Bild: R. Kickinger

Ort des Segens sein – Das Haus Gottes in Engelszell

Ort der Ruhe inmitten des Weltgetriebes: Warum ein Kloster darauf hinweist, dass es mehr gibt als diese Welt. Die Predigt von Bischof Stefan Oster zur Jubiläumsfeier zu „250 Jahre Stiftskirche Engelszell“ in Engelszell 2014.

Lieber Herr Altbischof Maximilian, lieber Abt Marianus, verehrter Herr Landeshauptmann, liebe Festgäste, Schwestern und Brüder im Glauben,
warum kommt man hierher in ein Kloster, in dem Trappisten leben und wirken? Zu einem Ort der Abgeschiedenheit und der Ruhe? Man kommt hierher, weil man so etwas wie Einkehr sucht. In sich gehen, sagen wir auch.

Weil wir spüren, wir haben so etwas wie einen Innenraum, einen Seelenraum, der unerschöpflich tief und weit ist, den wir aber oft gar nicht kennen, zu dem wir bisweilen keinen Bezug haben. Wenn wir diesen Innenraum mit einem Haus oder wie Theresa von Avila sagt, mit einer Burg vergleichen, dann gibt es darin sehr viele Stockwerke, Zimmer, Räume. Und wir ahnen, dass es so etwas wie innerste Räume gibt, innerste oder tiefste Stockwerke und wir ahnen, dass es solche gibt, die irgendwie weiter draußen sind, solche von denen wir gar nicht wissen, ob sie überhaupt mit unserem Innersten in Verbindung stehen.

Ort der Leere trotz Betrieb

Wenn wir uns seelisch und geistig beispielsweise permanent in einer medialen Welt aufhalten, im Internet, im Fernsehen, in den vernetzten Welten von Computer und Handy oder wenn wir ständig in Betrieb und in Bewegung sind, dann kommt vielleicht bisweilen die Erfahrung auf, dass bei allem Betrieb, bei allem Input doch irgendetwas leer bleibt in mir, unerfüllt und unbefriedigt. Wer ehrlich zu sich ist, der ahnt: Es muss doch in meinem Leben mehr geben als nur diesen Betrieb oder nur die mediale Welt oder auch mehr als oberflächliche Beziehungen oder das Sich-abrackern in der Welt des Berufs.

Ja, vielleicht ahnen Sie auch: Es muss sogar mehr geben als die Beziehungen zu meinen Liebsten, zu meiner Familie, meinen Kindern, meinen Freunden, selbst dann, wenn diese Beziehungen ehrlich und tief sind. Wir spüren vielleicht schon, dass uns solche Beziehungen tragen und erfüllen, aber ist es nicht so, dass auch dann noch ein Rest von Unerfülltem bleibt zu einem Menschen? Eine Sehnsucht, die nicht zu stillen ist? Auch nicht von der tiefsten Liebesbeziehung?

Es muss mehr geben als diese Welt

Ist es nicht so, dass unsere Seele, unser Herz, unser Innerstes so gebaut ist, dass es von nichts ganz erfüllt wird, was es in dieser Welt gibt? Dass unsere Seele ahnt: es muss mehr geben, als nur diese Welt? Und ist es nicht so, dass uns dieser Gedanke, diese Erfahrung auch Angst einjagen kann?

Denn wenn ich diese Unerfülltheit spüre, kann ich es schon als Aufforderung zur Einkehr verstehen, aber was, wenn dort, wo ich mich hinkehre, in mir selbst, dennoch alles leer ist, dennoch öde ist oder wenn dort die Dämonen einer unaufgeräumten Vergangenheit warten? Alte Rechnungen, unbeglichene Schuld, vielleicht gar die berühmten Leichen im Keller der eigenen Seele? Dann will ich doch da gar nicht hin! Dann bleibe ich vielleicht doch lieber draußen und lass den Betrieb und die Ablenkungen doch rastlos weitergehen…

Das Kloster als Ort inneren Lebens

Oder ich finde einen Ort wie Engelszell, ein Kloster, in dem Mönche wohnen, die Erfahrende des inneren Lebens sind, besonders Erfahrene, weil ihr geistiger und geistlicher Innenraum der Umgang mit den eigenen Tiefen und darin der Umgang mit dem ist, den sie bei sich wohnen lassen. Es ist ein Ort, wo Menschen entdecken können, dass der Abgrund in ihrer eigenen Seele gar nicht so leer oder tief oder mit Negativem besetzt sein kann, dass es darunter nicht doch noch einmal ein helleres, tieferes, schöneres Licht aufleuchten würde.

Es ist ein Ort, wo kundige Seelenführer den Menschen helfen können, der Spur dieses Lichtes im eigenen Innen zu folgen. Lieber Abt Marianus, ich danke Ihnen und Ihren Mitbrüdern von Herzen, dass ich als Salesianer Don Boscos schon mehrmals Ihre Gastfreundschaft teilen und hier im Haus zusammen mit Ihnen ein Gottsucher sein durfte und einer, der Einkehr sucht. Bei meinem letzten Exerzitien-Aufenthalt habe ich übrigens bei Pater Nivard die Beichte abgelegt, bei jenem gütigen, leisen, tiefen Mann, der erst vor wenigen Wochen nach über 70 Professjahren von uns gegangen ist.

Beten um Berufungen

Das waren noch Zeiten, als der Passauer Bischof ein Fürstbischof war und ein weit nach Österreich ausgedehntes Bistum verwaltete. Damals, vor 250 Jahren hieß mein Vorgänger Fürstbischof Graf Leopold Ernst von Firmian und er durfte dieses wunderschöne Gotteshaus im Jahr 1764 konsekrieren. Ich weiß nicht, ob er gerne hierher gekommen ist, um bei den Brüdern Einkehr zu halten.

Ich jedenfalls hab Freude an dem Gedanken, dass meine Zeit der Einkehr vor knapp drei Jahren nicht mein letzter Besuch in diesem Sinne hier gewesen sein soll. Natürlich weiß ich, dass der Konvent personell durch nicht leichte Zeiten geht, aber wir bitten ganz besonders heute aus diesem schönen Anlass, dass der Herrgott diesem Kloster neue Berufungen schenken möge.

Einen geistlichen Ort schaffen

Wir wissen als geistliche Menschen, dass es wichtig ist, nicht nur Orte wie diesen zu haben, sondern besonders auch Menschen, die diesen Ort eben zu einem geistlichen Ort machen, zu einem Ort mit einem besonderen Genius Loci. Es sind die Menschen, die im eigentlichen Sinne Geistträger sind und diese Ausstrahlung auch einem Ort mitgeben und so mitprägen.

Wir haben in der ersten Lesung gehört, wie uns der Prophet Ezechiel von einem Tempel im neuen, vielleicht im himmlischen Jerusalem berichtet. Von diesem Tempel fließt Wasser aus, erst ein kleiner Bach, dann allmählich ein anschwellender Strom.

Sie halten den Himmel offen

Und entlang des Stromes ist Fruchtbarkeit, Wachstum, Gesundung. Ich bin sicher, wenn in einer Kirche, an einem Ort fortwährend gebetet wird, wie bei Ihnen, liebe Mitbrüder des Trappistenordens, dann geht davon eine Wirkung aus, eine Art unterirdischer Segensstrom, den man im täglichen, oberflächlichen Betrieb gar nicht spürt.

Aber ich bin sicher, uns werden im Himmel einmal die Augen aufgehen, wenn die Dinge offen liegen und wir sehen dürfen, wem Ihr fortwährendes Gebet alles gedient hat. Sie halten den Himmel offen – und dafür bin ich dankbar.

Ort des Segens sein

Im Evangelium haben wir gehört, wie Jesus zornig wird, streng wird, ja sogar gewalttätig. Er sorgt sich um das Haus Gottes, um das Haus des Vaters, in dem der Vater und sonst niemand angebetet werden soll. Es soll keine Markthalle und noch weniger eine Räuberhöhle sein, es soll um Gott gehen, um den Vater, damit er durch diesen Tempel, durch diesen Ort des Gebets und durch die Menschen, die hier beten, eine Art Einfallstor seines Geistes, seiner Liebe in die Welt findet.

Wir wollen heute den Herrn anflehen, dass er seinen feurigen Eifer auch für dieses konkrete, wunderschöne Haus Gottes in Engelszell, für diese Stiftskirche einsetzen möge, damit dieser Ort hier weiterhin erfüllt bleiben möge von Geistträgern, damit der Ort weiter segensreich ausstrahlen kann, ob erkannt oder unerkannt und damit viele Menschen hierher kommen und Einkehr halten können, bei sich selbst und bei dem, der alles trägt und erfüllt. Ihm sei die Ehre und der Lobpreis für immer, aber ganz besonders hier und heute in Engelszell. Amen.