Der Verband der Diözesen Deutschlands (VDD) beriet in den vergangenen Tagen über die geplante Finanzierung des geplanten Synodalen Ausschusses. Die Bischöfe von Eichstätt, Regensburg, Köln und Passau konnten dem nicht zustimmen. Im Interview mit Wolfgang Krinninger vom Passauer Bistumsblatt erläutert Bischof Stefan Oster seine Position zum Synodalen Ausschuss.
Krinninger: Herr Bischof, über was wurde heute konkret abgestimmt? Und was sind die Folgen?
Oster: Im vergangenen Februar ist der Synodale Weg mit der letzten Synodalversammlung vorerst zu Ende gewesen. Aber die Versammlung hatte zugleich eine kleiner dimensionierte Folgeveranstaltung beschlossen: den Synodalen Ausschuss. Dieser hatte sein Ziel auch schon beschlossen, nämlich einen „Synodalen Rat“ auf der Bundesebene für die Kirche in Deutschland einzurichten – als ein neues Beratungs- und Entscheidungsgremium für die katholische Kirche in unserem Land. Den Ausschuss zu organisieren kostet Geld. Viele Bischöfe wollen, dass der Verband der Diözesen Deutschlands (VDD), der der Rechtsträger der Deutschen Bischofskonferenz ist, dafür die Mittel bereitstellt und zusätzlich neue Stellen dafür schafft. Für solche Entscheidungen des VDD braucht es aber Einstimmigkeit. Und weil es die nicht gegeben hat, ist nun nicht mehr die Deutsche Bischofskonferenz Geldgeber und „Mitveranstalter“ des Synodalen Ausschusses, sondern die einzelnen Bistümer – und gegebenenfalls eine neue Trägerstruktur. Doch das wird man sehen.
Was hat Sie bewogen, mit nein zu stimmen?
Oster: Zuerst war die Entscheidung geprägt von den Erfahrungen aus den großen Synodalversammlungen in Frankfurt. Ich habe diese nicht in dem Sinn als „synodal“ erlebt, wie das Papst Franziskus versteht. Es war jedes Mal sehr stark politisch motiviert mit klaren Zielsetzungen für sehr bestimmte Reformvorschläge – die im Kern der großen Mehrheit von Anfang an vor Augen standen. Ich bin auch zutiefst davon überzeugt, dass unsere Kirche Reformen braucht, aber ich sehe diese sehr viel stärker in der Suche nach Wegen der Vertiefung und Erneuerung des Glaubens als in der Arbeit an Reformvorschlägen, die seit Jahrzehnten zur Agenda einer Kirche in einer sich immer weiter liberalisierenden Gesellschaft gehören.
Was mir wichtig ist: Der sexuelle Missbrauch in der Kirche ist eine Katastrophe, die mich wirklich erschüttert. Daher braucht es auch systemische Veränderungen, für die es gute Impulse auch vom Synodalen Weg gibt Und tatsächlich arbeiten wir an systemischen Veränderungen auch schon länger und intensiv: Zum Beispiel durch die Einrichtung neuer Gremien wie den Beraterstab, die unabhängigen Aufarbeitungskommissionen, die Betroffenenbeiräte, durch Interventions- und Präventionsordnungen und einiges andere mehr. Wichtig ist mir aber auch, dass wir das tun, ohne das zu verändern, was ich den sakramentalen Kern unseres Verständnisses vom Menschen und von der Kirche nenne.
Dazu kam schließlich auch noch, dass vom Vatikan fortwährend deutliche Einsprüche gegen den Synodalen Weg gekommen sind. Zuletzt insbesondere das Verbot, einen Synodalen Rat einzurichten – mit der ausdrücklichen Bekräftigung des Papstes.
Im Zentrum der Kritik steht der Synodale Rat, durch den der Synodale Ausschuss vorbereitet werden soll. Warum stehen Sie diesem Gremium kritisch gegenüber?
Oster: Zunächst: In allen Diözesen gibt es längst „synodale Gremien“, also Versammlungen, in denen Kleriker und Laien miteinander beraten und Teilhabe an Entscheidungen gelebt wird. Die allermeisten wichtigen Entscheidungen, die ich treffe, etwa in Finanz- oder Personalfragen, werden miteinander in Gremien beraten und abgestimmt. Auch auf der Bundesebene haben wir solche Gremien. Für Papst Franziskus – und die ganze Tradition der Kirche – ist es aber wesentlich, dass die Bischöfe in ihrer Letztverantwortung frei bleiben. Der Synodale Rat will aber eine verbindliche und zugleich freiwillige Selbstbindung der Bischöfe an Mehrheitsvoten. Das ist von Rom deutlich kritisiert worden. Zudem: Die Zusammensetzung des Synodalen Ausschusses ist bereits jetzt schon so beschlossen, dass sich Minderheitenpositionen, die sich in wichtigen Themen der geltenden katholischen Lehre verpflichtet fühlen, noch stärker marginalisiert wissen.
Viele Menschen sind enttäuscht. Wie erklären Sie Ihnen dieses Veto?
Tatsächlich gibt es beides: Große Enttäuschung auf der einen Seite und große Dankbarkeit auf der anderen Seite. Schon nach wenigen Stunden hatte ich z. B. auf meine Social Media Kanälen hunderte dankbare Zustimmungen. Den Enttäuschten will ich sagen: Ich möchte in jedem Fall mit ihnen in der Weggemeinschaft des Glaubens und vor allem im ehrlichen Gespräch bleiben. Und ich möchte auch darum bitten, meine Entscheidung als eine Gewissensentscheidung zu respektieren, die mir alles andere als leicht gefallen ist. Was am Ende den Ausschlag gegeben hat: Dass ich der Überzeugung bin, dass die Glaubensfragen, die hinter den Reformwünschen stehen, sehr tief reichen und entscheidend sind: Es geht um unser Menschenbild und unser Verständnis von Kirche.
Wird damit der Keil nicht noch tiefer in die katholische Kirche in Deutschland getrieben?
Oster: Ja, das ist wirklich traurig. Aber im Grunde kommt auch ans Licht, was seit einigen Jahren schon da ist. Ich fühle mich auch nicht wohl angesichts der Vehemenz, mit der der Synodale Weg und seine Themen vorangetrieben wurden. Und ich habe zahlreiche Stimmen aus Rom und aus der Weltkirche vernommen, die sich große Sorgen um die Kirche in Deutschland machen. Tatsächlich glaube ich, dass eine grundsätzliche Liberalisierung in Strukturen und Themen am Ende die Selbstsäkularisierung unserer Kirche nur beschleunigen und nicht den verlorenen Glauben zurückbringen wird. Und unsere gesellschaftliche Relevanz wird auch nicht dadurch vermehrt, wenn wir in wesentlichen Fragen nichts anderes mehr zu sagen haben, als die Mehrheitsgesellschaft ohnehin erklärt. Sie kennen das Bild, in dem Jesus von dem Salz spricht, das schal geworden ist….
In der Meldung heißt es: Sie wollen den Weg zu einer synodaleren Kirche in ihren Bistümern gemeinsam und abgestimmt mit dem synodalen Prozess der Weltkirche gehen. Was bedeutet das?
Oster: Synodalität ist ein Wort, das Papst Franziskus wieder neu eingebracht hat – und das nach seinem Verständnis zum Wesen der Kirche gehört: Gemeinsam gehen. Und in der Weltkirche wird gerade eine Synode darüber organisiert, wie wir eigentlich Synodalität verstehen und leben können – als einen geistlichen Prozess und Stil des erneuerten Miteinanders von Kirche. Ich habe vorgeschlagen, dass wir nun die Ergebnisse unseres deutschen Synodalen Weges erst einmal in den Prozess der Weltkirche einbringen – und dann am Ende sehen, was wir nach den beiden Bischofssynoden in diesem und im nächsten Jahr als Ergebnis vom Papst bekommen. Und danach können wir uns neu fragen, welche Gremien, gegebenenfalls auch welche neuen Gremien braucht es, um Synodalität zu leben? Ich meine, wir sollten das nicht einfach vorwegnehmen, zumal nicht nach dem Brief aus Rom vom vergangenen Januar.
„Offenbar fehlt es bei einzelnen Diözesanbischöfen an Ernsthaftigkeit!“, so lautet eine erste Stellungnahme vom ZdK (Irme Stetter-Karp). Was entgegnen Sie?
Oster: Ich würde mir wünschen, sie hätte mir in den letzten Wochen und Monaten ins Herz sehen können – wie nahe mir das alles geht. Wie sollte ich mich ohne Ernsthaftigkeit zu einer Gewissensentscheidung durchringen, mit der ich mich dann – leider – gegen die deutliche Mehrheit meiner Mitbrüder im Bischofsamt stelle?
Es sollen alternative Finanzierungsmöglichkeiten des Synodalen Ausschusses gesucht werden. Wie bewerten Sie das?
Oster: Ich kann das noch nicht bewerten, weil ich nicht weiß, in welche Richtung es jetzt gehen wird. Klar ist aber, dass die Mehrheit der Bischöfe trotzdem einen Synodalen Ausschuss einrichten will.
Zum Synodalen Weg und Synodalen Ausschuss
Bischof Stefan hat sich bereits in der Vergangenheit mehrmals zum Synodalen Weg geäußert. Eine Stellungnahme zu den einzelnen Bereichen finden Sie hier. Mehr von Bischof Stefan zum Thema „Synodaler Ausschuss“ finden Sie hier. Die Pressemitteilung kann hier nachgelesen werden.
Comments
Hochwürdigster Herr Bischof Oster,
grundsätzlich kann ich mit Vielem, was Sie da sagen und argumentieren, mitgehen.
Aber gestatten Sie mir höflichst eine Frage. Sie sagen
„ist es aber wesentlich, dass die Bischöfe in ihrer Letztverantwortung frei bleiben.“
Auch das sehe ich grundsätzlich genauso. Aber wie steht es, so frage ich mich, um die Kehrseite der Verantwortung? Welche persönlichen Konsequenzen trägt ein Bischof für sich? Verantwortung beinhaltet ggf. auch Konsequenzen.
Ich bin jetzt seit 60 Jahren dabei, bestimmt 53 davon überblicke ich bewußt. Und mittlerweile will es mir immer weniger Freude bereiten dabei zu sein. Höchste moralische Ansprüche auf der einen Seite, gefühlt aber vor allem an andere. Wer übernimmt den die Verantwortung für den vielen Schmutz, der sich auftut? Wie sieht diese Übernahme aus? – Ich konzidiere, dass Kardinal Marx diese getan hat. Er ist die Ausnahme.
Hochachtungsvoll und mit freundlichen Grüßen
Christoph Kucharski
Sehr geehrter Herr Kucharski,
danke für Ihre Anfrage: Soweit ich sehe haben auch die Erzbischöfe Heße (Hamburg) und Woelki (Köln) dem Papst ihren Rücktritt angeboten. Bei EB Heße hat der Papst nicht angenommen, zum Rücktrittsangebot von EB Woelki hat er sich seit längerem nicht geäußert. Auch den Rücktritt von Bischof Bode (Osnabrück) hat er angenommen.
Herzlicher Gruß
SO
Verehrte Exzellenz, sehr geehrter Herr Bischof Oster,
ich danke Ihnen und Ihren drei Mitbrüdern im Bischofsamt sich dahingehend gegen einen Zeitgeist zu stellen, der vermeintlich als Heilsversprechen angesehen wird: Mitsprache und Mehrheitsvoten in allen Lebensbereichen. Ich sehe den Wert, daß ein jeder Mensch in seiner Würde und angenommen als Wesen mit guten Gedanken, Anliegen und Sehnsüchten, Gehör und Wertschätzung erfahren soll. Gerade auch wenn es um Entscheidungen von grundsätzlichem Einfluss auf sein Leben geht. Aber bereits Papst Benedikt XVI. wurde noch als Kardinal Ratzinger zitiert mit den Worten: Truth is not a matter of a majority vote. Also, die Wahrheit wird nicht von Mehrheiten bestimmt. Schauen wir auf Gott, Jesus Christus und den Heiligen Geist, so wäre unsere Kirche nie über 2000 Jahre geblieben und den Menschen Heimat, wenn es nach politischen und gesellschaftlichen Wünschen und Strömungen gegangen wäre, die von Mehrheiten oder Macht bestimmt, mal Wahrheit und Grundsätze so oder so zu ihren Gunsten auslegen. Deshalb danke ich Ihnen für die Standhaftigkeit.
Lieber Bischof Oster,
die letzten Jahre haben gezeigt, dass zu stark ausgeprägte Hierarchien ungesund und anfällig für Missstände sind – das ist in der Kirche so, in der Wirtschaft, in der Wissenschaft, der Kultur. Von daher braucht es noch öfter eine gewisse Augenhöhe. Gleichzeitig ist aber auch nicht alles gleich, gerade wenn es um essenzielle Fragen des Glaubens und des Menschenbilds geht. Ein Ringen darum, welcher Weg wirklich dem Weg Jesu entspricht, ist immer nötig. Nur wie?
Mir scheint, dass wir in Deutschland noch weit, weit entfernt sind von dem, was Sie, Bischof Oster, sehr treffend als „geistlichen Prozess“ und „erneuertes Miteinander“ bezeichnen. Ein Kirchenparlament, das straff orchestrierte Redebeiträge hervorbringt und bei dem zweimal am Tag eine Person für fünf Minuten ans Rednerpult darf, um eine Atemübung anzuleiten, ist sicher kein geistlicher Prozess. Sowas führt eher zur Verflachung des Glaubens als zur Vertiefung.
Es braucht nicht noch mehr Gremien und noch mehr Bürokratie. Ich sehe die Aufgabe von uns Christen in der jetzigen Umbruchszeit darin, den allgegenwärtigen säkularen Prozessen (die auf Wohlstand, Macht und Prestige abzielen) ganz konkrete geistliche Herangehensweisen entgegenzusetzen (unser Leben ist schließlich endlich, machen wir uns nichts vor). So könnte der Glaube an Gott gestärkt werden und ein neues Miteinander entstehen, das irgendwann (auch wenn es vielleicht noch eine ganze Weile hin ist) auch wieder ausstrahlen wird.
Stefan Baus