Foto: © Synodaler Weg/Maximilian von Lachner

Statements zu den Handlungstexten bei der fünften Synodalversammlung

Von 09. – 11.03.2023 fand im Frankfurt am Main die fünfte Versammlung des Synodalen Wegs der Kirche in Deutschland statt. Bischof Stefan Oster äußerte sich bei der Aussprache zu drei einzelnen Handlungstexten (Segensfeiern für Paare, die sich lieben; Umgang mit geschlechtlicher Vielfalt; Gemeinsam beraten und entscheiden) in den folgenden drei Statements. Dazu war Bischof Stefan eingeladen, beim abschließenden Gottesdienst im Frankfurter Dom St. Bartholomäus auch noch einen kurzen Eindruck/Impuls zu geben.

1. Statement

Papst Franziskus hat die Kirche als Feldlazarett bezeichnet und sie eingeladen, sich auch von der Welt und der Begegnung mit den Menschen verwunden und verbeulen zu lassen. Dieser Ruf gilt uns als Menschen der Kirche, allen. Liebesfähig ist, wer sich auch verwunden lässt. Gleichzeitig ist der Mensch der Kirche berufen, selbst Sakrament zu sein – und immer mehr zu werden – insbesondere im Leben seiner Beziehungen, die auch sexuelle Gemeinschaft einschließen. Dazu gehört auch das Ineinander von Wahrheit und Liebe. Deshalb glauben wir, dass es beim Segen der Kirche für Paarbeziehungen um die Hinordnung auf das Ganze leibseelischer Gemeinsamkeit, Partnerschaft und Fruchtbarkeit geht. Der vorliegende Text ist im Sinne einer begleitenden Pastoral gemeint, und darin haben wir tatsächlich Lernbedarf. Aber weil der Text alle möglichen denkbaren Paarbeziehungen einschließt und wir keinen zugehörigen theologisch-anthropologischen Grundtext haben und auch die nötigen Differenzierungen fehlen, eröffnet er tatsächlich auch die Tür zur Beliebigkeit und ist m.E. nicht zustimmungsfähig.

2. Statement

Dass wir als Kirche riesigen Nachholbedarf haben in den vielen Fragen rund um geschlechtliche Identität von Menschen, steht außer Frage. Auch und besonders im achtsamen Gehen mit Menschen, die sich hier nicht verstanden oder ausgegrenzt fühlen. Meines Erachtens sind wir auf der Basis unserer überlieferten Anthropologie beim Verstehen der genannten Phänomene erst am Anfang. Wir sprechen beispielsweise wie von selbst über Begriff „Identität“ – als würden wir alle schon verstehen, was wir damit meinen. Im vielfachen, ernsthaften Gespräch mit queeren Menschen ist mir das sehr deutlich geworden. Und wir fügen im Grunde dann so gut wie nie hinzu, dass gerade unser Christsein das Hineinwachsen in eine spezifische, eine neue Identität bedeutet. Nach Jesus sind wir berufen, neu geboren zu werden oder mit Paulus, neue Schöpfung in Christus zu sein. Und was eine solche existenzielle christliche Identitätserfahrung mit alledem macht, was dann auch noch beiträgt zur Identitätsfindung von Menschen, ist meines Erachtens auch im vorliegenden Text noch nicht einmal angedacht. Ich halte ihn daher noch nicht für zustimmungsfähig.

3. Statement

Aus meiner Sicht ist Synodalität ein überaus wesentlicher Aspekt, den Papst Franziskus in die Weltkirche neu eingebracht und darin eine neue Dynamik entfaltet hat. Ich durfte 2018 bei der Bischofssynode über die Jugend auch tiefer verstehen, was er mit Synodalität meint. Ich gehe auf diesem Weg sehr gerne mit und nehme für mich auch in Anspruch, in meinem Bistum Synodalität zu leben und weiterzuentwickeln. Allerdings erlebe ich hier auf dem synodalen Weg bei uns eine Art von Synodalität, die in meinen Augen in nicht wenigen Punkten im Widerspruch zu dem Verständnis des Papstes steht. Die beiden Appelle am Nachmittag von den beiden Präsidiumsmitgliedern haben diesen Eindruck noch einmal deutlich bestätigt – ebenso wie das Statement von Thomas Söding vorhin.

Zudem hat uns der Papst im Blick auf diese Versammlung eine klare Weisung gegeben, an die ich mich gebunden fühle. Ich werde also darauf warten, was die Bischofssynode auf der Weltebene zum Thema ergibt und dem hier vorgelegten Text nicht zustimmen.

4. Abschließender Kurzimpuls

Liebe Geschwister im Glauben, liebe Synodale,

die allermeisten von Ihnen wissen, dass ich skeptisch bin im Blick auf einige Schlüsseltexte, die der Synodale Weg verabschiedet hat. Natürlich glaube ich, dass unsere Kirche dringend Erneuerung braucht, und ja auch systemische Erneuerung. Und wir sind ja überall intensiv dabei, im System konkrete Änderungen institutionell zu implementieren. Aber noch mehr brauchen wir Erneuerung des Glaubens, Vertiefung des Glaubens, Stärkung des Glaubens. Und die Tatsache, dass es bei unseren fünf Synodalversammlungen um speziell dieses Thema im Grunde gar nicht ging, zeigt auch, dass wir hier strukturelle Probleme haben; aber zugleich spüren wir auch eine gewisse Hilflosigkeit – gerade im Blick auf das, was Papst Franziskus mit Evangelisierung meint. Und daher wird es wohl auch nach dieser Synodalversammlung noch lange dauern, bis wir sagen könnten: Die Kirche hat ihre Krise überwunden. Und trotzdem: Ich will unbedingt weiter festhalten an jenem Glauben des Gottesvolkes, der heute in der Lesung im Buch des Propheten Micha zum Ausdruck kommt. Dass Gott bei uns bleibt, mit uns geht und dass er immer wieder Erbarmen hat mit uns. Und ich will nicht aufhören, auch denen, die in unserer Kirche anders denken und glauben als ich, zu unterstellen, dass auch sie Gutes für diese Kirche wollen.


Zum Synodalen Weg

Bischof Stefan hat sich bereits in der Vergangenheit mehrmals zum Synodalen Weg geäußert. Eine Stellungnahme zu den einzelnen Bereichen finden Sie hier.