Geburt und Sprechen – wie das im Weihnachtsgeschehen zusammenhängt. Die Predigt von Bischof Stefan Oster zum Weihnachtsgottesdienst mit den Giselaschulen im Passauer Stephansdom 2014.
Liebe Schülerinnen und Schüler, liebe Lehrerinnen und Lehrer, Schwestern und Brüder im Glauben,
das Evangelium von heute ist eine Vorläufergeschichte zu Weihnachten. Es erzählt über die geheimnisvollen Zusammenhänge im Umfeld der Geburt des Johannes des Täufers. Seinem Vater Zacharias hatte es buchstäblich die Sprache verschlagen.
Ihm war beim Dienst im Tempel mitgeteilt worden, dass seine Frau Elisabeth noch einmal einen Sohn bekommen würde, eben Johannes. Aber Zacharias hatte offenbar nicht geglaubt und die Bibel erzählt, dass er von da an nicht mehr sprechen konnte. Und erst als er gewissermaßen in den Willen Gottes einwilligt, erst als er Ja sagt zu diesem Namen, den keiner in seiner Familie hat, zu diesem Namen Johannes, erst da öffnet sich sein Mund wieder und er beginnt zu sprechen und Gott zu loben.
Geburt und wirkliches Sprechen – der Zusammenhang
Ich möchte dieses wundersame Geschehen verwenden, um mit euch über den Zusammenhang zwischen einer Geburt und dem wirklichen Sprechen nachzudenken, der Zusammenhang wird ja auch im Evangelium hergestellt. Aber was hat er mit uns zu tun?
Nun, ihr alle wart als Schülerinnen schon einmal in der Situation, dass ihr von einem Lehrer ausgefragt wurdet. Ihr musstet zeigen, ob und was ihr gelernt habt. Ich war ja auch einmal Lehrer an einer Hochschule und habe auch Prüfungen abgenommen, deshalb weiß ich, dass man schon einigermaßen merkt, dass es einen Unterschied gibt zwischen nur Gelerntem und wirklich Verstandenem.
Nur gelernt oder auch verstanden?
Man merkt, ob die Schülerin die Sache selbst kapiert hat und auch selbst sagen kann, oder ob sie noch in dem Stadium steckt, dass sie einfach nur nachsagt, was ihr der Lehrer oder vielleicht auch andere Schülerinnen vorgesagt haben. Plappert sie nur nach oder kommt es aus ihr selbst? Wenn es aus dir selbst kommt, dann weißt du, dass deine Wörter, die du sagst, irgendwie mehr Gewicht haben, sie sind irgendwie reicher angefüllt mit der Wirklichkeit, die du erkannt hast. Sie sind irgendwie gehaltvoller. Man sagt manchmal, wenn ein Mensch etwas zu sagen hat: Das hat Substanz. Vielleicht kann man auch in einem Bild sagen, Wörter, die einer sagt, der etwas verstanden hat, die scheppern nicht nur wie eine leere Blechdose, sondern sie klingen eher wie ein volles Glas.
Ein Mensch, der über die Wirklichkeit etwas erkannt hat, der lässt sie sehen, wie sie ist, der bringt sie ins Licht, der bringt sie gewissermaßen zur Welt – mit seiner Sprache. Der wird ihr im Sprechen gerecht. Stell dir vor, du kennst deine Freundin richtig gut, du hast sie gern und dein Erzählen ist voll von Respekt vor ihr. Dann haben deine Worte mehr Gewicht als wenn eine andere Person von deiner Freundin nur herumtratscht, sie aber gar nicht wirklich kennt. Das eine ist voll von Wirklichkeit, das andere ist Geplapper und Getratsche.
Wer etwas erkennt, bringt es zur Welt
Und was hat das mit Geburt zu tun? Warum vergleiche ich das mit Geburt? Na, weil das, was du aus dir erkannt hast, aus deinem Inneren kommt und weil du es zur Welt bringst, weil du es ans Licht bringst. Und je tiefer du etwas innerlich erkannt hast, desto mehr lässt du die erkannte Sache oder die erkannte Person auch andere sehen. In deinem Sprechen zeigst du sie anderen. Oder eben nicht. Du kannst auch lügen oder leere Worte machen. Aber je mehr dein Sprechen eben von ehrlicher und liebevoller Erkenntnis begleitet ist, desto mehr bringt es das, worüber du sprichst, auch zur Welt.
Und bei Zacharias und seinem Sprechen über seinen Sohn Johannes wird das nun auch deutlich. Zacharias hatte nicht glauben können, wer sein Sohn wirklich ist, nämlich ein Gotteskind, ein Prophet, ein Träger der Verheißung und er hatte nicht glauben können, dass seine schon alt gewordene Frau noch ein Kind bekommt. Also hätte er auch nicht richtig und gut über ihn sprechen können. Der Name Johannes bedeutet nun übersetzt: Gott ist gnädig. Erst als Zacharias einwilligt, dass eben dies der Name seines Sohnes sein sollte, erst jetzt konnte er wieder sprechen über ihn, erfüllt sprechen, so dass es in Gottes Augen recht war.
Christus will in dir geboren werden
Ich möchte diese Überlegungen jetzt noch kurz mit euch zusammen auf Weihnachten beziehen. Es gibt einen wunderbaren Satz des Dichters Angelus Silesius. Der hat vor über 400 Jahren gelebt und war ein frommer Mann. Er schrieb einmal folgendes über Weihnachten: „Und wäre Christus tausendmal in Bethlehem geboren, doch nicht in dir, du wärest ewiglich verloren.“
Da wird also gesagt, dass Christus in Betlehem geboren wurde. Und wir Christen feiern dieses Ereignis als Anfang unserer Rettung. Die Kirche glaubt, dass er der Erlöser ist, dass er uns rettet aus vielem, was uns gefangen nimmt, auch aus dem, was in uns viel zu egoistisch ist, Sünde und auch aus der Verfallenheit an den Tod. Aber Angelus Silesius sagt nun: Das geht nicht automatisch. Christus will dich und mich retten, aber eben nicht ohne unser Mittun. Christus ist nicht einfach nur mal vor über 2.000 Jahren in Betlehem geboren – und das war es dann. Er will auch heute in den Menschen, in uns, in dir und mir geboren werden? Wie kann man sich das vorstellen, er will in uns geboren werden?
Geburt in mir: Wie kann man sich das vorstellen?
Vielleicht gehen wir dazu noch einmal zu dem zurück, was wir vorher überlegt haben. Denke einmal daran, wie du das Wort Jesus sagst. Oder überlege mal, wie du in der Schule ein Referat über Jesus halten würdest. Und frag dich selbst: Ist es erfüllt davon, dass du wirklich etwas von Jesus erkannt hast und es auch selbst sagen kannst? Ist es erfüllt davon, dass du ihn gern hast und weißt, von wem du da redest? Oder ist es eher Geplapper und nicht so wirklich erfüllt von Wirklichkeit?
Und sollten wir nun miteinander feststellen, dass unser Sprechen von Jesus noch ziemlich ohne Wirklichkeit und oft eher dünnes Geplapper ist, dann sagt uns der Satz von Angelus Silesius vielleicht: dann lerne ihn doch besser kennen, dann sprich regelmäßig zu ihm, besprich mit ihm dein Leben, deine Freuden, deine Sorgen und Ängste in einem regelmäßigen Gebet.
Zeig ihm deinen Dank
Zeig ihm deinen Dank für alles, was du hast. Lies oft in der Bibel darüber nach, was er getan hat, wie er gesprochen hat. Geh regelmäßig in den Gottesdienst und feiere mit den anderen zusammen mit, wenn sie zu ihm singen und beten. Wenn du in dieser Richtung unterwegs bist und auch dabei bleibst, dann wächst in dir eine Erkenntnis und eine Zuneigung. Und es wächst daraus die Fähigkeit zum Sprechen, die zeigt, dass auch in dir die Geburt Jesu schon begonnen hat.
Die meisten von euch sind schon getauft, viele schon gefirmt. Der entscheidende Anfang ist damit schon gemacht. Jetzt ist es an euch, weiterzugehen und mitzuhelfen, dass Christus nicht nur vor 2.000 Jahren in Betlehem geboren wurde, sondern immer neu auch in euch geboren wird. Das wünsche ich euch sehr, besonders für das kommende Weihnachtsfest. Amen.