Bild: Pressestelle Bistum Passau

Wem gilt der Altar in deinem Herzen?

So wie in jeder Kirche ein Altar steht, haben wir einen Altar in unserem Herzen. Wem gilt er? Die Predigt von Bischof Stefan Oster zur Altarweihe in Erlach 2014.

Liebe Schwestern und Brüder im Glauben,
es ist ein schöner Zufall, dass das Fest Ihrer Altarweihe hier in Erlach auf einen Tag fällt, an dem die ganze Kirche des Weihetages der Lateranbasilika in Rom gedenkt. Der Lateran in Rom ist der erste und ursprünglichste Sitz der Päpste. Die Kirche ist den beiden Johannes – dem Täufer und dem Evangelisten – geweiht. Und sie hat den Ehrentitel „Mutter und Haupt aller Kirchen“. Ihr Weihetag und die damit verbunden Texte geben Anlass darüber nachzudenken, wer oder was Kirche ist; und heute und hier auch besonders darüber, was ein Altar in einer Kirche und in unserem Leben bedeutet.

Ist es für uns Katholiken nicht so, dass im Grunde eine Kirche erst durch einen Altar zu einer Kirche wird? Freilich wird man sagen: der Tabernakel ist sehr wichtig, als Ort der Aufbewahrung des Allerheiligsten. Aber erstens ist der Tabernakel oft mit dem Altar, nämlich dem Hoch- oder einem Seitenaltar verbunden, und zweitens kann man sowohl das Allerheiligste wie auch den Tabernakel in der Regel schnell entfernen. Der Altar aber steht fest im Boden verankert.

Ohne Altar keine Kirche

Für die feierliche Weihe eines Altars gibt es daher auch einen großartigen, eigenen Ritus. Der Altar wird für uns in der Kirche der eigentliche Ort derjenigen Feier, die „Quelle und Höhepunkt des ganzen kirchlichen Lebens“ ist – wie das letzte Konzil gesagt hat: der Eucharistie. Hier auf dem Altar ereignet sich wieder und wieder die dichteste Form der Gegenwart Gottes in der Hl. Messe. Hier auf dem Altar wird das Opfer der Hingabe Jesu gefeiert. Eine Kirche ohne Altar ist daher aus unserer Sicht nur schwerlich ein Gebäude, das den Namen Kirche verdient.

Und wir kennen ja auch Kirchen und Kapellen, in denen das Allerheiligste nicht im Tabernakel aufbewahrt wird, weil dort die Hl. Messe nur mehr selten gefeiert wird, aber dann steht in aller Regel dennoch auch in solchen Kirchen ein Altar.

Das Wasser fließt vom Altar

Die erste Lesung hat uns eine Vision des Propheten Ezechiel vor Augen gestellt. Der Prophet wird in seiner Schau in das neue Jerusalem geführt und dort zum Tempel; und aus dem Tempel fließt eine Quelle, ein allmählich anschwellender Strom, der heil macht und gesund, der das Leben erblühen und Früchte wachsen lässt. Und das Wasser fließt auch vom Altar her – auf dem im Alten Testament die Opfer verbrannt wurden.

Das fließende Wasser ist vor allem im Neuen Testament ein Bild des Heiligen Geistes. Es lässt sich vielleicht so deuten: Dort, wo Menschen sich immer neu gemeinsam lobend, betend, bittend, opfernd auf Gott beziehen, davon geht Segen aus und davon geht der Geist Gottes aus, der ein Gemeinwesen heilt und heiligt und gesund macht.

Durch Wandlung neu werden

Liebe Schwestern und Brüder, wir feiern auf diesem Altar das Heilige Messopfer. Wenn wir es so feiern, dass wir uns wirklich mit unserem Glauben und unserem Leben da hinein nehmen lassen, wenn wir glauben, dass der Herr wirklich gegenwärtig ist und dass Wandlung geschieht, damit auch wir neu werden, damit wir uns wandeln lassen in Menschen, die Gott und einander lieben, dann geht auch von Ihrem Altar hier in Erlach der Segen aus. Für viele und für Ihre Gemeinde. So möge es auch sein.

Die zweite Lesung hilft uns, diesen Gedanken noch weiter zu vertiefen. Sie ist sehr tief und sie ist auch streng. Sie spricht nun davon, dass Kirche mehr ist als ein Haus aus Stein mit einem Altar aus Stein. Kirche, Gottes Bau, sagt Paulus, das sind wir. Der Grund, auf dem alles andere aufgebaut ist, auf dem der ganze Tempel steht, der Grund ist Christus selbst. Er ist der liebende Gott mit uns, er ist das lebendige Opfer für uns, er ist der Auferstandene, aber er ist auch der Richter, der kommen wird.

Ihr seid Tempel Gottes

Auf ihm baut sich im Grunde unser inneres, christliches Leben auf. Und von ihm kommt die Heiligkeit unserer eigenen Seele. Paulus sagt also in der heutigen Lesung: „Wisst ihr nicht, dass ihr Gottes Tempel seid und der Geist Gottes in euch wohnt? Wer den Tempel Gottes verdirbt, den wird Gott verderben. Denn Gottes Tempel ist heilig, und der seid ihr.“

Wie lässt sich das verstehen? Ein kurzer Versuch dazu: Wir alle haben in unserem Leben, Sprechen und Handeln selbstverständliche Überzeugungen. Manchmal liegen die offen da, manchmal sind sie verborgen und wir wissen gar nicht mehr, dass sie unser Handeln leiten.

Prägungen seit frühester Kindheit

Wenn Ihnen zum Beispiel als kleinem Kind vielfach eingebläut worden ist, „das oder jenes tut man nicht“, dann sitzt es vielleicht so tief, dass Sie selbstverständlich danach handeln, obwohl Sie es vielleicht gar nicht selbst durchdacht haben. Oder vielleicht haben Sie Geschwister und eines von Ihnen ist immer ein wenig mehr anerkannt worden als Sie, so dass es in Ihrem Innenleben einen heimlichen Antrieb gibt, endlich einmal die Anerkennung Ihres Vaters oder Ihrer Mutter genauso zu bekommen, wie das Geschwisterkind. So etwas und vieles mehr kann sich früh und tief einprägen und unser Handeln mitbestimmen.

Oder Sie kennen Ängste vor dem Urteil anderer, weil Sie in irgendeinem Bereich einmal eine empfindliche Blamage erlebt haben oder einen Komplex entwickelt haben wegen eines physischen oder psychischen Merkmals, das Sie als Nachteil empfinden – und ähnliches mehr. Vermutlich gibt es im Grund unserer Seele viele, viele Motive, die unser Handeln antreiben, von denen wir gar nicht wissen oder auch nicht wissen wollen.

Bewusst gewonnene Überzeugungen

Oder es sind auch tatsächliche, bewusst gewonnene Überzeugungen, die Sie sich im Laufe Ihres Lebens angeeignet haben, beispielsweise, dass es im Leben darauf ankommt, etwas zu leisten – und das auch durch Besitz oder eine gesellschaftlich wichtige Position bestätigt haben zu wollen. Oder auch solche, die echte Werte in sich tragen: die Einsicht, dass es wichtig ist, wahrhaftig und solidarisch zu sein, beispielsweise. Der Mensch, Schwestern und Brüder, ist ein eigenartiges, komplexes Wesen, und allzu oft kennen wir die Gründe gar nicht, aus denen wir handeln.

Und warum sage ich das an einem Tag der Altarweihe? Weil Paulus darauf hingewiesen hat, dass wir in unserem Innenleben selbst ein Tempel sind. Gott will in uns wohnen und er will uns froh und frei machen und voller Vertrauen, Hoffnung und Liebe. Aber wie geht das, wie kann er das? Er kann es, wenn in einem Bild gesprochen, in unserem Seelenhaus auch ein Altar steht. Ein Altar als Bild für das, was am tiefsten und am festesten in unserem Inneren steht, gleichsam der innerste Grund unserer Überzeugungen, der, der alle anderen Motive, Einsichten, Überzeugungen ordnet und ausrichtet.

Vom Innersten her angetrieben

Viele Menschen haben etwas, was Sie im Innersten antreibt. Mancher Sportler etwa richtet sein ganzes Leben darauf aus, Olympia zu gewinnen – und bei so jemandem liegt bisweilen das Ziel so tief eingegraben, dass es dann auch in sein Leben mit den Mitmenschen oder in seine übrigen Überzeugungen hineinfließt und alles andere danach ausrichtet. Dieses Ziel ist dann gleichsam sein innerer Hochaltar. Auch Politiker oder Künstler, die von Ihrer Sendung beseelt sind, haben oftmals so einen inneren Fixpunkt, so einen Altar ihrer Seele, der alles andere beeinflusst und nach dem sich alles andere richtet.

Bisweilen ist es faszinierend, Menschen mit solcher Leidenschaft zu erleben, bisweilen befremdet es auch, weil wir fragen, ob der Umgang mit dem „Rest der Wirklichkeit“ dann auch im rechten Lot ist. Liebe Schwestern und Brüder, wenn wir im Sinn des Paulus wirklich selbst Kirche, selbst Tempel Gottes sind, dann haben auch wir in unserem Herzen einen Altar, auf dem sich uns der geopferte und auferstandene Christus uns schenkt. Ja, in gewissem Sinn ist er selbst dieser Fixpunkt, dieser Altar, dieser feststehende Grundstein oder der Eckstein, der den ganzen Bau zusammenhält. Alles das sind in der Schrift Bilder für Christus. Und wenn der Priester beim Einzug in die Kirche den Altar küsst, dann auch deshalb, weil der Altar selbst für Christus steht.

Der Altar des Herzens

Die Frage an uns alle wäre dann: Wie sehr ist Christus der alles begründende, innere Grund, von dem alles andere unseres Lebens durchwaltet wird, wie sehr ist er der Altar unserer inneren Kirche? Oder gibt es da noch jede Menge andere Altäre, den einen oder anderen Götzen in uns, die eine oder andere Angst, die uns bindet, manche ungeordnete Leidenschaft, die viel zu viel Raum einnimmt? Mancher Handlungsantrieb, der nicht aus ehrlicher, innerer Wahrhaftigkeit kommt?

Alles Dinge, Schwestern und Brüder, die auch verhindern können und wollen, dass er das Zentrum wird, der innerste feste Haltepunkt, der Altar. Aber ich darf Ihnen versichern, je mehr Christus wirklich die Mitte Ihres Seelenlebens wird, der, den Sie mit einem Wort der Schrift über alles lieben dürfen und sollen, dann wird Ihr Leben tief und frei und froh, dann nimmt er Ängste, dann bringt er vielleicht auch Überzeugungen durcheinander, indem er sie neu orientiert. Aber insgesamt macht er damit unser Leben neu, er gründet es neu und tief. Paulus sagt: „Wer in Christus gründet, der ist eine neue Schöpfung.“

Falsche Altäre austreiben

Wir haben schließlich im Evangelium einen zornigen Jesus gesehen, der die Händler aus dem Tempel getrieben hat: Der Tempel ist das Haus seines Vaters. Er, der jede Anbetung verdient, soll hier verehrt werden und nichts sonst. Glauben Sie mir, liebe Schwestern und Brüder, derselbe Eifer, den Jesus hier an den Tag legt, hat er für Ihre und meine Seele.

Er will die falschen Altäre, die oft nur Tische von Geldwechslern sind, aus uns austreiben. Er will selbst der Grund unseres Lebens sein. Dafür ist er ja aus Liebe gestorben, dafür hat er sich verzehrt, wie das Feuer, das gleich auf dem Altar verbrennt.

Wofür brenne ich?

Liebe Schwestern und Brüder, wenn wir nun also in Ihrer schönen Kirche hier in Erlach diesen Altar weihen dürfen, dann lade ich Sie alle ein: Lassen Sie sich diesen Altar immer neu zur Erinnerung werden für die Frage: Welches sind die Altäre in meinem inneren Haus, wofür brenne ich?

Und wenn Sie spüren, da gibt es auch manches, was der Läuterung, der Reinigung bedarf, dann laden Sie immer neu unseren Herrn selbst ein, Ihr tiefster Seelengrund zu sein, der Altar, der so fest in Ihnen steht, dass er nicht mehr zu entfernen ist und Ihnen auf diese Art Sicherheit und Frieden und Freude schenkt. Er will es, weil er Sie liebt – und weil er will, dass Sie selbst immer mehr zu einem liebenden, freien Menschen werden. Amen.