonntag am 15. Juni 2014 im Passauer Stephansdom.
Liebe Schwestern und Brüder im Glauben,
in den neunziger Jahren hatte die Deutsche Bank einen Werbeslogan, der hieß: „Vertrauen ist der Anfang von allem“. Als ich das damals auf diesen riesigen Plakaten gelesen habe, hatte ich richtig zwiespältige Gefühle, und zwar, weil die Botschaft selbst so zwiespältig war. Einerseits stimmt der Satz ja und ich will gleich erklären, warum. Aber andererseits, dass ausgerechnet eine Bank damit wirbt, empfand ich als anstößig.
Trotzdem ist es natürlich auch für eine Bank nicht verkehrt, auf das Vertrauen der Kunden zu hoffen. Auch unsere Wirtschaft, die Börsenkurse, das so genannte Konsumklima, alles hängt davon ab, ob viele Menschen gerade Vertrauen haben, in die ökonomische Stabilität.
Also, so verkehrt ist das auch für eine Bank nicht, aber dennoch empfand ich es sehr problematisch, weil doch Vertrauen etwas ist, was sich zuerst und zutiefst zwischen Personen abspielt. Und nicht zuerst zwischen einer Person und zum Beispiel ihrem Geld oder ihren Immobilien oder ihren Aktien. Es ist aus der Sicht des Glaubens sogar so, dass wenn ein Mensch zu sehr auf seinen Besitz vertraut, dass dann der Herr des Himmels und der Erde irgendwann zu ihm sagt: Du Narr! Hast Du nie gemerkt, dass es um viel mehr geht als um Besitz?
Alles beginnt mit Vertrauen
Also, warum ist nun Vertrauen, wirklich der Anfang von allem? Nun, versetzen Sie sich in die Lage eines Neugeborenen oder eines Kleinkindes. Ein kleines Kind hat überhaupt keine Wahl, als sich den Eltern oder den ersten Bezugspersonen einfach vertrauensvoll zu überlassen. Ein Kind verlässt sich darauf, dass Mama und Papa die Dinge schon richtig machen. Und ein Kind hat nicht nur Vertrauen, ein Kind ist gewissermaßen gelebtes Vertrauen.
Die Psychologie spricht daher vom Urvertrauen und davon, wie wichtig das im Leben ist. Und wir wissen längst, dass dort, wo im frühen Kindesalter Gewalt oder Missbrauchserfahrungen ein so junges Leben beschädigen, dass dann die Startbedingungen massiv gestört sind für ein gutes Leben und für die Fähigkeit, selbst vertrauensvolle, tiefe und langanhaltende Beziehungen einzugehen. Vertrauen ist der Anfang von allem, das ist so wahr, liebe Schwestern und Brüder.
Aber nun ist es auch so: Wenn wir erwachsener werden, dann fällt uns das Vertrauen in der Regel nicht automatisch leichter, denn dann haben wir auch schon einiges erlebt in der Welt. Dann haben wir vermutlich auch Enttäuschung und Verletzung erlebt, vielleicht auch Verlassenwerden, vielleicht großen Trennungsschmerz oder ähnliches.
Sind wir selbst verlässlich?
Und dann werden wir misstrauischer, dann halten wir uns zurück mit unserer inneren Öffnung. Dann fällt es uns schwer zu vertrauen, weil wir eben oft nicht mehr glauben können oder wollen, dass sich ein anderer Mensch als wirklich vertrauenswürdig erweist. Und wenn wir ehrlich sind, meine Lieben, und uns auf uns selbst besinnen, dann wissen wir nicht mal, ob wir selbst wirklich verlässlich und vertrauenswürdig sind.
Wir kennen uns doch auch in unserer Wankelmütigkeit, in unseren Launen, in unseren offenen oder heimlichen unkontrollierten Leidenschaften. Und wenn schon wir selbst nicht vertrauenswürdig sind, warum sollten wir dann anderen vertrauen? Das alles hat zur Folge, dass die Welt der Erwachsenen sehr, sehr oft von Misstrauen geprägt ist oder vom gegenseitigen Aufrechnen, von Kalkulation in Beziehungen: Ich geb Dir so viel, dann gibst Du mir soviel und so fort.
Unsere Welt ist oft so vertrauenslos und oftmals sogar zu Recht. Und wenn wir fragen, was wir eigentlich bräuchten in unserer Welt, dann wäre die Antwort: Wir bräuchten wieder mehr Vertrauen unter den Menschen, weil Vertrauen auch die Voraussetzung dafür ist, dass die Liebe wächst und der Friede. Vertrauen ist nämlich der Anfang von allem!
Was die Heilige Dreifaltigkeit damit zu tun hat
Warum erzähle ich das an diesem Sonntag, an dem die Kirche unseren Gott als die Heilige Dreifaltigkeit feiert? Ich erzähle es deshalb, weil wir an einen Gott glauben, der in sich selbst Beziehungsleben ist, so tief, dass zum Beispiel der Vater nicht nur dem Sohn Jesus vertraut, sondern gewissermaßen gelebtes Vertrauen ist. So sehr, dass Jesus nicht einfach nur der einzelne Jesus als Person ist, sondern er ist in seiner ganzen Existenz gelebtes Vertrauen zum Vater.
Er sagt von sich selbst immer wieder, dass er im Vater lebt und dass der Vater in ihm lebt. Und wenn wir uns fragen, wie wir uns das vorstellen können, dann denken Sie an einen Menschen, den Sie sehr lieben. Sie wissen dann, dass dieser Mensch in Ihrem Inneren viel Raum einnehmen darf, dass er Ihr Leben mitbestimmen darf, dass Sie von dem bewegt werden, was dieser andere erlebt und durchlebt. Sie wissen, dass Sie mit ihm Freude teilen, aber auch Leiden. Der andere lebt auf eine bestimmte Weise in Ihnen.
Und nun nehmen Sie diese Erfahrung und denken Sie noch einmal unendlich viel tiefer und reiner als bei uns: dann erahnen wir, wie es ist, dass Jesus ganz im Vater lebt und der Vater ganz in Ihm. Das gegenseitige Vertrauen und die gegenseitige Liebe sind bei den beiden absolut, sind unendlich, so dass man sagen kann: Die zwei sind einerseits ganz verschieden, aber sie leben so sehr ineinander, dass sie zugleich absolut eins sind.
„In Freundschaft sein“
Und wenn Sie nun noch einmal an den Menschen denken, den Sie lieben, dann wissen Sie, dass Sie solche Wörter benutzen wie: unsere Freundschaft, unsere Liebe, unsere Beziehung. Da sind also zwei Menschen, die etwas verbindet, etwas ganz Besonderes. Manchmal beschreiben wir unsere Beziehungen in Bildern, die wir vom Klima hernehmen oder auch aus der Erfahrung des Raumes.
Wir empfinden Beziehungen zum Beispiel als warm oder kalt, als dicht oder gebrochen. Wir empfinden dicke Luft oder Enge, oder Weite und Tiefe. Und wenn wir darüber nachdenken, dann merken wir: eine solche Beziehung ist etwas, in dem ich drinstehe. Es ist nicht etwas, was ich zuerst mache, sondern es ist etwas, in dem ich mich finde, etwas, was mich gewissermaßen umgibt.
Wir sagen zum Beispiel: Unsere Freundschaft und freuen uns, dass wir gewissermaßen in dieser Freundschaft leben dürfen. Und wenn Sie nun an eine eigene Freundschaft denken und anfangen, darüber zu reden, dann wissen Sie, dass Ihr guter Freund, diese Freundschaft vielleicht genau so sieht, wie Sie, aber Sie ahnen vielleicht auch, dass er daran noch ganz andere Dinge entdecken und beschreiben würde als Sie selbst.
Vertrauen: Ein Drittes zwischen Zweien
Die Freundschaft ist also irgendwie ein Drittes, ein Verbindendes, in dem ich mich finde, und in dem wir uns finden. Ich kann daran arbeiten und wir können es gemeinsam tun. Wir sagen, ich kann die Freundschaft pflegen, aber trotzdem kann ich sie nicht einfach machen oder gar kaufen. Sie ist da und ich bemühe mich, dass sie wächst oder reifer wird. Oder ich vernachlässige sie und dann verdunstet sie irgendwann. Die Freundschaft selbst ist also irgendwie ein Drittes zwischen Zweien, die sich gern haben.
Und sehen Sie, das ist nun ein Versuch, sich dem Geheimnis des Heiligen Geistes anzunähern: Der Sohn lebt ganz im Vater, der Vater ganz im Sohn, und beide sind tief umfangen von der Freundschaft, der Liebe, vom Geist, der zwischen Ihnen herrscht und diese Liebe ist einerseits noch einmal verschieden von beiden und doch ist sie zutiefst eins mit ihnen beiden. Vater, Sohn und Geist sind in sich der eine Gott, absoluter, lebendiger Liebesaustausch, absolutes Leben als gelebte Freundschaft.
Und liebe Schwestern und Brüder, das Wunder ist nun, das haben wir im Evangelium gehört: dieser dreifaltig-eine Gott, der will, dass wir zurückfinden in diese Beziehung zu IHM – der will, dass wir Anteil bekommen, an diesem Liebesaustausch. Er will uns hineinnehmen, in sein göttliches Beziehungsleben. Ja, wie soll das gehen?
Vertrauen lernen: Der Vater gab den Sohn hin
Im Evangelium haben wir gehört: der Vater hat den Sohn für uns hingegeben. Der Sohn ist gewissermaßen ganz aus sich herausgegangen, er hat sich ganz auf uns hin geöffnet. Er hat radikal in Kauf genommen, dass er in seiner Selbsthingabe von der Welt und den Menschen missverstanden wird, verletzt wird, ja sogar getötet wird. Er wollte und will immer neu so tief auf unsere Seite treten, damit wir neu lernen. Ja, was sollen wir lernen?
Vertrauen, weil Vertrauen ist der Anfang von allem. Im heutigen Evangelium haben wir gehört: Jeder, der an Ihn glaubt, wird nicht gerichtet und wer nicht glaubt, ist schon gerichtet, weil er an den Namen des einzigen Sohnes Gottes nicht geglaubt hat. Setzen Sie hier für Glauben, das Wort Vertrauen ein.
Glauben heißt vertrauen
Wer glaubt, also wer Jesus vertraut, der wird nicht gerichtet, denn der ist ja schon von IHM hineingenommen in das Leben Gottes. Und wer nicht glauben kann oder will, wer nicht vertrauen lernt, dass Jesus wirklich retten will, der bleibt irgendwie draußen, dem wird seine Verschlossenheit zum Gericht, denn er bekommt keinen Anteil an diesem Leben im Vertrauen.
Gott will uns retten in seiner Liebe, liebe Schwestern und Brüder, aber er will es nicht ohne uns. Er will unser Ja, unser Vertrauen, denn Vertrauen ist der Anfang von allem. Immer und immer wieder lädt uns Jesus im Evangelium ein, dass wir Ihm nachfolgen, Ihm glauben, Ihm vertrauen, Ihn lieben sollen. Wenn wir es tun, lassen wir Ihn mehr und mehr in uns wohnen, wenn wir es tun, beginnt und wächst ins uns mehr und mehr das göttliche Leben.
„Es ist nicht egal, ob Gott einer ist oder drei“
Dann sind wir mehr und mehr getragen – gewissermaßen von unten her. Dann stehen wir auf Ihm, weil wir vertrauen, dass Er da ist und unser Leben trägt. Und dann befähigt uns dieses Gottvertrauen neu, uns auch den Menschen zu öffnen, es befähigt uns selbst, mehr zu vertrauen und mehr lieben und so etwas mehr Liebe in die Welt zu tragen. Es befähigt uns also mehr zu dem, was der Welt fehlt und wonach wir uns alle so sehr sehnen.
Liebe Schwestern und Brüder, bitte sagen Sie niemals, dass es ja egal ist, ob unser Gott einer ist oder drei. Und sagen Sie auch nicht, dass es einfach auf dasselbe herausläuft, wenn Juden oder Moslems zu dem einen Gott beten und wir das auch tun. Wir Christen leben aus der Erfahrung, dass unser Gott in sich selbst absolute Freundschaft, absolute Liebe ist.
Und unsere Erlösung besteht darin, in diese Beziehung hineingenommen zu werden. Diese Erlösung hat in unserer Taufe bereits begonnen. An uns ist es, sie durch die Pflege unserer Freundschaft zu Jesus immer mehr zu vertiefen. Dann wird auch an unserem Leben mehr und mehr sichtbar, dass wir wirklich an einen Gott glauben, der in sich selbst und für uns die dreifaltige Liebe ist. Amen.