Bild: Roland Kickinger

Jetzt braucht es deinen Anstoß

Die Deutsche Bischofskonferenz und die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) haben heute (24. Mai 2025) anlässlich des DFB-Pokalfinales gemeinsam mit Vertreterinnen und Vertretern des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), Fans und Ehrenamtlichen einen ökumenischen Gottesdienst in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche in Berlin gefeiert. Das Motto lautete in diesem Jahr: „Jetzt braucht’s deinen Anstoß“.

Der Einladung zum Gottesdienst folgten zahlreiche Fußballfans. Gemeinsam wurde für ein faires Spiel, für Zusammenhalt im Sport und in der Gesellschaft sowie für Frieden gebetet.

In seiner Ansprache betonte Bischof Dr. Stefan Oster SDB (Passau), Sportbischof der Deutschen Bischofskonferenz, die persönliche Verantwortung jedes Einzelnen.

Die ganze Ansprache hier zum Nachlesen.

Liebe Fußballfans, liebe Gläubige,

im Fußballstadion erleben viele von uns eine Art von großer Freiheit: Eintauchen in die vielen Fans, mit denen ich zusammen meine Mannschaft anfeuere! Jubeln und singen, was das Zeug hält, feiern bis zum Abwinken, gemeinsam trauern, wenn die Jungs verlieren. Ein Kontrollverlust im guten Sinn: Ich muss mich im Stadion nicht so benehmen, wie man sich normalerweise in einer Kirche benimmt.

Ich kann mich gehen lassen, ausflippen, meinen Emotionen freien Lauf lassen. Meinen Helden zujubeln. Ich kann mich erinnern, vor einigen Jahren, ich war schon ein paar Jahre Priester, hab damals in München gelebt. Ich stand unter dem Rathausbalkon am Marienplatz, oben standen die Spieler, die schon wieder die Meisterschaft geholt hatten. Es war zugleich der Abschied von Olli Kahn und die Menge rief wie aus einer Kehle: Olli, wir lieben Dich. Und was soll ich sagen: Ich war zwar nie der große Olli-Kahn-Fan, aber auf einmal hörte ich mich selbst singen: Olli, wir lieben Dich! Eine Art von Kontrollverlust, von Eintauchen. Und es ist einfach schön – und manchmal eben auch ein wenig hirnlos, oder? Aber was solls?!

Und dann höre ich freilich: Diese Atmosphäre, dieses großartige Gruppenerlebnis, der gemeinsame Gefühlsrausch – sie machen manchmal so hirnlos, dass bestimmte Menschen versuchen, das auszunutzen. Den Gefühlen freien Lauf lassen – auch dann oder gerade dann, wenn es gegen andere geht. Gegen die Fans der anderen, gegen die anderen mit anderer Hautfarbe, gegen die Loser-Typen, die scheinbar immer nur verlieren. Die Gruppe macht offenbar ganz stark, gemeinsame Gruppengefühle machen stark! Und sie lassen einen manchmal jeden nüchternen Blick vergessen, lassen einen Hören und Sehen vergehen. Und man sieht nur noch das Gefühl und die eigene Gruppe mit dem kollektiven Gefühl. wenn alle dafür sind und fühlen, dass die anderen doof sind oder Feinde oder gar Abschaum, dann scheint es doch nur recht zu sein, auch auf sie draufzuhauen.

Aber an dieser Stelle, meine Lieben, an dieser Stelle braucht es deinen Anstoß. Ekstatischer Jubel, wunderbar. Mitfiebern und Mitleiden mit dem eigenen Team: großartig. Aber wenn es gegen die Würde anderer Menschen geht, brauchen wir unbedingt ein Stoppschild! Und es braucht Deinen Anstoß. Du und ich, wir sind hier und sind dankbar für Fußball. Wir feiern, dass wir große Spiele erleben und oft genug selber innerlich mitspielen dürfen, mit aller Leidenschaft und allen Emotionen.

Danke, guter Gott, dass Du uns das Spiel geschenkt hast und Mitspieler und die Leidenschaft, sich mit Leib und Seele reinzuhängen und Gemeinschaft von Fans. Aber bitte gib uns bei allen Emotionen das Bewusstsein für Grenzen. Der andere Mensch ist nie einfach nur ein Gegner, oder gar ein Feind. Oder einer vom falschen Verein, oder einer mit der falschen Hautfarbe oder falschen Religion, einer vom falschen Geschlecht oder aus dem falschen Land. Der andere ist immer zuerst und vor allem ein Mensch, eine Person. Ein von Gott, dem Vater, geliebtes Gotteskind. Die Grenze ist deshalb: Keine Schmähungen und Beleidigungen, keine verbalen Entgleisungen gegen andere und schon gar keine Verletzungen. Lasst uns den Fußball feiern! Und das, was er ermöglicht. Großartigen Sport, und so viele Menschen in verbindender Gemeinschaft.

Und wenn dein Nachbar im Stadion Grenzen überschreitet, dann braucht es auch deinen Anstoß, Deinen Mut Dich zu melden, Deine Tapferkeit, vielleicht potentielle Täter zurückzuhalten oder dich an die Seite von Angegriffenen und potentiellen Opfern zu stellen. Wir lieben das Spiel und erwarten jetzt schon mit Begeisterung, dass endlich Anstoß ist. Und dass es dann hoffentlich vor allem um diesen Anstoß auf dem Spielfeld geht. Und wenn wir jetzt gleich ein Evangelium von Jesus hören, der einem Blinden abseits von der Menge die Augen öffnet. Dann ist das eine Einladung an uns, vor allem die inneren Augen auch in den leidenschaftlichsten Emotionen in der Menge immer noch offen zu halten- und nicht allzu hirnlos zu werden.

Bischof Stefan Oster SDB


Lesen Sie auch die Predigt „Was trägt? Verhältnis von Fußball und Glauben“ von Bischof Oster anlässlich des ökumenischen Gottesdienstes vor dem DFB-Pokalfinale im Jahr 2024 in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche in Berlin.