Christliche Ehe und gleichgeschlechtliche Partnerschaften: Rom hat sich zur Frage nach der Möglichkeit von Segnungen gleichgeschlechtlicher Paare geäußert. Hier die Stellungnahme von Bischof Stefan Oster SDB zum Responsum der Glaubenskongregation am 15.03.2021:
Die römische Glaubenskongregation hat mit Bestätigung durch Papst Franziskus eine Klarstellung in einer Frage gebracht, die die Kirche in Deutschland, aber auch weltweit gerade intensiv beschäftigt und zu Polarisierungen führt. Daher bin ich dankbar für diese Äußerung des Lehramtes und verbinde damit die Hoffnung, dass sie Orientierung gibt und damit auch größere Einmütigkeit befördert. Die Kirche – so das Dokument – hat keine Vollmacht, gleichgeschlechtlichen Partnerschaften einen kirchlichen Segen zu spenden. Papst Franziskus hat aber immer wieder herausgestellt, dass ein solches Festhalten an bisher geltender Position zugleich bedeuten muss, mit größerer Aufmerksamkeit alle Menschen unabhängig von Geschlecht und geschlechtlicher Orientierung in ihrer Würde zu achten, sie anzunehmen und immer neu einzuladen in die Gemeinschaft der Kirche und auf den Weg des Glaubens. Diese Auffassung teile ich mit voller Überzeugung.
Die Kirche und ihr Ehesakrament
Wir glauben, dass Gott das Heil von ausnahmslos jedem Menschen will – und dass wir als Kirche gerufen sind, die Wege des Heils immer neu als je einzelne und miteinander zu suchen und so auch zusammen mit allen Menschen Weggemeinschaft hin zu diesem Heil zu sein. Gleichzeitig geben die Hl. Schrift, die Überlieferung und das römische Lehramt den Gläubigen und der ganzen Kirche den Auftrag, Ehe und Familie in besonderer Weise zu schützen und zu unterstützen. Die christliche Ehe ist hingeordnet auf die gegenseitige Liebe, auf gemeinsame Kinder und ist damit in besonderer Weise Schule des Lebens, der Liebe und des Glaubens. Die Familie hat insbesondere bei getauften und gläubigen Eltern die Berufung, „Kirche im Kleinen“ zu sein.
Aus ihrer biblischen Tradition ist die Kirche daher der Überzeugung, dass auf der Verbindung von Mann und Frau ein besonderer Segen Gottes liegt, der sich im Sakrament der Ehe entfaltet. Die römische Erklärung ist für mich daher zugleich ein Auftrag, besonders auch auf die Menschen zuzugehen, die sich durch eine solche Hervorhebung des Ehesakramentes zurückgesetzt oder verletzt fühlen.
Das Responsum der Glaubenskongregation im Wortlaut finden Sie hier. Zeitgleich wurde ein Kommentar mit Erläuterungen zum Responsum veröffentlicht.
Vor etwas über zwei Jahren habe ich mich selbst schon einmal ausführlich zum Thema geäußert – auch deshalb, weil ich glaube, dass die kirchliche Lehre zu diesem Thema sich im Kern nicht verändert hat – und wohl auch nicht verändern wird (Die Glaubenskongregation spricht nicht von „nicht wollen“, sondern von „nicht können“). Daher hier noch einmal erläuternd auch der Text von damals.
Foto: Sandy Millar/unsplash.com
Comments
Sehr geehrter Herr Bischof,
wieder einmal hat die Kath. Kirche, die Zeichenhandlungen so viel Bedeutung beimisst, es versäumt, mit der Erlaubnis zur Segnung gleichgeschlechtlich Liebender ein christlich-humanes Zeichen gegen die abscheuliche Homophobie (in Teilen der Kirche und der Welt) zu setzen.
Die Begründung mag kirchenlogisch bzw. lehramtslogisch richtig sein, aber ob sie damit die Wahrheit der menschlichen Wirklichkeit begreift (veritas est adaequatio rei et intellectus), ist mehr als fragwürdig.
Die Kirche und ihr Klerus sollten sich durch die jüngste Geschichte der Staaten des „real-existierenden Sozialismus“ warnen lassen.
Und was die „biblische Tradition“ hinsichtlich der amtskirchlichen Sexuallehre anbelangt, so haben nicht wenige bibelwissenschaftlich orientierte Exegeten längstens die Problematik eben dieser Tradition offen dargelegt.
MfG
A. Sänger
Sehr geehrter Herr Bischof,
Gott hat jeden Menschen erschaffen – also auch alle jene, die gleichgeschlechtlich orientiert sind, oder?
Oft wird eine Stelle aus Levitikus herangezogen; allerdings wird – wenn ich das richtig verstanden habe – dort der Sexualakt verurteilt, nicht aber an sich die Tatsache, dass diese Menschen so füreinander empfinden. An anderer Stelle beschreibt Mose eine Szene der in der Männer andere Männer vergewaltigen; aber auch hier wieder – soweit ich das nicht missverstanden habe – wird die nicht die Liebe zwischen Menschen gleichen Geschlechts verurteilt, sondern in dem Fall die Gewalt bzw. Vergewaltigung.
Und in Paulus wird das verurteilt, was wider der Natur ist. Wenn aber Homosexualität angeboren ist, dann entspräche das doch genau der Natur.
Mein Kommentar ist eine ernste und aufrichtig gemeinte Frage, denn ich verstehe einfach nicht, wo das Problem liegen könnte.
Freundlich grüßend,
Tobi K
Sehr geehrter Herr Kreuzer, danke für Ihre Frage,
die komplex ist – und nicht kurz beantwortet werden kann, zumal ich auch nicht Experte für die Frage nach der Entstehung von Homosexualität bin. Aber soweit ich informiert bin, ist die Neigung nicht einfach „angeboren“, sondern entsteht wohl aus einem komplexen Wechselspiel zwischen biologischen, psychologischen, sozialen und anderen Faktoren. Ich würde auch spirituelle Faktoren dazunehmen oder die Frage nach Gelingen und Scheitern von wesentlichen Beziehungen. Aber im Grunde gibt es keine eindeutige Erklärung. Mir leuchtet das ein, denn der Mensch ist ein Wesen mit Geschichte, ein Werdender in einem komplexen Verhältnis zu sich selbst, zur Welt, zu anderen Menschen, zu Gott. Und ja vermutlich ist bei den allermeisten Menschen die sexuelle Orientierung irgendwann festgelegt, die Frage wann diese Festlegung erfolgt, ist aber vermutlich unterschiedlich zu beantworten. Und bei einigen Menschen gibt es womöglich keine Festlegung, sondern die Orientierungen sind dann eher fluide oder vielgestaltig. Aber selbst festgelegte, ein-deutige Orientierung ist dann immer noch „plastisch“, d.h. kann z.B. reifen oder verwahrlosen – je nach Umgang mit dieser Neigung. Und wenn wir nun annehmen, dass unsere Schöpfung zwar gut geschaffen, aber keiner mehr von uns nach dem, was die Schrift als Sündenfall darstellt, ganz heil ist, sondern eben erlösungsbedürftig ist – auch in unserer sexuellen Neigung, Orientierung, Triebhaftigkeit, Sehnsucht etc -, dann gilt diese Erlösungsbedürftigkeit auch für unsere Sexualität – bei jedem. Denn wenn wir ehrlich sind, neigt ein normaler Mensch, gleich welcher Orientierung in seiner Sexualität oft zu etwas wie Besitzergreifung. Oder wir sind auch in der Lage uns am anderen nur „abzureagieren“, ihn nur zu „benutzen“ etc. – alles Formen gelebter Sexualität, die nicht automatisch „reif“ oder „heil“ sind, aber in den meisten von uns da sind oder möglich sind. Und natürlich ist jede Sexualität in diesem Sinn „gebrochen“, also dem unterworfen, was wir die Folgen der „Erbsünde“ nennen. Zugleich ist aber keine Sexualität völlig „gebrochen“, weshalb die allermeisten Menschen auch Erfahrungen machen können mit der Schönheit, der Freude, der tiefen Lusterfahrung, der Liebe gemeinsamen sexuellen Lebens. Auch das gehört alles da hinein. Das heißt: Mit diesen wenigen Sätzen will ich zu Ihrer Frage folgendes sagen: 1. Nein, ich glaube nicht, dass sexuelle Orientierungen automatisch angeboren sind. Vielmehr sind sie Teil unserer Geschichte, unseres Werdens, unseres Selbstwerdens. Und diese Geschichte entfaltet sich zwischen ineinander verwobender heiler und gebrochener Sexualität. 2. Ich glaube, dass dieses Gegebensein von Sexualität und sexueller Orientierung deshalb auch Aufgegebensein bedeutet: Sexualität ist immer in unsere Verantwortung hinein gestellt, sie ist auch Aufgabe. Und wenn wir sie vor Gott leben, dann glauben wir auch, dass es von Gottes Offenbarung her einen angemessenen Ort für ausgelebte Sexualität gibt. Aus solchen Aspekten, vor allem aus der biblischen Offenbarung, aber auch anderen Dimensionen in der Kenntnis über den Menschen, entfaltet die Kirche also ihre Lehre in diesen Fragen. Hoffe, das war einigermaßen verständlich. Gruß SO
Sehr geehrter Herr Bischof Oster,
Sie schreiben von „spirituellen Faktoren für Homosexualität“. Was verstehen Sie darunter?
Was heißt es, dass jede Sexualität gebrochen ist, „also dem unterworfen, was wir die Folgen der „Erbsünde“ nennen“? Was meinen Sie damit konkret?
Weiter schreiben Sie: „Wenn wir sie [die Sexualität; Vf.] vor Gott leben…“ Wie lebt man und wie leben Sie Sexualität „vor Gott“?
Mit freundlichen Grüßen
CT
Sehr geehrter Herr Tuillon,
es ist mir kaum möglich, Ihre Fragen hier knapp zu beantworten. Vor über 6 Jahren habe ich dazu einen Text geschrieben, den ich vielleicht nicht mehr ganz genau so schreiben würde, der aber im Kern die Dinge enthalten könnte, die Ihnen Antwort geben. Hier:
https://stefan-oster.de/gottesvergessenheit-und-sexualitaet/
Gruß SO
Sehr geehrter Herr Oster,
ich würde auch eine längere Antwort durchaus lesen. Leider kann ich in dem von Ihnen verlinkten Text keine Antworten auf meine Fragen finden.
Wenn es spirituelle Faktoren für Homosexualität gibt, müssten sie sich doch recht leicht wenigstens aufzählen lassen.
Auch was es heißt, dass jede Sexualität gebrochen ist und „wir Sexualität vor Gott leben“, müsste sich doch recht einfach beantworten lassen, etwa als Fortführung der Sätze: „Jede Sexualität ist in dem Sinne gebrochen, dass…“ bzw. „Wir leben Sexualität vor Gott, indem wir…“
Mit freundlichen Grüßen
CT
Sehr geehrter Herr Bischof,
danke für Ihre umfangreiche und auch aufschlussreiche Antwort! Zwar kann ich Ihrer Argumentation folgen, jedoch nicht die einzelnen Punkte den Bibelstellen, welche immer wieder aufgelistet, eindeutig zuordnen.
Und für mich ganz persönlich auch nicht teilen.
Denn: Nur einmal angenommen, Homosexualität wäre in irgendeiner Weise eine stärkere Sünde als Heterosexualität, welche nicht heil ist. (Ich nehme an, mit „heil“ meinen Sie, dass die körperliche, triebhafte Komponente der Gefühlsseite und den Emotionen überwiegt und wir Menschen somit zu erdgebunden werden könnten usw.)
So, nun einmal dies angenommen. Dann wäre doch Jesus auch für diese Art der Sünde gestorben, oder? Und natürlich, man soll die Vergebung der Sünden nicht ausnutzen. Aber was ist denn mit all den Lügen, seien es jetzt kleine Notlügen oder vielleicht auch größere Lügen, die man ausspricht, um seine dunklen Geheimnisse zu bewahren und besser dazustehen. In dem Moment verstößt man sogar gegen eines der zehn Gebote. Und streng genommen, ja, nach jeder Lüge kann man sagen „ich will in Zukunft nicht mehr lügen“ und wer sich für eine homosexuelle Beziehung entscheidet, entscheidet sich dann gleichzeitig auch für eine mittel bis längerfristige Zukunft in Sünde. Ja, kann man zwar sagen, aber es ist eigentlich schon im Moment einer Lüge klar, dass das wohl nicht dir letzte Lüge im Leben war.
Und dann kommt dazu, dass es weder ein Gebot zur Homosexualität gibt, noch in der Bergpredigt etwas davon zu finden ist.
Und natürlich bin ich niemand, der entscheiden könnte, welche Sünder schlimmer ist, aber das nicht-Vorkommen in den oben genannten, für ein christliches Leben sehr wichtigen, Bibeltexten lässt in mir eben die Vermutung nahekommen, dass Lügen schlimmer wäre. Und dann kommt natürlich noch dazu, dass ich persönlich glaube, dass Homosexualität, welche auch im Tierreich vorkommt, eben eine Variante des Menschen ist. Und man könnte doch sagen, Gott hat einen großen Tiergarten. Und am Ende liebt er jeden von uns, alle Varianten von uns, davon bin ich überzeugt.
Lange Rede, kurzer Sinn: Was ich eigentlich damit zum Ausdruck bringen will. Warum hängt man sich mit Themen wie Homosexualität so auf? Gibt es nicht dringlicherer Themen, welche behandelt werden müssen? Schlimmere Sünden, welche erst angesprochen werden müssen, unter denen auch viele andere leiden müssen? Ich würde es mal so formulieren (und ich hoffe, das stimmt so, wenn nicht, korrigieren Sie mich bitte): Die Zehn Gebote und die Bergpredigt sind die Basics für ein gutes, christliches Leben. Und dann gibt es Normen, mit denen man noch die letzten Prozente rausholen kann. Und ich glaube, da stimmen Sie mir zu, dass solche streitbare Themen wie Homosexualität zu Letzterem gehören.
Wenn man jetzt in unsere Gesellschaft schaut, das will ich ganz ohne zu urteilen sagen, dann würde vielleicht eine Auffrischung der Basics mehr Sinn machen, als die Politur vorm Schliff zu machen.
Ich hoffe ich stehle Ihnen nicht zu viel Zeit,
Gruß Tobi K
Sehr geehrter Herr Bischof Oster,
Gott hat Mann und Frau geschaffen und sie einander zugeführt, das ist der Plan und das ist die Natur. Ich meine, manche Kräfte in der katholischen Kirche haben sich von der Natürlichkeit unserer Existenz bereits stark entfernt. Es kommt mir so vor, dass das Natürliche schon als exotisch oder abartig dargestellt wird. Nur weil sich die Gesellschaft von ihrer Natürlichkeit entfernt, bedeutet das nicht das diese nicht mehr vorhanden ist und in frage gestellt werden kann.
Provokant gesagt: So könnte man auch meinen, wenn die Menschen sich nun mal der Sünde zuwenden und das zur Normalität wird, kann man ja die Sünde abschaffen.
Ich meine niemand wird homosexuell geboren, sondern die Gesellschaft prägt diese Menschen weil sie keinen Halt erfahren haben und keine Liebe. Es darf jeder Leben wie er möchte, und Gott liebt jeden Menschen egal wie sein Leben gestaltet ist.
Das Ändert aber nichts an der Tatsache das es Gottes Plan ist Mann und Frau füreinander zu schaffen um die Familie als Keimzelle des Lebens und der Liebe sichtbar zu machen. Nur bitte, lasst den Plan Gottes als universelle Kraft bestehen, er weiß schon was gut ist.
Gottes Wege sind nicht die Wege des Menschen.
Mit feundlichen Grüßen
Romana H
Sehr geehrte Frau Hirnschall,
nachdem Homosexualität selbst im Tierreich bei zahlreichen Tierarten vorkommt (https://de.wikipedia.org/wiki/Homosexuelles_Verhalten_bei_Tieren), ist jedes Argument über die Un- oder Widernatürlichkeit von Homosexualität zum Scheitern verurteilt.
Ein Argument über den Plan Gottes können Sie nur führen, wenn Sie sich anmaßen, diesen zu kennen. Aber wenn wir noch nicht einmal wissen, ob Gott überhaupt existiert, wie könnten wir seinen Plan kennen? Sie können allenfalls vermuten, worin der Plan besteht, falls es ihn gibt. Das aber setzt das Eingeständnis voraus, den Plan nicht zu kennen.
Und wenn Sie vermuten, der Plan besteht darin, dass „es Gottes Plan ist Mann und Frau füreinander zu schaffen um die Familie als Keimzelle des Lebens und der Liebe sichtbar zu machen“, so wären sehr viele Lebensformen entgegen seinem Plan. Auch die von Singles, Priestern, Ordensleuten und Bischöfen der römisch-katholischen Kirche.
Mit freundlichen Grüßen
CT
Sehr geehrter Herr Bischoff,
Ihre Hoffnung, dass diese Klarstellung durch Papst Franziskus „auch größere Einmütigkeit befördert“ muss ich für meine Person widersprechen. Diese Klarstellung führt dazu, dass ich meinen Glauben, dass für unsere Kirche Gott, der Mensch und die Beziehung zwischen Gott und den Menschen, wie Gott sie geschaffen hat, im Mittelpunkt steht, aufgeben muss – wieder einmal. Und so führt diese Klarstellung des Papstes dazu, dass die Hoffnung, die Kirche werde die Diskriminierung von homosexuelle Menschen überdenken, für mich endgültig verloren ist. Nach jahrelangem Ringen werde ich diese Kirche endgültig verlassen. Statt größerer Einmütigkeit folgt für mich Ausschluss und Trennung.
Mit großem Bedauern
Volker Ebner
Sehr geehrter Herr Ebner,
danke für Ihre Zeilen. Mir tut es leid, dass Sie sich entschließen, die Kirche zu verlassen. Was mich freilich wundert: Haben Sie die Haltung der Kirche zur Thematik erst jetzt festgestellt? Denn tatsächlich hat sich mit der Antwort der Glaubenskongregation auf eine Frage (Dubium) nichts geändert. Die Antwort wäre in den letzten paar hundert Jahren so gegeben worden. Und wenn Sie gehofft hatten, dass gesellschaftliche Debatten hier Bewegung hineinbringen könnten, dann war meine Position immer die: Das Thema ist groß, es betrifft die christliche Lehre vom Menschen in der Tiefe und nicht an der Oberfläche. Daher: Wenn es hier „Entwicklung“ oder „Veränderung“ in der Antwort auf die Frage geben könnte, dann bräuchte es dazu einen neuen Blick auf den Menschen – und der bräuchte mindestens ein neues Konzil, ein III. Vatikanisches Konzil z.B. und damit doch viel mehr als synodale Debatten in einem einzigen Land. Und freilich glaube ich, dass diese Frage so tief in die Auffassung der Kirche vom Menschsein hineinreicht, dass sie womöglich auch ein Konzil nicht antasten oder verändern könnte oder würde.
Noch einmal: Ich bedauere Ihren Schritt, denn die Kirche ist geistlich gesehen für mich tatsächlich der Wohnort Gottes in der Welt. Und die Getauften sind letztlich „Bewohner“ dieses Wohnortes. Da geht es um eine tiefe Erfahrung von Wirklichkeit. Daher würde ich Ihnen gerne empfehlen, das noch einmal zu überdenken – habe aber großen Respekt vor einer ehrlich gewonnenen Gewissensentscheidung. Mit besten Segenswünschen SO
Sehr geehrter Herr Oster,
Sie schreiben: „Was mich freilich wundert: Haben Sie die Haltung der Kirche zur Thematik erst jetzt festgestellt? Denn tatsächlich hat sich mit der Antwort der Glaubenskongregation auf eine Frage (Dubium) nichts geändert. Die Antwort wäre in den letzten paar hundert Jahren so gegeben worden.“
Nun, wer hat denn die Frage an die Glaubenskongregation gerichtet? Doch wohl kaum Herr Ebner. Wenn die Position der Kirche in der Frage „in den letzten paar hundert Jahren“ so unverändert eindeutig war, wie Sie es darstellen, weshalb wurde dann, wie man annehmen darf, von Amtsträgern der katholischen Kirche ein „Dubium“ (Zweifel) geäußert und dieses als zu klärende Frage an die Glaubenskongregation gerichtet? Waren sie genau so uninformiert wie Sie es Herrn Ebner zu sein unterstellen? Was ist mit den zahlreichen katholischen Laien, Pastoralreferenten, Priestern, Ordensleuten, Bischöfen etc. hierzulande, die deutlich gegen das Responsum (Antwort) der Glaubenskongregation Stellung beziehen? Sind sie alle uninformiert? Selbst die zahlreichen Theologieprofessoren, die unmissverständlich dem Responsum widersprechen?
Nein, wer der Antwort der Glaubenskongregation widerspricht, ist deshalb nicht uninformiert. Er kann es aus sehr guten Gründen, sogar aus sehr guten theologischen und pastoralen Gründen tun. Und das wissen Sie natürlich auch, schließlich stehen Sie in engem Kontakt mit Ihren Amtskollegen, die sich zusammen mit namhaften Theologen in großer Zahl von dem Responsum distanziert haben. Herr Ebner muss sich den Schuh des Uninformierten, über dessen Enttäuschung man sich nur wundern kann, deshalb überhaupt nicht anziehen. Er steht in seiner Beurteilung der Note aus Rom in guter Gesellschaft.
Sie schreiben weiter: „Wenn es hier „Entwicklung“ oder „Veränderung“ in der Antwort auf die Frage geben könnte, dann bräuchte es dazu einen neuen Blick auf den Menschen – und der bräuchte mindestens ein neues Konzil, ein III. Vatikanisches Konzil z.B. und damit doch viel mehr als synodale Debatten in einem einzigen Land.“
Warum sollte die Kirche unfähig sein, ohne ein neues Konzil neu auf den Menschen zu blicken? Ich finde das ein schönes Beispiel dafür, wie Konservatismus dazu führt, der Kirche Fähigkeiten abzusprechen und sie so kleiner zu machen, als sie ist. Ob ihr damit der gewünschte Dienst erwiesen wird, wage ich zu bezweifeln.
Mit freundlichen Grüßen
CT
“ Die christliche Ehe ist hingeordnet auf die gegenseitige Liebe, auf gemeinsame Kinder und ist damit in besonderer Weise Schule des Lebens, der Liebe und des Glaubens. Die Familie hat insbesondere bei getauften und gläubigen Eltern die Berufung, „Kirche im Kleinen“ zu sein.“
Alles, was hier ueber die Ehe gesagt wird, trifft auch auf gleichgeschlechtliche Paare zu, in denen die Partner religioes sind. Ich komme daher auf Grund Ihrer eigenen Argumentation zu dem Schluss, dass die Kirche nicht nur eine blosse Segnung, sondern eigentlich auch die Eheschliessung homosexueller Parre unterstuetzen sollte, ja eigentlich im Geiste sie schon unterstuetzt, jedoch zu schwach ist fuer die Unterstuetzung in der Tat.
Liebe Frau Reher,
sie sind sich aber schon bewusst, dass mit „gemeinsame Kinder“ keine adoptierten gemeint sind, sondern „durch das Paar gezeugte Kinder“?
LG SB
Naja, das ist ja genau mein Punkt: wenn man mit so Allgemeinplaetzen argumentiert, und salbungsvolle Worte sagt wie „Die christliche Ehe ist hingeordnet auf die gegenseitige Liebe, auf gemeinsame Kinder […]“ dann nehme ich mir die Freiheit heraus, das einfach mal zu hoeren, wies gesagt worden ist. Und nachdem es hier keine Fussnote gibt, in der definiert ist, dass „gemeinsame Kinder“ ausschliesslich „durch das Paar gezeugte Kinder“ meint (wie es ja in der Bibel auch keine Fussnote gibt, die sagt: Schulen und Lesben ist das Sakrament der Ehe zu verweigern), interpretiere ich die Formulierung eben so, wie sie im Alltagsgebrauch ja auch benutzt wird. Da wird auf Stiefkinder und adoptierte Kinder ja auch mit „gemeinsame Kinder“ verwiesen. Sie wollen doch nicht etwa andeuten, dass in der katholischen Kirche Redewendungen verwendet werden, die am Ende ganz anders gemeint sind, als sie klingen…
Die Kritik an der römischen Klarstellung zur Segnung gleichgeschlechtlicher Paare kann ich nicht nachvollziehen. Es geht ja nicht um ein Verbot der Segnung von Homosexuellen, sondern um die (nicht gegebene theologische) Vollmacht zur Segnung ihrer sexuellen Partnerschaft. Dabei darf nicht übersehen werden, dass es vielen Befürwortern der Segnung homosexueller Partnerschaften letztlich um die Anerkennung einer fiktiven „Gleichheit“ mit der Ehe geht.
Wir finden es vielmehr gut und richtig, dass die Kirche dem Zeitgeist nicht einfach folgt. In der Geschichte hat sie das schon zu oft getan… Die Kirche widerspricht damit einem Dogma der unwahrhaftigen (da realitätsverleugnenden) westlichen Ideologie der „Gleichheit“ und Beliebigkeit von allem Möglichen. Diese bereitet ja schon den nächsten Coup vor: die Leugnung des realen biologischen Geschlechts [ https://kinder.wdr.de/radio/kiraka/hoeren/radiogeschichten/ich-bin-liv-102.html ] – eigentlich ein neuer „Fall Galilei“: eine Verleugnung der natürlichen Realität, diesmal nicht seitens der Kirche, sondern seitens einer ideologischen Sekte.
Sehr geehrter Herr Dr. Hein,
die Frage, die das Responsum beantwortet, ist wörtlich darin genannt. Es geht nicht, wie Sie schreiben, um die Segnung einer „sexuellen Partnerschaft“ – was auch immer Sie darunter verstehen. Vielmehr geht es um die Frage der Segnung der „Verbindungen von Personen gleichen Geschlechts“.
Dass sich Menschen daran stören, wenn bestimmte Teile der römisch-katholischen Kirche davon überzeugt sind, dass diese zwar die Vollmacht hat, Motorräder, Häschen und Aufzüge zu segnen, aber nicht Verbindungen zwischen zwei sich liebenden Menschen, sofern sie das gleiche Geschlecht haben, finde ich sehr nachvollziehbar. Wenn Sie das anders sehen, würde mich interessieren, welchen segungsrelevanten Unterschied in Ihren Augen das Geschlecht der Menschen macht, die sich lieben. Es geht ja nicht um die Segung des Geschlechts oder eines bestimmten Geschlechtsakts, sondern – noch einmal – um die Segnung der „Verbindungen von Personen“.
Ihr Argument, „dass es vielen Befürwortern der Segnung homosexueller Partnerschaften letztlich um die Anerkennung einer fiktiven „Gleichheit“ mit der Ehe geht“ geht in vielerlei Hinsicht völlig fehl: Zum einen ist es eine unbegründete Behauptung. Zum anderen ein für die Sachargumentation gänzlich irrelevantes argumentum ad hominem: Anstatt Ihre Position sachlich zu begründen, unterstellen Sie dem argumentativen Gegner eine aus Ihrer Sicht verwerfliche Intention. Weiter geht es deshalb fehl, weil das, was viele Personen wollen, völlig irrelevant für die Beantwortung der Frage ist, welche Vollmacht Gott der Kirche gegeben hat. Und weiter geht es deshalb ins Leere, weil weder Dubium noch Responsum sich auf die von Ihnen konstruierte „Anerkennung einer fiktiven „Gleichheit“ mit der Ehe“ behandeln. Das Dubium fragt nicht, ob zwei Homosexuelle sich gegenseitig gültig das kirchliche Sakrament der Ehe spenden können. Und das Responsum antwortet folglich auch nicht darauf.
Aber Ihr Argument zeigt schön, dass Ihre Unterstützung des responsum nicht theologischer Natur ist, sondern sich aus anderen Quellen speist: aus Ihrer persönlichen Ablehnung einer in Ihrer Diktion „westlichen Ideologie“. Das zeigt sehr gut, wie sehr Sie die Ebenen verwechseln: Die Frage, ob die Kirche für x die Vollmacht Gottes hat, ist völlig unabhängig davon, ob Sie eine bestimmte tatsächlich oder nur vermeintlich existierende Ideologie befürworten oder ablehnen.
Auch was das Thema Transsexualität anlangt, lohnt es sich, sich wenigstens ansatzweise damit zu beschäftigen, bevor man es gleich lauthals kritisiert. Sachlich betrachtet geht es dabei nämlich alles andere als um „die Leugnung des realen biologischen Geschlechts“, wie Sie dies irrtümlich behaupten. Ihre Ablehnung richtet sich gegen eine von Ihnen konstruierte, nicht näher erläuterte „ideologische Sekte“ – und geht damit wieder an dem Thema völlig vorbei.
Mit freundlichen Grüßen
CT
Lieber Herr Tuillon,
ich möchte versuchen auf Ihren Beitrag und auf fogende Frage von Ihnen zu antworten:
„Wenn Sie das anders sehen, würde mich interessieren, welchen segungsrelevanten Unterschied in Ihren Augen das Geschlecht der Menschen macht, die sich lieben. Es geht ja nicht um die Segung des Geschlechts oder eines bestimmten Geschlechtsakts, sondern – noch einmal – um die Segnung der „Verbindungen von Personen“.“
Zunächst ist zu sagen, das haben Sie ja schon beschrieben, dass es in der katholischen Kirche einen dinglichen Segen gibt (z.B. für Öle, Wasser, Brot, usw.), einen Segen für Gegenstände (Kirchen, Altäre, Glocken…) und einen Segen für Personen (kann auch eine Weihe sein). Der Sinn einer dinglichen Segnung oder Segnung von Gegenständen besteht darin, dass die Menschen, die diese benützen, bei entsprechendem Gebrauch einen Zuspruch Gottes erfahren. Somit kommen auch diese zwei Segensarten dem Menschen zugute. Nun zu dem Segen für Personen. Hierbei beziehe ich mich auf das Benediktionale (https://tma-bensberg.de/wp-content/uploads/2019/02/Benedictionale-Pastorale-Einf%C3%BChrung-20181105_102152.pdf), dem Ritualbuch für Segen und Sakramentalien.
Wenn man sich das Inhaltsverzeichnis des Benediktionales anschaut (https://d-nb.info/790276674/04), dann fällt bei den Personensegen auf, dass, bis auf den Segen für Verlobte, Familien und die Hochzeitsjubiläen, der Segen immer einzelnen Menschen gilt. Die erwähnten Ausnahmen beziehen sich dann auf zwei oder mehr Menschen, wobei hier gesagt sei, dass die Verlobung auf die Ehe hingeordnet ist und die Jubiläen oder der Familiensegen in einer Ehe stattfinden (nach katholischem Denken – das Eheverständnis der katholischen Kirche setze ich jetzt einmal voraus). Soweit ich es überblicke (da könnte ich natürlich auch falsch liegen) werden dabei keine „Werte“ wie Liebe oder Treue gesegnet, sondern die Personen. Die anhaltende Liebe und Treue im Beispiel wären dann aber Ergebnisse des Segens.
Nun diskutieren wir aber über einen Segen für zwei Personen und deren Beziehung, die aber nicht auf die Ehe hingeordnet werden soll, die es aber (zumindest nach Benediktionale) so (noch?) nicht gibt.
Die nächste Frage ist, inwiefern die Kirche die Vollmacht hat eine solche Beziehung zu segnen (also „gut zu sprechen“), zumal die biblischen Quellen nie positiv sondern immer negativ über die Textstellen spricht, in denen das Thema Homosexualität eine Rolle spielt. Natürlich ist nun das Argument vieler Exegeten (ob es jetzt eine Minderheit oder Mehrheit ist) im Raum, dass doch an den Stellen nicht von einer Beziehnung die Rede ist, wie sie heute in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften vorkommt. Nun ist die historisch-kritische Exegese aber nicht die einzige Möglichkeit einen biblischen Text zu untersuchen und auch die verschiedenen Argumente werden auch noch diskutiert, zumal auch die Exegese niemals 100% objektiv und unabhängig vom Zeitgeist ist. Der Punkt, auf den ich hinaus möchte, ist, dass man sich eben nicht 100% sicher sein kann ob nun Gott das gleich oder anders sieht als die entsprechenden Exegeten. Von daher kann die Kirche, die „Trägerin der Gnade und des Segens Christi“ ist, nicht einfach behaupten, dass Gott diese Beziehung tatsächlich „gutheißt“ (zumal wir hier ja über keine platonische Liebesbeziehung als Verbindung sprechen, sondern über eine, zu der der Akt als Ausdruck dieser Liebe dazugehört – soviel auch zu ihrer Frage). Letztendlich hat hier die Glaubenskongregation nichts anderes gemacht, als das, was ihre Aufgabe ist: Sie hat auf eine Frage geantwortet, wie gerade der Stand der Dinge in der katholischen Kirche ist (sie hat nicht die Kompetenz Dinge zu beschließen, zu ändern oder zu erlauben – somit ist es auch egal wer die Frage gestellt hat).
Erlauben Sie mir noch drei Sätze zum Thema Jesus Christus. Natürlich könnte man argumentieren, dass Jesus nie etwas gegen die Homosexualität gesagt hat und dass er immer für alle Menschen da war in vollkommener Nächstenliebe. Allerdings muss man auch genauso anerkennen, dass dieses „Leerstellenargument“ trotzdem nichts positives über die Homosexualität formuliert und sich Jesus zwar nicht darüber, aber sehr wohl über partnerschaftliche Beziehungen geäußert hat (Mk 10,2 ff oder Mt 19,3 ff).
Ich hoffe ich konnte Ihnen etwas weiterhelfen und freue mich auf eine weiterhin fruchtbare Diskussion.
LG, SB
Lieber Herr Brückner,
vielen Dank für Ihre Antwort. Sie zeigt etwas, was m.E. häufig in der Debatte geschieht: Wenn über den Segen für Gegenstände und Beziehungen gesprochen wird, für die sich die Kirche als von Gott bevollmächtigt versteht, wird Segen als „Zuspruch Gottes“ verstanden. Wenn es aber um Segnungen von Beziehungen geht, bei denen die Kirche moralische Vorbehalte hat, wird die Bedeutung von Segen kurzerhand ausgetauscht: Aus dem Zuspruch wird ein moralisches Gutheißen.
Man muss sich entscheiden: Ist eine Segnung eine heilshafte Nahrung für die Seele oder eine moralische Beurteilung? Ist sie ein heilshaftes Zeichen für Gottes Liebe oder ein moralisches Abzeichen? Geht es bei ihr um den Zuspruch von Gottes uneingeschränkter Liebe, Nähe und Zuneigung oder um die Verleihung eines moralischen Gütesiegels?
Wenn ersteres, bricht Ihnen das Argument gegen die Segnung der Verbindung gleichgeschlechtlicher Paare weg. Wenn Gottes Liebe, Nähe und Zuneigung uneingeschränkt sind, wie könnte es sein, dass wir sie bestimmten Menschen und Beziehungen nicht zusprechen dürfen?
Wenn aber zweiteres, dann wird es völlig schräg. Denn das relevante Kriterium, auf das geprüft wird, entpuppt sich als rein formal und v.a. amoralisch: Nur das Geschlecht der Partner wird geprüft. Die vermeintlich moralische Prüfung erschöpft sich somit in einer reinen Geschlechtsmusterung: verschiedengeschlechtlich -> Segenserteilung, gleichgeschlechtlich -> Segensverweigerung. Also bekommen unheilvolle Beziehungen das vermeintliche moralische Gütesiegel verliehen, wenn und nur weil die Partner nicht das gleiche Geschlecht besitzen, und heilvollen Beziehungen wird eben dieses verwehrt, wenn und nur weil die Partner das gleiche Geschlecht haben. Mir scheint dieser Weg absurd.
Ihr Argument aus der Unwissenheit (die katholische Kirche kann die Verbindung zwischen gleichgeschlechtlichen Paaren deshalb nicht segnen, weil sie keine absolute Gewissheit darüber hat, ob Gott Homosexualität befürwortet oder verurteilt) ist ebenso nicht haltbar. Können Sie sich denn sicher sein, dass Gott die Beziehung zwischen Max und Marie gutheißt? Ohne Ansehen der Personen und der konkreten Beziehung? Allein auf der Grundlage, dass sie nicht das gleiche Geschlecht haben?
Was, wenn Marie Max tyrannisiert? Was, wenn sie ihm täglich würdelos begegnet? Was, wenn Max Marie oder ihre Kinder schlägt? Was, wenn er ihnen die Zukunft ruiniert? Was, wenn Max und Marie ein anderweitig unmoralisches Leben führen? Was, wenn sie ein wie auch immer geartetes unmoralisches Sexualleben führen? Was, wenn sie durch ihr Verhalten ihre Kinder vom Glauben wegtreiben? Können Sie sich in diesen Fällen „100%“ sicher sein, dass Gott ihre Beziehung gutheißt? Wenn nicht, müssten Sie nach diesem Segensverständnis dies alles und noch viel mehr eingehend vorher prüfen und ihnen nach der Logik dieses Arguments ebenso den Segen verweigern. Der Erteilung eines kirchlichen Segens müsste eine ausgiebige, überhaupt nicht leistbare moralische Untersuchung vorausgehen. Es bedürfte einer riesigen moralischen Untersuchungsbehörde. Und selbst wenn deren Prüfung erfolgreich abgeschlossen wäre: Wer würde sich anmaßen wollen, aufgrund der Ergebnisse menschlicher Untersuchungen zu „100%“ sicher zu sein, dass Gott zum gleichen Urteil kommt? Wenn man das Argument aus der Unwissenheit ernst nimmt, müsste man Segnungen mangels absoluter Sicherheit über die moralischen Urteile Gottes gänzlich abschaffen.
Mit freundlichen Grüßen
CT
Lieber Herr Tuillon,
vielen Dank für Ihren Impuls und Ihre Reaktion auf meinen Kommentar.
Zunächst zu Ihrem Vorwurf (?):
1. Natürlich ist Moral immer ein Thema bei einem Segen, auch bei Gegenständen, denn diese sollen mit Ehrfurcht und recht gebraucht werden und zwar zum Heil der Menschen (siehe Benediktionale). Da ist natürlich eine moralische Dimension drin.
2. Was ich eigentlich schon geschrieben habe: Im Benediktionale und (wenn ich nichts übersehen habe) in der Bibel werden keine Beziehunen gesegnet bis auf eine: Die Verbindung von Mann und Frau, die in der katholischen Theologie ins Sakrament der Ehe mündet (angefangen bei Gen 1,28: Gott segnete sie und sprach: Seid fruchtbar und mehrt euch).
3. Nun allgemein zur Frage der Moral – was meinen Sie genau damit? Die Moral, die vor 60 Jahren galt, als Homosexualität in Deutschland noch strafbar war? Die Moral, die heute gilt? Meinen Sie das, was in Japan, in Indien, im Irak, in den USA als moralisch gilt? Oder meinen Sie das, was Sie als moralisch erachten? Ich will sagen, Moral kann genauso gesellschaftsabhängig oder zeitgeistabhängig sein, ja die Moral kann sogar von Mensch zu Mensch größere und kleinere Unterschiede haben,
also durchaus auch subjektive Anteile haben (ganz zu schweigen von der Moral, die großen Ethikkonzepten wie dem Utilitarismus oder der Tugendethik folgen). Wer entscheidet also was richtig und falsch ist? Bin das ich? Sind das Sie? Auf jeden Fall muss derjenige sich ziehmlich sicher sein, dass er gottähnlich zwischen richtig und falsch unterscheiden kann.
Die Kirche hat nun aber das Glück eine Religionsgemeinschaft zu sein mit dem Glauben an einen Gott, der Mensch geworden ist und mit einer Heiligen Schrift, die die Geschichte Gottes mit seiner Schöpfung aufzeigt. An einen Gott, der nicht sandgestrahlt ohne Ecken und Kanten ist, dass sich jeder mit ihm wohlfühlen kann ohne etwas zu verändern und der alles „gutheißt“ was Menschen tun. Wenn Jesus von Umkehr spricht, dann braucht es die moralische Frage, dann braucht es eine göttliche Moral, sonst müsste kein Mensch umkehren.
4. Aber unabhängig von Ihrem Moralbegriff lese ich Ihre Worte so: Entweder etwas wird moralisch gutgeheißen oder es wird schlechtgeheißen. Entweder es wird gesegnet oder der fehlende Segen wird zum Fluch? Das wäre doch sehr zweidimensional. Ein fehlender Segen ist kein Fluch und nur weil etwas nicht gutgeheißen wird muss es nicht bedeuten, dass es völlig schlecht ist.
5. Vor einem Segen oder einem Sakrament wird eigentlich nichts geprüft, aber z.B. bei der Ehe wird auf verschiedene Voraussetzungen, die es natürlich gibt, hingewiesen. Die Ehe, so die Theologie, kommt nur zustande, wenn das Paar vor der Eheschließung die vier Säulen der katholischen Ehe bejat (lebenslang, monogam, heterosexuell und offen für Kinder). Interessanterweise wird aber bei der Ehe tatsächlich geprüft im Zuge eines Ehenichtigkeitsverfahrens (Es muss mit Zeugen belegt werden, dass einer der Partner schon vor der Eheschließung eine der vier Säulen ausgeschlossen hat). Es gibt in der jüdisch-christlichen Tradition Vorraussetzungen für einen Segen und zwar in der Treue zu Gott und seinen Geboten (siehe Benediktionale mit Verweis auf Deuteronomium 28 und 30,15-20). Letztendlich kommen wir wieder bei der Exegese
an zu der ich in meinem letzten Kommentar schon etwas geschrieben habe, denn dann ist die Frage: Was sind nach Jesus Christus die Gebote Gottes?
6. Zu Ihrem Beispiel über die, wie Sie sagen, „Unwissenheit“: Natürlich sind die von Ihnen beschriebenen Verhaltensweisen in einer Partnerschaft, bzw. generell nicht mit Jesu Lehre zu vereinbaren. Jesus heißt diese Verhaltensweisen in keinerlei Beziehung gut. Ihr Argument ist aber dahingehend kein Argument, da es sich bei den von Ihnen beschriebenen Fällen immer um ein (vom Sündenfall bedingtes) Verhalten von Menschen und ihren Auswirkungen handelt. Es geht aber bei der „Unwissenheit“ nicht um einzelne Verhaltensweisen,
sondern um etwas Grundsätzliches. In einer Ehe geht die Kirche davon aus, dass nach Gottes Schöpfungsordnung grundsätzlich Mann und Frau zusammengehören (…als Mann und Frau schuf er sie. Gott segnete sie.. Gen 1,27-28). Bei der Frage der Segnung gleichgeschlechtlicher Paare fehlt aber dieses Grundsätzliche. Wie schon geschrieben, in der ganzen Bibel findet sich nichts positives zu dieser Frage, weder konkret noch grundsätzlich (eher im Gegenteil).
Ich hoffe ich konnte meine Gedanken zu ihrem Kommentar verständlich beschreiben und wünsche weiterhin gutes Nachdenken,
LG, SB
Lieber Herr Brückner,
Ihre Ausführungen gehen leider sehr an dem vorbei, was ich schrieb.
Noch einmal auf den Punkt gebracht:
Sie sagen, Segen ist ein Zuspruch. Bei der Beziehung Homosexueller aber machen Sie daraus ein Gutheißen. Das ist inkonsequent, weil sie verschiedene Segensbegriffe (einerseits einen performativen/pastoralen, andererseits einen moralischen) verwenden, die Sie unter der Hand austauschen.
Zum anderen argumentieren Sie: Die Kirche könne die Beziehungen Homosexueller nicht segnen, weil wir nicht zu 100% wissen, ob er sie gutheißt. Dieses Argument aus der Unwissenheit ist nicht stichhaltig, weil wir das grundsätzlich nie wissen. Wäre absolute Gewissheit die Voraussetzung für eine Segensspendung, dürfte unter den gegenwärtigen epistemischen Bedingungen außer Gott niemand segnen.
Ein weiteres „Argument“ von Ihnen ist: „Im Benediktionale werden mit einer Ausnahme keine Beziehungen gesegnet.“ Auch das ist kein Argument dafür, dass die Kirche keine Vollmacht hat, die Verbindung Homosexueller zu segnen. „Im Buch x werden mit einer Ausnahme keine Beziehungen gesegnet, also hat a von b keine Vollmacht erhalten die Beziehung zwischen c und d zu segnen“ ist ein völliges Nonsequitur.
Ihr letztes Argument ist: „In einer Ehe geht die Kirche davon aus, dass nach Gottes Schöpfungsordnung grundsätzlich Mann und Frau zusammengehören (…als Mann und Frau schuf er sie. Gott segnete sie.. Gen 1,27-28). Bei der Frage der Segnung gleichgeschlechtlicher Paare fehlt aber dieses Grundsätzliche.“ Ihr Beispiel zeigt sehr schön, wie Sie Ihr eigenes Urteil in Bibelverse hineinlesen, die darin nicht enthalten sind. Das ist Eisegese, nicht Exegese.
„Als Mann und Frau schuf er sie. Gott segnete sie.“ hat inhaltlich nichts gemeinsam mit „Die Geschlechtsverschiedenheit ist für Gott Voraussetzung für eine Segnung“. Beides sind gänzlich unterschiedliche Aussagen.
Was uns weiter unterscheidet, ist Ihre Ansicht, dass im Geschlecht und der Geschlechterverschiedenheit „das Grundsätzliche“ liege, das grundsätzlicher sei als das Verhalten von Menschen. Ich teile diese Ansicht nicht. Und ich halte sie für sehr unbiblisch. Jedenfalls ist der Geist des Neuen Testaments keiner, der das biologische Geschlecht zu dem Wert und Maßstab erklären würde, der in den Augen Gottes zählt.
Mit freundlichen Grüßen
CT
Lieber Herr Tuillon,
vielleicht muss ich dann noch einmal auf Ihre Argumente eingehen.
Wenn die Kirche segnet, also in diesem Sinne eigentlich um den Zuspruch und das Gutheißen Gottes bittet, dann glaubt die Kirche (auch im Sinne von Vertrauen), dass Gott dieser Bitte nachkommt und durch seinen Segen den Menschen Heil bringt. Daher performativ. Aber die moralische Komponente spielt ebenso eine Rolle, denn die Kirche möchte sich in diesem Fall nicht anmaßen etwas gutzuheißen, was möglicherweise (!) gegen die Schöpfungsordnung verstößt, die Gott gutgeheißen hat.
Natürlich können wir nicht immer 100%ig wissen was Gott gutheißt, aber wir haben ja ein Zeugnis (Bibel, Jesus), an dem wir uns orientieren können.
Das Benediktionale führe ich an, da man darin die allgemeine Segenspraxis der Kirche nachvollziehen kann und weil das Benediktionale auch immer auf die Bibel zurückführt, warum etwas so Praxis ist. Somit sind wir bei den beiden Säulen Bibel und Tradition.
Zur Zitation von Gen 1,27-28: Ja, bis dahin könnten sie recht haben, nur spätestens wenn Sie Vers 28 weiterlesen wird es für Gleichgeschlechtliche schwierig wenn es heißt: Seid fruchtbar und mehrt euch. Da ist dann wohl doch eine Aussage über das Geschlecht mit drin.
Sie dürfen gerne ihre Meinung haben, ich versuche nur die Position der Kirche so zu erklären wie ich sie verstanden habe. Letztendlich denkt aber die weltweite katholische Kirche von einem Menschenbild her, das die Zweigeschlechtlichkeit des Menschen zu einem hohen Gut macht und das sehr wohl biblisch ist. Um das zu ändern bräuchte es, wie es Bischof Oster schrieb, mehr als nur eine Handvoll deutscher Bischöfe.
Ich hoffe ich konnte einige Dinge verdeutlichen,
LG, SB
Lieber Herr Brückner,
Sie machen sehr viele implizite Annahmen. Was ist „die Schöpfungsordnung […], die Gott gutgeheißen hat“? Sie implizieren wieder, diese zu kennen.
Sie schreiben: „nur spätestens wenn Sie Vers 28 weiterlesen wird es für Gleichgeschlechtliche schwierig wenn es heißt: Seid fruchtbar und mehrt euch. Da ist dann wohl doch eine Aussage über das Geschlecht mit drin.“
Keineswegs. Sie lesen weiter das in biblische Texte hinein, was Ihnen gefällt. Das Zitat ist ein Aufforderung zur Vermehrung. Dagegen verstoßen nicht per se Homosexuelle, die mitunter leibliche Väter und Mütter sind. Gegen die Aufforderung verstoßen hingegen Personen, die keine Nachkommen zeugen, wie bspw. zahlreiche Priester, Bischöfe, Ordensleute der katholischen Kirche. Es springt ins Auge, wie Sie Bibelstellen nach Ihrem Gusto auslegen und die Aussage, die sie haben, so interpretieren, dass sie die kirchliche Lehre stützen.
Dann schreiben Sie: „Sie dürfen gerne ihre Meinung haben, ich versuche nur die Position der Kirche so zu erklären wie ich sie verstanden habe.“
Da machen Sie sich etwas einen schlanken Fuß. Sie erklären nicht nur die Position der Kirche, sondern Sie vertreten und verteidigen eine ganz bestimmte Richtung innerhalb der katholischen Kirche. Das ist etwas anderes und lange nicht so unschuldig, wie Sie es darstellen.
Zumal Sie mir die Position der katholischen Kirche, wie sie im Responsum zum Ausdruck kommt, auch gar nicht zu erklären brauchen. Schwer zu verstehen ist sie ja nicht. Es fällt nur sehr schwer, darin irgendein Argument zu erkennen, das auch nur im Ansatz überzeugen könnte.
Weiter führen Sie aus: „Letztendlich denkt aber die weltweite katholische Kirche von einem Menschenbild her, das die Zweigeschlechtlichkeit des Menschen zu einem hohen Gut macht und das sehr wohl biblisch ist.“
Zweigeschlechtlichkeit ist ein hohes Gut? In Abgrenzung zur Eingeschlechtlichkeit oder Dreigeschlechtlichkeit? Sie meinen wohl eher Verschiedengeschlechtlichkeit. Aber auch das stimmt ja nicht. In Orden, unter Klerikern etc. betrachtet die Kirche die Verschiedengeschlechtlichkeit keineswegs als hohes Gut.
Dann behaupten Sie: „Um das zu ändern bräuchte es, wie es Bischof Oster schrieb, mehr als nur eine Handvoll deutscher Bischöfe.“
Dies ist ein schönes Beispiel dafür, dass Sie eben nicht nur die Position der Kirche erklären, sondern klar eine bestimmte Richtung innerhalb der katholischen Kirche vertreten. Und da sind Sie alles andere als neutral. Denn Sie unterstellen, es gäbe gerade einmal eine handvoll deutscher Bischöfe, die – ja was eigentlich? Die das Menschenbild ändern wollen, das die Zweigeschlechtlichkeit (oder zu Ihren Gunsten interpretiert: die Verschiedengeschlechtlichkeit) zu einem hohen Gut macht? Das macht keinen Sinn, denn beides sind doch keine Güter.
Nein, was Sie damit insinuieren ist, dass allenfalls eine handvoll deutscher Bischöfe das Responsum kritisieren würde. Aber das ist grundfalsch. Die Kritik auf das Responsum war enorm! Sicher ist Ihnen das nicht entgangen. Wenn ich richtig sehe, war es eher umgekehrt: Fand sich überhaupt eine handvoll deutscher Bischöfe, die es befürwortet haben?
Mit freundlichen Grüßen
CT
Lieber Herr Bischof,
Sie haben in Ihrer Stellungnahme zum Responsum der Glaubenskongregation gesagt, dass Sie dankbar über diese Klarstellung seien und dass Sie davon ausgehen, dass dies zu einer größeren Einmütigkeit beitrage.
Nun zeigt sich aber das Gegenteil: Deutschlandweit finden nun aus Protest gegen Rom zahlreiche Segnungen homosexueller Paare statt, zu denen Priester explizit einladen. Unter dem Motto „jetzt erst recht“ gibt es Aktionen des Protestes gegen Rom mit Fahnen, Bannern und Plakaten etc. Es geht ein Riss durch unsere Kirche, und in mir wächst die Angst, dass wir erneut eine Spaltung erleben werden. Wäre es nicht klug gewesen und vielleicht auch legitimer, wenn Rom auf die Anfrage hin gesagt hätte: „Wir können in dieser Frage keine abschließende Entscheidung treffen, weil wir die Pläne Gottes nicht kennen, weil Jesus sich zu dieser Frage nicht geäußert hat, weil wir einerseits sehen, dass es homosexuelle Partnerschaften gibt, in denen sich die Partner auch einander in Liebe und Treue hingeben und Gott doch die Liebe ist und die Liebe will, weil wir aber andererseits auch nicht zurückkönnen hinter die Offenbarung der Schöpfungsordnung, dass Gott Mann und Frau auf die Weitergabe des Lebens hin geschaffen hat als Abbild seiner Liebe usw.“ Können wir wirklich so sicher sein, dass Gott so entscheiden würde, wie Rom entschieden hat?
Und was sagen Sie zu dem Argument, dass die Stellen in der Bibel, die die homosexuellen Beziehungen als Sünde und verwerflich werten, so nicht gelesen werden können, weil sie aus einer Zeit und Gesellschaft stammen, in der es keine echten homosexuellen Partnerschaften in Liebe gab, weil die Homosexualität eben nicht gesellschaftlich toleriert wurde und daher nur Abarten und Verwerflichkeiten in homosexuellen Kontexten stattfanden. Dies könne mit einer Lebenspraxis der heutigen Gesellschaften, in denen Homosexuelle tatsächlich feste, treue Liebesbeziehungen führen, nicht verglichen werden.
Was sagen Sie zu dem Vorwurf, es sei evangelikal, die Bibel so zu lesen, ohne den Sitz im Leben ernsthaft zu berücksichtigen?
Wie kann ich in dieser zerrissenen Kirche, in der es Schubladen gibt mit den Namen konservativ, rückwärtsgewandt, weltfremd und unzeitgemäß, oder liberal, weltoffen, zukunftsorientiert und zeitgemäß, nahe bei den Menschen usw., wie kann ich hier Heimat finden und mich positionieren, wenn ich in keine dieser Schubladen gehöre?
Ich bin gespannt auf Ihre Antwort!
Ganz herzliche Grüße,
CZ