Zum 100. Geburtstag von Bischof Franz Xaver Eder. Die Predigt von Bischof Stefan Oster anlässlich des 100. Geburtstag des verstorbenen Bischofs Franz Xaver Eder am 03.11.2025.
Die Predigt hier als Audio zum Nachhören:
Hier finden Sie die Predigt zum Nachlesen:
Liebe Verwandte von Bischof Franz Xaver Eder, liebe Freunde, Weggefährten, Bekannte von Bischof Eder, liebe Schwestern und Brüder alle,
morgen wäre mein verehrter Vorgänger hundert Jahre alt geworden. Und wenn ich „verehrt“ sage, dann meine ich das nicht nur in Bezug auf mich selbst, sondern mehr noch im Blick auf das, was ich immer wieder von den Gläubigen des Bistums, von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Haupt- und Ehrenamt und auch aus dem Klerus höre. „Er war einer von uns“ – wird oft gesagt und damit signalisiert, dass er die Menschen des Bistums verstanden hat und gerne bei ihnen war. Für sehr viele war er so etwas wie der Inbegriff eines guten Hirten, über den wir eben im Evangelium gehört haben.
Seine Lebenszeit war geprägt von einschneidenden Ereignissen, die buchstäblich die ganze Welt und die ganze Kirche bewegt haben. Als ganz junger Kerl mit 18 Jahren musste er noch im Zweiten Weltkrieg an die Front. Er wurde verletzt, wurde zuhause gesund gepflegt, nur um dann gleich noch einmal zum Fronteinsatz zu kommen, der dann in einer zweieinhalbjährigen Kriegsgefangenschaft und im Arbeitslager im Kaukasus endete. Sein Glaube hat ihn durch diese schwere Zeit durchgetragen und die Beschäftigung mit dem Wort Gottes hat in ihm fern von der Heimat den Ruf zum Priestertum bestärkt.
So konnte er nach der Rückkehr in die Heimat ab 1948 das Abitur nachholen, um dann in Passau Theologie zu studieren. 1954 wurde Franz Xaver Eder zum Priester geweiht – und seinen ersten priesterlichen Einsatz begann er als Kaplan in Kastl und Burgkirchen an der Alz. Bald schon wurde er aber von dort nach Passau geholt – in vielfältigen Funktionen eingesetzt – um dann ab 1968 Regens im Passauer Priesterseminar zu werden.
In diese Zeit seiner ersten Priesterjahre mit großer Verantwortung fiel dann auch das II. Vatikanische Konzil. Wie die meisten seiner Generation war auch Franz Xaver Eder begeistert von alledem, was das Konzil bewegt und möglich gemacht hat, insbesondere die Erneuerung der Liturgie. Im Domkapitel, dessen Mitglied er ab 1974 war, regte er die Umwidmung des Bischöflichen Knabenseminars St. Max zum Haus für Ministranten an – was es bis heute geblieben ist. 1977 wurde Franz Xaver Eder Weihbischof und 1984 Passauer Diözesanbischof in der Nachfolge von Bischof Antonius Hofmann.
Eines seiner großen Projekte war die Entwicklung des Passauer Pastoralplans. Und wenn ich sehe, wie damals die Beteiligung vieler Menschen im Bistum im Nachdenken über die Zukunft der Kirche von Passau ermöglicht wurde, dann erinnert mich das deutlich an das, was ich selbst die letzten beiden Jahre in Rom miterleben durfte – und was heute unter dem von Papst Franziskus eingebrachten Stichwort der Synodalität angestoßen wurde.
In der Rückschau gibt es natürlich auch unterschiedliche Perspektiven auf die Anstöße von damals und die Frage, warum eigentlich nach der Inkraftsetzung des Plans im Jahr 2000, nur sehr wenig davon umgesetzt wurde. Aber tatsächlich scheint mir der Grundansatz zunächst dem zu entsprechen, wie Franz Xaver Eder sein Bischofsamt verstanden hat: Mit den Menschen, mit seinen Gläubigen und für sie wollte er Bischof sein – und daher wollte er auch das, was alle anging, von allen mitberaten wissen, von den Gläubigen und den kirchlichen Amtsträgern gemeinsam.
Weil wir miteinander Kirche sind. Das passte zu ihm und seinem Selbstverständnis. Ob ihn die Frage nach der Macht des Klerus, die heute so viele Menschen umtreibt, dabei sehr bewegt hat, kann ich nicht beurteilen. Mir scheint, weil er selbst so am Miteinander interessiert war – und weil er selbst einer war, der sich raten und beraten ließ, kam die Frage bei ihm nicht so deutlich nach vorne, wenn es um ein Mehr an Miteinander in der Kirche gehen sollte, also heutig gesprochen, um mehr „Synodalität“.
Aber einen Unterschied zu damals kann ich aus heutiger Perspektive schon ausmachen: Franz Xaver Eder scheint mir ein großes Grundvertrauen gehabt zu haben, in das, was die Kirche im Innersten ausmacht: Die Kirche als ein großes „Sakrament“, wie es das Konzil formuliert hat. Die Kirche als das Werkzeug Gottes für die Vereinigung Gottes mit der Menschheit. Die Kirche also als eine Wirklichkeit, die größer ist, als wir selbst. Und wenn ich nun höre oder lese, wie Bischof Eder die Liturgie geliebt und mit welcher Sorgfalt er sie gefeiert hat, oder wenn ich manche seiner Predigten nachlese, dann spüre ich seine tiefe innere Beheimatung eben darin.
Eine Beheimatung in dieser Wirklichkeit, die ihn getragen hat – und die er deshalb weder für sich noch für seine Gläubigen grundsätzlich in Frage gestellt hat. In dieser Wirklichkeit, die schon da ist, hat er den Pastoralplan angestoßen. Als Antwort auch auf das Konzil und seine Impulse. Und von solchen Voraussetzungen her wollte Franz Xaver Eder im großen Gottvertrauen und eben auch im großen Miteinander neue Wege suchen und gehen. Getreu seinem bischöflichen Wahlspruch: In der Kraft des Geistes Gottes, der uns nicht verzagt sein lässt, sondern der eben ein Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit ist.
Das Verständnis von Synodalität bei Papst Franziskus scheint mir ganz ähnlich zu sein, aber tatsächlich haben sich die Bedingungen gerade in unserem Land dramatisch verändert. Wir spüren, dass wir längst nicht mehr selbstverständlich kirchliche Verbundenheit voraussetzen können, auch bei vielen Gläubigen nicht mehr. Wir spüren auch, dass der Glaube in seinem inhaltlichen Gehalt, massiv in Frage gestellt wird oder bei nicht wenigen einfach verdunstet. Wir spüren, dass ein sehr großer Teil der jungen Menschen keinen Zugang mehr findet zur Kirche und ihrem Glauben. Wir spüren Entfremdung der Menschen auch durch die Skandale der Kirche, allen voran die Krise des Missbrauchs und die so dramatische Beschädigung von Menschen, die Missbrauch erleiden mussten. Viele andere Gründe einer beschleunigten Entkirchlichung könnte man noch anführen.
Und mit all diesen Gründen verliert dann das von Franz Xaver Eder noch selbstverständlich Geglaubte für ganz viele Menschen sehr viel von seiner Plausibilität. Ist die Kirche tatsächlich dieses Angebot der großen, tiefen Heimat, in der Gott gesucht und gefunden werden kann? Heimat, in der Menschen heiler werden können, freier und liebesfähiger – und in der sie letztlich auch Rettung und Heil finden können? Heimat bei Gott? Ist das noch so? Ja, die Kirche wird auch noch so wahrgenommen und erlebt, und dennoch wird oft gefragt: Ist die Kirche nicht am Ende doch nur Fassade, hinter der sich eine machthungrige Männerclique ihre Privilegien und ihr gutes Leben sichern will?
Nicht wenige Menschen stellen sich diese Frage und es ist für uns alle oft genug ein langer und mühseliger Weg, ihnen wieder eine andere, schönere Kirche zu zeigen. Franz Xaver Eder hat die sich verändernde Kirche freilich schon gesehen. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass er die heutige Entwicklung in ihrer beschleunigten Dramatik nicht erahnt hat. Zu sicher war er ganz offensichtlich im Vertrauen auf seine Kirche, die er gerade nach der Katastrophe des II. Weltkrieges als den Ort sicherer Beheimatung neu finden und glauben konnte.
Und, liebe Schwestern und Brüder, auch das möchte ich noch sagen: Bischof Franz Xaver Eder war als Mann der Kirche auch ein Mann seiner Zeit, ein Mann, dem die Wege der Priester wichtig waren, auch deshalb, weil er sie als langjähriger Ausbilder so gut und oft so persönlich kannte. Eben diese persönliche Verbundenheit wird nun aber womöglich auch bald kritisch und auch als Schwäche beurteilt werden. Denn wir erwarten in wenigen Tagen, wohl noch im November, die unabhängige Studie der Uni Passau, in der die Verbrechen des sexuellen Missbrauchs und körperlicher Gewalt seit dem Ende des II. Weltkrieges untersucht worden sind.
Wir wissen ja aus anderen Studien schon, dass im Grunde nahezu alle Verantwortungsträger der Kirche in früheren Jahrzehnten kaum einen Blick für Betroffene von sexuellem Missbrauch hatten. Und dass sie dafür umso mehr das „System Kirche“ oder den Ruf des priesterlichen Dienstes schützen wollten. Ich kenne im Augenblick noch kein Wort und keine Inhalte von dem, was die Autoren der Studie gefunden und aufgeschrieben haben, aber ich wollte doch jetzt schon deutlich machen, dass auch Bischof Franz Xaver Eder mit einiger Sicherheit in der Reihe derer genannt werden wird, denen mangelnde Sensibilität gegenüber dem Leid der Betroffenen vorzuwerfen ist – zugunsten des Systems Kirche und der Priester, die er schützen wollte.
Freilich glaube ich, dass Bischof Franz Xaver – würde er heute noch leben – auch einen ganz anderen Blick auf diese Geschehnisse und besonders die Betroffenen gewonnen hätte. Denn dass ihm gerade der einzelne Mensch seiner Kirche wichtig war, lässt sich kaum ernsthaft bestreiten. Und dass die Wahrnehmung von so vielen, dass der Bischof auch Not gesehen und oft genug tatkräftig geholfen hat, verkehrt gewesen sein soll, lässt sich auch nicht ernsthaft behaupten. Im Gegenteil: Viele von den hier anwesenden Menschen könnten sicher viele Geschichten erzählen von Begegnungen mit Bischof Franz-Xaver Eder, die seine Menschenfreundlichkeit belegen würden. Auch der von ihm gegründete Bischof-Eder-Fonds zugunsten von Familien in Not ist ein wichtiges und schönes Beispiel dafür.
Ich hoffe also, dass wir ihm auch in Zukunft ein ehrendes, aber auch ehrliches Andenken bewahren können für all das Gute, das er bewirkt hat als Priester, als Bischof und einfach als Mensch der „Gott und den Menschen nahe“ war– so auch das Motto des Passauer Pastoralplanes. Und ich hoffe, dass wir alle miteinander auch im Sinn seines Wahlspruches weitergehen: Im Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit. Amen.
Bischof em. Franz Xaver Eder war der 83. Bischof von Passau. Er folge 1984 Antonius Hofmann als Bischof von Passau nach. 2001 trat er in den Ruhestand, am 20. Juni 2013 verstarb er in Passau. Ausführliche Informationen zu Bischof Eder finden Sie hier.
„Im Geist der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit“: Gedanken zum Wahlspruch von des verstorbenen Bischofs Eder finden Sie hier.
