Bild: Susanne Schmidt

Predigt zum Abschied von Konrad Niederländer

Am 31.12. beendet Konrad Niederländer seinen Dienst als bischöflicher Beauftragter für die Caritas Passau und tritt seinen wohlverdienten Ruhestand an. Zum Abschied feierte Bischof Oster einen Gottesdienst und würdigte in seiner Predigt das Wirken des Diakons.

Lieber Herr Niederländer, lieber Herr Seiderer, liebe Anghörige von Herrn Niederländer und Herrn Seiderer, liebe Frau Anderlik, liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Caritas aus dem DiCV, aus den Kreis- Orts- und Pfarrverbänden, verehrte Fest- und Ehrengäste, Schwestern und Brüder im Glauben alle,

Sie haben, lieber Herr Diakon Niederländer, die Texte der Hl. Schrift für diesen festlichen Gottesdienst in unserem Dom, selbst ausgewählt. Und ich muss sagen, sie haben mich zunächst irritiert, als ich sie mir gestern vorgenommen habe, um mich auf diese Predigt heute vorzubereiten. Ich hatte nämlich erwartet, es wären Texte, die besonders die Caritas betonten, den Aspekt des Dienstes am Menschen, vor allem an denen, die in Not sind. Tatsächlich aber geht es in beiden Texten vor allem um die rechte Selbstsorge und das rechte Verhältnis des einzelnen Menschen zu Gott. Der Abschnitt aus der ersten Lesung stammt aus dem ersten Thessalonicher Brief, dem ältesten Dokument des Neuen Testaments. Darin geht es um die Aufforderung, sich jederzeit zu freuen, ohne Unterlass zu beten und sich von Gott heiligen zu lassen, um vorbereitet zu sein, wenn der Herr wiederkommt. Ich habe mich gefragt, ist es ein Appell an Sie selbst, ein Programm für den Ruhestand, Vorbereitung auf die letzten Dinge?

„Denn der Vater im Himmel wird schon sorgen für die Seinen, vor allem um die, die sich zuerst um sein Reich kümmern.“

Und im Evangelium dann der Abschnitt aus der Bergpredigt, in der Jesus mahnt, dass wir uns nicht sorgen sollten, um so ganz basale Dinge wie Leben, Essen oder Kleidung. Denn der Vater im Himmel wird schon sorgen für die Seinen, vor allem um die, die sich zuerst um sein Reich kümmern. Außerdem dürfe nicht der berühmte Mammon die Herrschaft haben, sondern Gott. Auch wieder ein ziemlich steiler Text – so wie die gesamte Bergpredigt – und sehr herausfordernd wie jeden von uns. Aber um die Caritas im engeren Sinn geht es hier auch nicht, oder doch?

Auf den zweiten Blick würde ich sagen: Doch, natürlich geht es auch um die Caritas. Aber in einem Sinn, der Ihnen, lieber Herr Niederländer immer wichtig war: Es geht um die Grundlage, es geht um die Verankerung im Eigentlichen. Es geht um das spezifische Profil der Caritas im Konzert der Wohlfahrtsverbände bei uns – oder wenn ich es mit dem Symbolbild des Caritas-Logos verbinden mag: Es geht um das Flammenkreuz. Ihnen war es in den letzten acht Jahren immer wichtig, auf diese so wesentliche Verankerung hinzuweisen. Caritas ist, von ihrem Ursprung her, ein Werk der Kirche; ein Werk, das aus dem Glauben an den auferstandenen Christus lebt.

„Weil sie verstanden haben, dass ihr Erlöser der Erlöser aller Menschen ist.“

Schon den Christen der ganz jungen Kirche war es bewusst, dass ihr Jesus der Christus war und ist, der für alle Menschen gestorben ist, weil Gott alle Menschen liebt – ohne Ausnahme. Und weil er jedes seiner menschlichen Geschöpfe meint und persönlich kennt. Die ersten Christen waren dann auch für andere Menschen in diesem multireligiösen Umfeld der Antike vor allem auch deshalb attraktiv, weil sie sich um die Alten gekümmert und sie nicht einfach haben sterben lassen; weil sie ausgesetzte Kinder aufgenommen und ihnen das Leben gerettet haben; weil sie ein Herz hatten für die Armen und die Kranken. Aber sie haben es eben deshalb getan: Weil sie verstanden haben, dass ihr Erlöser der Erlöser aller Menschen ist. Sie haben es oft auch unter hohem Risiko und Verfolgung getan. Gott war ja auf ihrer Seite: „Kümmert euch zuerst um mein Reich und meine Gerechtigkeit sagt er in der Bergpredigt – und alles andere wird euch dazu gegeben werden.“

„Was fehlt, wenn Gott fehlt?“

„Was fehlt, wenn Gott fehlt?“ – so fragen in jüngster Zeit immer mehr Menschen angesichts der Krisen der Welt und der Krisen der großen Kirchen, dem Mitgliederschwund und dem Glaubensschwund. Aus jüngsten Untersuchungen wissen wir, dass Menschen, die sich einer christlichen Kirche verbunden wissen, signifikant höher im Ehrenamt für Kirche und Gesellschaft engagiert sind. Und wir sehen diese Ehrenamtlichen bei uns auch in den vielen Bereichen, in denen die Caritas aktiv wirkt. Was fehlt also, wenn Gott fehlt? Wenn Gott fehlt, werden viele fehlen, die von Gott her ein großes Herz für die anderen haben.

Sie, lieber Herr Niederländer, waren und sind auch als Diakon ein sichtbares Zeichen für diese Verbindung und ihre Einheit: der Glaube an Christus, die menschgewordene Liebe Gottes, führt zum Dienst an den anderen, besonders den Verwundeten und Verwundbaren. Und Sie haben immer dafür gekämpft, dass die Caritas nicht einfach ein gut organisierter Sozialkonzern wird, sondern eben diese Verbindung zur glaubenden Kirche hält und pflegt. Und Sie sind damit immer neu der Gefahr und der Versuchung begegnet, dass sich die Caritas nicht zuerst der Logik des Marktes und des Mammons unterwirft, sondern zuerst und vor allem Dienst der Kirche an den Menschen bleibt. Auch wenn das – zugegeben – in Zeiten wie diesen ein immer schwierigeres Unterfangen wird. Aber dafür danke ich Ihnen von Herzen.

„Dafür danke ich Ihnen von Herzen“

Sie haben – als Sie vor acht Jahren in den Vorstand unseres Diözesanverbandes eingetreten und bischöflicher Beauftragter geworden sind – auch eine Befriedung in den Verband gebracht, der zuvor durch eine nicht ganz leichte Zeit gegangen war. Sie haben – so erlebe ich es zumindest von außen – einen menschlichen, wertschätzenden und verbindlichen Führungsstil gepflegt und konnten so auch schnell wieder Vertrauen im Verband gewinnen, aber auch darüber hinaus hin zu den vielen wichtigen Partnern der Caritas in Gesellschaft und Politik. Sie waren in den vergangenen Jahren ein oder beinahe das Gesicht unserer Caritas auch in Krisen- und Katastrophenzeiten.

Und Sie stehen und standen für schnelle und unbürokratische Hilfeleistung. Denken wir an die Hochwasserhilfen, an den Beistand für Menschen auf der Flucht durch die Caritas oder an die Unterstützung von Menschen in der Corona-Zeit durch unsere Mitarbeitenden im Haupt- und Ehrenamt und durch unsere Einrichtungen. Unter Ihrer Führung konnte der DICV mit Unterstützung des Bistums auch ein Trägermodell für inzwischen über 100 Kindertagesstätten aufbauen, so dass nicht wenige Pfarrer und ehrenamtliche Kirchenpfleger eine sie nicht selten überfordernde Trägerverantwortung abgeben konnten – und dann in immer noch kirchliche Hände abgeben konnten. Da ist wirklich viel passiert in den letzten Jahren. Und Sie, lieber Herr Niederländer, haben zurecht immer wieder betont, wie wichtig Kitas für uns als Kirche sind. Wiederum nicht als Selbstzweck für die Kirche, sondern als Möglichkeit, Kinder und ihre Familien mit dem Evangelium von Jesus in Berührung zu bringen – und um ihnen so eine so wesentliche Ressource für ein gelingendes Leben zu schenken.

Ihr Nachfolger, Stefan Seiderer, war an Aufbau und Entfaltung dieser Trägerstruktur für Kitas wesentlich beteiligt. Freilich nicht nur im Äußeren, sondern auch im Inneren – in der Sorge um die Qualitätsentwicklung und in der Bildung und Weiterbildung unserer vielen Fachkräfte in den Kitas. Dieser wichtige Dienst, lieber Herr Seiderer, und wie Sie ihn als Leiter einer so großen Abteilung sowohl nach innen wie nach außen in Kooperation mit vielen Stellen ausgeübt haben, hat uns dann auch veranlasst, Sie als Nachfolger von Herrn Niederländer auszuwählen. Danke, von Herzen, dass Sie zugesagt haben, in seine Fußstapfen einzutreten.

„Es sind Menschen, die auch Zeugnis geben von den vielen anderen so wichtigen Diensten, die unsere Caritas leistet.“

Lieber Herr Niederländer, ich freue mich sehr über die vielen Menschen, die heute gekommen sind, um Ihnen zu Recht für Ihren guten und treuen Dienst zu danken. Es sind Menschen, die auch Zeugnis geben von den vielen anderen so wichtigen Diensten, die unsere Caritas leistet, und die ich in dieser Ansprache nicht erwähnt habe – aber für die wir alle überaus dankbar sind in diesen Zeiten. Ich selbst bin Ihnen auch sehr dankbar für unser gutes und vertrauensvolles persönliches Verhältnis – wie auch über Ihren Beitrag zu einer gelingenden Gesprächskultur in unseren Leitungsgremien, in denen Sie beteiligt waren. Eine solche Nähe von verfasster Kirche und Caritas in ihrer ganzen komplexen Struktur ist nicht automatisch selbstverständlich – das weiß ich auch von Erfahrungen in anderen Bistümern.

„Ich selbst bin Ihnen auch sehr dankbar für unser gutes und vertrauensvolles persönliches Verhältnis.“

Und, lieber Herr Niederländer, wie sich das für einen Diakon der Kirche gehört: Es hört für Sie ja nicht einfach auf mit dem Engagement: Sie sind Pfarrgemeinderat in der Pfarrei Waldkirchen, Sie sind weiterhin Mitglied im Pfarrcaritasverein Waldkirchen, Sie sind Ritter vom Heiligen Grab in Jerusalem, Sie sind Sprecher der Ständigen Diakone im Bistum und Sie bleiben als Diakon ja auch im Einsatz für den Pfarrverband Waldkirchen. Sie haben aber auch Kinder und Enkelkinder und freuen sich, wie Sie uns gesagt haben, auf mehr Zeit mit der Familie. Die gönnen wir Ihnen von Herzen. Von Ihrer lieben Frau Christiane haben wir erfahren, dass Sie wohl den Jakobsweg nach Santiago de Compostela noch einmal anpacken wollen. Zu Fuß wohlgemerkt. Und da haben wir uns gedacht: Erstens so ein Band, der in schönen Bildern und Texten Appetit machen kann auf so einen Weg. Das wäre doch ein Geschenk. Und zweitens der passende Pilgerstab für den Weg, der sicher nicht ohne Beschwerden verlaufen wird.

Und damit schließt sich auch wieder ein Kreis zum Anfangsgedanken von der Wiederkunft des Herrn. Auch Ihr Weg, Herr Niederländer, durch die Caritas war ja ein Pilgerweg: Im Vertrauen darauf, dass Gott unsere Wege mitgeht, lassen wir uns führen mit den Gaben und Aufgaben, die er uns gibt. Aber wir Christen sagen nicht einfach „Der Weg ist das Ziel“ – wir sagen: Wir dürfen die Gewissheit haben, dass auf all unseren Wegen das Ziel schon geheimnisvoll anwesend ist. Aber wir sind voller Hoffnung, dass sich dieses Ziel uns einmal offenbaren wird als schöner, als tiefer und als glückseliger machend als alles, was wir in dieser Welt erträumt haben.

Und beides, die Anwesenheit des Ziels in uns und unter uns und die Aussicht auf das große Finale halten uns Christen in der Freude. Sie motivieren uns weiterzugehen auch wenn Schwierigkeiten kommen. Sie lassen uns nicht aufhören, Menschen in Not beizustehen. Und sie machen uns dankbar, dass wir Gemeinschaft der Glaubenden sind und sein werden – was auch kommen mag. Danke von Herzen, lieber Herr Niederländer, dass Sie ein Zeuge dieser Hoffnung waren und sind, in der Kirche von Passau und in der Caritas dieser Kirche von Passau.

Der ganze Artikel auf der Homepage des Bistums.

Die Predigt auch hier zum Nachhören:


Hören Sie auch die Predigt von Bischof Stefan Oster vor Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Caritas Passau am 8. Dezember 2016: Caritas – mehr als Sozialarbeit