Nach intensiven und offenen persönlichen Telefonaten wollen Prof. Johanna Rahner und Bischof Stefan Oster gemeinsam folgendes erklären.
Johanna Rahner räumt ein, den Rassismus-Begriff in eine angespannte kirchliche Debatte eingebracht und an einer bestimmten Stelle zugespitzt formuliert zu haben. Sie sieht, dass diese Zuspitzung in der ersten medialen Berichterstattung so forciert wurde, dass dadurch eine differenzierte Analyse der von ihr herausgearbeiteten strukturellen Parallelen zwischen der Debatte um Rassismus im politischen Amerika und der Debatte um Diskriminierung von Frauen in der Katholischen Kirche missverstanden und verkürzt werden konnte. Obwohl sie dafür keine Verantwortung trägt, bedauert sie dies dennoch, weil dadurch der Verdacht ermöglicht wurde, pauschale Rassismus-Vorwürfe erhoben zu haben.
Stefan Oster räumt ein, den Vorwurf des Rassismus medial verkürzt aufgenommen und auf sich selbst und andere bezogen weitergedacht zu haben. Seine empörte Reaktion erfolgte aufgrund der bereits zugespitzten Berichterstattung, durch die er Johanna Rahner unterstellt hat, ein lehramtliches Nein zur Frauenordination pauschal als Rassismus einzuordnen. Stefan Oster hat mit dieser Reaktion und der Ausweitung des Themas auf grundsätzliche Fragestellungen in Kauf genommen, dass seine Analyse als Drohkulisse verstanden werden konnte. Eine solche aufzubauen, lag nicht in seiner Absicht. Er bedauert, Johanna Rahners Vortrag undifferenziert und gefiltert zur Kenntnis genommen und dadurch Frau Rahners theologisches Bemühen negativ dargestellt zu haben.
Johanna Rahner zieht den angeschärften Begriff des ‚Rassismus‘ für die Debatte um Frauenrechte in der Kirche zurück und entschuldigt sich für den, in einer emotional aufgeladenen Atmosphäre in ‚Christ und Welt‘ erhobenen Verdacht, Stefan Oster habe ihre Äußerungen absichtlich falsch wiedergegeben.
Stefan Oster entschuldigt sich für die verkürzte Rezeption des theologischen Vortrags und bedauert, Johanna Rahners Stellung als katholische Theologin hinterfragt und sie damit zusätzlich zu öffentlichen Klarstellungen genötigt zu haben.
Mit dieser Stellungnahme wollen Stefan Oster und Johanna Rahner deutlich machen, dass auch in einer erhitzten Atmosphäre medialer Konfrontationen immer noch ein ehrliches Gespräch möglich ist. Beide anerkennen an der jeweils anderen Person den aufrichtigen Wunsch, auch bei unterschiedlichen Positionen und Perspektiven an einer guten Zukunft für die katholische Kirche und im Geist Jesu Christi arbeiten zu wollen.
Kommentare
Sehr geehrter Herr Bischof, ich habe mir die Mühe gemacht, die „Tatsachen“ zu prüfen und stelle hiermit für mich fest, dass es allein ihre Aufgabe gewesen wäre, sich zu entschuldigen. Sie lagen mit ihrer Positionierung vom 19.4.2021 falsch. Auch wenn ich die Emotionalität der Diskussion aus ihrer Sicht sehr gut nachvollziehen kann, hoffe nicht, dass ihre niedergeschriebenen machtpolitischen Worte zu einem inhaltlichen Rückzug von Frau Professor Rahmer geführt haben.
Ich denke ihre Entgleisung zeigt eher, dass es in unserer Kirche langsam Zeit wird für Veränderungen: Sollte meine Tochter nicht jede beliebige, von ihr angestrebte Aufgabe in der katholischen Kirche unabhängig von ihrem Geschlecht erreichen können (bzw. die Institution Kirche sich nicht an das deutsche Grundgesetz hinsichtlich Gleichbehandlung halten), werde ich meine Mitgliedschaft beenden. Und ich werde nicht alleine sein.
Mit freundlichen Grüßen,
De. Rainer Wilmink
Sehr geehrter Bischof Oster,
es ist sehr wohltuend, wie der Streit beigelegt wurde – so etwas gibt es heute kaum noch. Wir leben in einer Zeit der Polarisierungen. In den Medien wird ein schrilles Pauschalurteil oder ein Satz, der sich beim ersten Vernehmen so anhört, schnell verstärkt. Mit einer Äußerung, wie sie in Stuttgart leider gefallen ist, werden dann auch Ressentiments gegen die Kirche und gegen Gläubige geschürt. Letzteren werden dann gewisse Schlagworte um die Ohren gehauen.
Ihrem Einsatz ist es zu verdanken, dass sich das Gespräch wieder versachlicht und – wie Frau Rahner und Sie sehr treffend sagen – „im Geist Jesu Christi“ fortgeführt werden soll.
Im christlichen Glauben geht es in erster Linie um den Nächsten, der uns braucht (Mt 25,40), und um den Glauben an Gott. Großstrukturen sind letztlich sekundär und sollten nicht unnötig aufgebläht werden – hier wird viel Energie verschwendet. Lebendige Gemeinden zeichnen sich dadurch aus, dass die sozialen, nationalen oder geschlechtlichen Unterschiede ihrer Mitglieder an Bedeutung verlieren, weil eh alle Schwestern und Brüder (Gal 3,28) und Glieder des einen Leibes sind (1Kor 12,27).
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen weiter ein segensreiches Wirken!
Lieber Stefan,
es ist doch sehr irritierend, dass sich im theologischen Diskurs sich jemand bei Dir dafür entschuldigt, dass Dritte (nämlich die Medien) geäußerte Inhalte verkürzt rezipieren.
Johanna Rahner setzte sich in Ihrem im Rahmen der Veranstaltung mit Fragen der Gleichberechtigung von Frauen in der Kirche auseinander. Ich halte ihre Äußerungen im Rahmen der Veranstaltung, den ich mir inzwischen verschafft habe, für geboten, richtig und wichtig.
Dass Du auf Grundlage eines Web-Beitrages, eben ohne Vorliegen eines autorisierten Textes, die Eignung einer renommierten Theologin zum Lehramt in Frage stellst, sagt mehr über Deine Empfindlichkeit im Diskurs (an dem Du gar nicht beteiligt warst) als über die Befähigung zum Lehramt von Johanna Rahner.
Inhaltlich ist die tief im System verankerte Beschneidung von Frauenrechten innerhalb der katholischen Kirche – und nicht nur im CIC – kaum ernsthaft bestreitbar, legt man die gesellschaftlichen und politischen Maßstäbe des 21. Jahrhunderts an. Der CIC hier steht klar im Widerspruch zur Charta der Menschenrechte der Vereinten Nationen ebenso wie zum Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland. Der CIC ist ohne jede Frage an mehreren Stellen verfassungswidrig. Contra factum non est argumentum.
Die von Rahner gezogene Parallele zum politischen Kampf von Frauen um ihre Gleichberechtigung ist zulässig. Das Einfordern dieser Rechte ist geboten und ein aufrichtiger und wichtiger Dienst an der Kirche Jesu. Dein „Roma locuta, causa finita.“ im Bezug auf den Ausschluss von Frauen aus Weiheämtern wird keinen Bestand haben und versucht eine Diskussion zu unterbinden, die für den Bestand der Kirche in der Zukunft existentiell sein wird. Es ist der untaugliche Versuch, mittels Argumentationen aus dem 19. Jahrhundert, die Kirche von heute vor dem Jetzt und Hier – vermeintlich – zu schützen. Das Rad der Entwicklung lässt sich nicht zurückdrehen; und das stereotype Wiederholen des Umstandes, dass Jesus keine Frau war, wird nichts daran ändern, dass das Kirchenvolk, die Männer und Frauen, die eben Kirche sind, hier nicht mehr Aufhören werden, strukturelle Gerechtigkeit einzufordern.
Bemerkenswert fand ich, dass Du in Deinem empörten Beitrag zu den gegenständlichen Äußerungen, mit keinem Wort erwähntest, dass die Deutsche Bischofskonferenz in diesem Fragen inzwischen sehr heterogen aufgestellt ist. Dein Amtsbruder Fürst sprach sich im Rahmen der gleichen Veranstaltung ebenso für die Weihe von Frauen aus, wie Johanna Rahner das tat…
Im Gegenteil: nach Jahren des – von Dir völlig zurecht kritisierten – unreflektierten Konsumchristentums, machen sich – die verbliebenen – Katholikinnen und Katholiken auf, sich „ihre“ Kirche zurückzuerobern. Der Ruf nach „Aggiornamento“ wird nicht mehr verstummen. Wenn es uns gelingt, diesen Prozess geschwisterlich und in der Würde der Kinder Gottes anzugehen, wird die Kirche, die Du davor zu schützen suchst, gewinnen. Das wünsche ich uns.
Herzliche Grüße Berthold
Lieber Herr Nickl,
vielen Dank für Ihren Beitrag, der die Angelegenheit sehr gut auf den Punkt bringt!
Bedauerlicherweise verteidigt Bischof Oster noch immer ein längst obsolet gewordenes antiaufklärerisches, monarchisches Modell von Kirche, in der Obrigkeitshörigkeit, Gehorsam und absolute Loyalität mit dem Lehramt zur Christenpflicht erklärt und der autonome Vernunftgebrauch verpönt wird. Es ist ein Modell, in dem nicht die Kirche als Gemeinschaft aller Gläubigen den „Leib Christi“ bildet, sondern die Kirchenorganisation: Nur der Kopf der Organisation kann die richtigen Entscheidungen fällen, nicht aber die Köpfe der Gläubigen. Wenn sie von ihrer Vernunft freien Gebrauch machen und ihre Einsichten freimütig artikulieren, erntet dies Empörung und den Ruf nach Konsequenzen. Wer so agiert ist nicht an der Wahrheit interessiert, sondern an Macht und Machterhalt. Glücklicherweise findet dieses Modell immer weniger Anhänger und wissen sich immer mehr Gläubige ihrer Vernunft, ihrem Gewissen, ihrem Herzen, ihrem Glauben und ihrem Gott mehr verpflichtet als ihrem Monarchen.
Wer glaubt, dass Gott im Herzen und in der Vernunft der Gläubigen spricht, darf sich nicht dafür einsetzen, dass der dort unüberhörbare deutliche Schrei nach mehr Gerechtigkeit, Autonomie, Freiheit, Chancengleichheit, Partizipation etc. in der Kirche zum Schweigen gebracht wird. Eigentlich sollten Bischöfe die ersten sein, die sich dafür einsetzen, diese Werte in ihrer Kirche zu mehren und Kirche so zu gestalten, dass diese in ihr zum Strahlen kommen. Sie müssten diejenigen sein, die sich am entschiedensten, vehementesten und beharrlichsten dafür einsetzen. Sie müssten die entschiedensten Anwälte der Diskriminierten und Ausgeschlossenen sein.
Ich möchte Sie, Herr Bischof Oster, direkt fragen: Warum um alles in der Welt haben Sie sich für die andere Seite entschieden? Warum treten Sie lieber für den Erhalt diskriminierender Strukturen ein und prangern jene an, die diese offenlegen? Ich empfinde das als zutiefst verstörend. Erst recht, wenn Sie dabei sogar nicht einmal davor zurückschrecken, katholische Medien dazu aufzurufen, derlei Stimmen künftig nicht mehr zu Wort kommen zu lassen, und an Ihre Kollegen appellieren, stärker zensierend in die Auswahl der Wissenschaftler an katholisch theologischen Fakultäten einzugreifen. Noch verstörender ist es, wenn Sie sich sich im direkten Anschluss an Ihren Aufruf zu mehr Zensur bereits vorauseilend als Opfer von „Hatespeech oder zugespitzter Polemik“ inszenieren und dadurch zu erwartende kritische Reaktionen von vornherein desavouieren. Für all das haben Sie sich nicht entschuldigt. Warum?
Mit freundlichen Grüßen
CT
Lieber Berthold,
Frau Rahners strittige Äußerung möchte ich jetzt nach der Versöhnung nicht erneut aufgreifen. Sie selber hat sich im Nachhinein dazu erklärt, wie sie diese verstanden wissen will, und eine Diskussion darüber, ob ihre Worte faktisch oder in Analogie oder im Kontext einer US-amerikanischen Debatte verstanden werden sollen, halte ich für wenig ersprießlich.
Wir sind ja (und da schließe ich mich nicht aus) gerade im virtuellen Gespräch schnell dabei, sehr grobe Kategorien zu verwenden (z. B. modern vs. antimodern oder ähnliche), die oft wenig geeignet sind, die konkreten Ansichten des Gesprächspartners zu erfassen. Wie der Apostel Paulus einmal sagte: „Noch sehen wir die Welt wie in einem Zerrspiegel…“
Grundsätzlich denke ich, dass die katholische Lehre sicher nicht perfekt, aber viel besser als ihr Ruf ist. Es gibt Basics des Glaubens, bei denen es gut ist, „sie nicht aufzuheben, sondern sie zu erfüllen“. (Mt 5,17)
Jesus war bekanntlich kein Jurist und an Ämterfragen nicht interessiert (die übrigens sowohl von liberaler als auch konservativer Seite überbewertet werden). Ihm ging es um Berufung, Sendung und solche Dinge. Wir stehen heute vor der Aufgabe, wie Christinnen und Christen im Alltag ihre je persönlichen Berufung finden und im Alltag so wirken können, das daraus gute Früchte wachsen. Mit dem richtigen Weinstock wird das auch klappen. Von daher bin ich jedem dankbar, der mit seinem Tun dazu beiträgt, unseren Glauben zu vertiefen – sei es eine Professorin, ein Bischof, ein polnischer Handwerker oder die Nachbarin.
Ist es Provinzialismus (Unkenntnis anderer Mentalitäten und Kulturen) oder liegt es an unserem Nationalcharakter, dass wir immer wieder meinen, die Welt – und in diesem Fall die Weltkirche – Mores lehren zu müssen?
Die besonders in Deutschland und Österreich populäre Forderung nach der Frauenordination betreffend, stellt sich die Frage, warum Christus, der sich sonst dem Zeitgeist und den patriarchalischen Konventionen seines Landes oder den Lehren der Pharisäer nie unkritisch unterwarf, dies ausgerechnet bei der Berufung jener Zwölf getan haben sollte?
Nach meinem Eindruck hängen die hitzigen ideologischen Debatten um „fortschrittliche“ Themen wie die Frauenordination eng mit dem Glaubensverlust zusammenhängen, dessen Folgen schon Chesterton treffend beschrieb [jeder kennt seinen berühmten Satz: „When men stop believing in God they don’t believe in nothing; they believe in anything“ – im Zweifelsfalle an den sprichwörtlichen „Fortschritt“ …].
Ich bin der Überzeugung, dass die Kath. Kirche mit Konzessionen an den populären Zeitgeist, und insbesondere mit der Übernahme ideologischer Positionen, die durch keinerlei Beispiel in den Evangelien belegt sind, an Glaubwürdigkeit nur verlieren kann. Die Evangelische Kirche geht diesen Weg der „Anpassung“ seit Jahren und [wie an der durchgehend höheren Zahl von Kirchenaustritten abzulesen ist, vgl. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/4052/umfrage/kirchenaustritte-in-deutschland-nach-konfessionen/ ] – vergleichsweise erfolglos…
Sehr geehrter Herr Dr. Hein,
Ihre Ausgangsfrage lässt sich leicht beantworten: Moralvorstellungen zu haben, deren Gültigkeit sich nicht auf die eigene Person, Familie oder Sippe beschränkt, ist keinerlei Indiz für Provinzialismus oder Nationalcharakter. Ganz im Gegenteil findet man zu ihnen gerade durch die Kenntnis anderer Mentalitäten und Kulturen.
Buchstabieren Sie das Argument von der Berufung der Zwölf auf den Ausschluss von Frauen vom Priesteramt in der katholischen Kirche doch einmal aus. Dann erkennen Sie selbst, wie schräg es ist.
Und schließlich darf der alte Vorwurf der „Anpassung an den Zeitgeist“ nicht fehlen. Natürlich. Aber was soll denn die „Anpassung an den Zeitgeist“ sein? Warum ist ausgerechnet die Ordination von Frauen eine „Anpassung an den Zeitgeist“, aber nicht Ihr Posten von Beiträgen auf einer Webseite oder Ihr Versuch mittels Statistiken über Kirchenaustritte zu argumentieren? „Anpassung an den Zeitgeist“ ist doch nur eine rhetorische Hülse, in die man selektiv das Abzulehnende packt, wenn man wirklich keinerlei Argumente (mehr) hat.
Und das Argument über die Austrittszahlen in der evangelischen Kirche trotz ihrer „Anpassung“, ist von vornherein schräg, schließlich ist die Prämisse, die Abschaffung von Geschlechterdiskriminierung in der katholischen Kirche bezwecke die Vermeidung von Kirchenaustritten, ja schon offenkundig falsch.
Mit freundlichen Grüßen
CT
Sehr geehrter Herr Tuillon,
Steffen Hein hat eine berechtigte Frage aufgeworfen, die man auch so formulieren könnte: Warum sollte gerade der Teil der Weltkirche, der momentan vielleicht am stärksten vom Glaubensschwund betroffen ist, jetzt die Richtung für Reformen vorgeben?
Warum sollen die in der Liebe zu Jesus Christus träg gewordenen Deutschen jetzt die Benchmark sein? Warum nicht diejenigen auf anderen Kontinenten, die vitale und wachsende Gemeinden haben und eine ansteckende Freude am Glauben?
Sehr geehrter Herr Baus,
Ihre Fragen kann ich im Beitrag von Herrn Dr. Hein wahrlich nicht erkennen.
Ich würde auf sie wie folgt zurückfragen: Wer hat je gefordert, dass „die Deutschen“ die Benchmark für etwas sein sollen? Wer würde je eine solche Forderung aufstellen wollen? Woher wissen Sie, dass die Deutschen in der Liebe zu Jesus Christus träg geworden sind?
Ich finde es anmaßend und hochmütig, wenn man denjenigen, die Reformen herbeisehnen, immer die Liebe zu Jesus Christus abspricht. Wer dies tut, versucht einen (freilich unbelegbaren, frei gemutmaßten) Frömmigkeitsmangel als Argument gegen die Reformen ins Feld zu führen. Natürlich ist das ein Fehlschluss, der die Ebene der Frömmigkeitspraxis mit der Ebene von Argumentationsinhalten vermischt. (Meist ist so ein rhetorischer Zug ein gutes Anzeichen dafür, dass demjenigen, der hierauf zurückgreift, die Argumente ausgegangen sind.)
Die Frage ist überhaupt nicht, wer eine Benchmark vorgeben darf. Die Frage ist, welche Kritik berechtigt ist. Welcher Nation der Kritiker angehört, ob in seinem Land die Mitgliederzahlen zu- oder abnehmen und welche Emotionen er (oder seine Nation?) beim Glaubensleben hat, spielt für die Beurteilung seines Arguments überhaupt keine Rolle.
Mit freundlichen Grüßen
CT
Herr Stefan Baus hat meinen Kommentar sehr gut verstanden, lieber Herr Tuillon. Warum sollten ausgerechnet die der Kirche weitgehend entfremdeten deutschen Katholiken der Weltkirche die Richtung vorgeben?
Ich habe viele Jahre in anderen Ländern gelebt, nur in Deutschland begegne ich dieser Überheblichkeit, die übrigens auch Ihr Kommentar widerspiegelt, wo Sie „Argumente“ verurteilen, die viele durchaus anders bewerten. (Und eben dies nicht zu sehen und anzuerkennen, nenne ich Provinzialismus…)
Ich finde es wohltuend, wie sachlich und unaufgeregt hier zur Sache geschrieben wird. Herzlichen Dank dafür und schönen guten Abend!
Am Ende geht es m.E. um drei Themenkreise:
1. Oster./. Rahner wg. des Vergleichs von kirchlicher. Frauendiskriminierung mit dem amerikanischen Rassismus
2. Die Rolle der Frau in der katholischen Kirche im 21. Jahrhundert
3. Das Spannungsfeld zwischen der Weltkirche und den deutschen Ortskirchen
ad 1.
Dass die Institution Kirche aus vielerlei Gründen, die nicht allesamt in ihr selbst begründet liegen, von innen und außen massiv hinterfragt wird und aufgerufen ist, Zeugnis über sich selbst abzulegen und zu sagen „wes Geistes Kind“ (vgl. Lk 9,55) sie ist und wer sie sein will, ist unzweifelhaft.
Dass sich die Kirche durch den konsequenten Ausschluss von Frauen von Weiheämtern – was in der Struktur der Kirche zwingend einen Ausschluss von Kult (Liturgie) & Macht bedeutet – sich in den gesellschaftlichen Dissens begibt, ist ebenso offensichtlich.
Daher war die Einrede von Johanna Rahmer, unabhängig davon, ob man ihr inhaltlich folgen mag, zunächst berechtigt. Das muß Kirche aushalten. Das muß auch ein Bischof aushalten können. Die Forderung von Bischof Oster nach Segregation, Zensur, Abstrafung ist unschicklich, das „Zeigen der Waffen“, in dem der Entzug der Missio canoica inplizit ins Spiel gebracht wurde, ist ein Rückfall in ein Gesprächs- und Diskussionsklima in Zeiten, in denen die Glaubenskongregation noch Inquisition hieß.
ad2.
Die Frage nach der Teilhabe von Frauen an Dienst und Macht der Kirche ist nicht mehr abmoderierbar. Nicht mit der „Lantershofener Exegese“, dass Jesus vermeintlich keine Frau (war das wirklich so?) in den Apostelkreis berufen hatte, nicht damit, dass die Verknüpfung von liturgischen Amt und (nicht demokratisch legitimierter) Macht Frauen per se aus allen relevanten Ämtern ausschließt, nicht mit dem mantrahaften Wiederholen der seit 100 Jahren gleich schwachen Argumente. Insoweit ist die Frage nicht, ob Frauen in der Kirche gleichberechtigt sein werden, sondern nur wie und wann. Und verbunden mit der Frage, ob die institutionalisierte Teil dieses Prozesses sein kann und will.
ad3
Die Spannung zwischen der Weltkirche und den deutschen Ortskirchen unterstreicht eines: die Kirche ist – neben ihrer dogmatisch Verfasstheit – auch immer Resonanzkörper und Spiegelbild der Gesellschaft. Dass bedeutet nicht das unreflektierte Mitschwimmen mit gesellschaftlichen Trends. Insbesondere im Schutz der unveräußerlichen Lebensrechte erhebt die institutionelle Kirche zurecht laut und entschieden ihre Stimme. Dennoch kann die Kirche nicht weiter ignorieren, dass sich Geschlechterrollen ebenso verändert haben, wie das Verständnis von auf Teilhabe und Mitbestimmung basierten Machtstrukturen. Da sich diese Gegebenheiten überall auf der Welt unterschiedlich und vor allem ungleichzeitig entwickeln, kann es nicht die Lösung sein, wenn die Kirche möglichst engführend an dem Überbrachten festhält, was zweifellos in Teilen der Ortskirchen jeden Rückhalt verloren hat. Es ist sicher ein Missverständnis zu glauben, dass der Weg, möglichst viele Menschen so aus der Kirche zu jagen, ein Dienst an der Kirche im Sinne Jesu wäre. Sein Wunsch nach Einheit der Seinen im Johannesevangelium ist kein Freifahrschein der Institution Kirche möglichst rücksichtslos und unbarmherzig über Menschen und deren Wunsch nach einer geschwisterlichen und demokratischen Kirche hinwegzugehen. Es ist eine Einladung zum Dialog der Getauften, auch im gemeinsamen Schauen auf Ihn UND auf die Welt im Bestreben, dass „alle eins“ sind.
Drohgebärden, Ausgrenzung und Schuldzuweisungen erweisen der Einheit einen Bärendienst.
Vielmehr kann in der Kirche Platz für mehrere Rollen- und Strukturmodelle sein. Der letzte Kanton, der in der Schweiz den Frauen das Bürgerrecht zustand, war Appenzell/Innerroden im Jahr 1990….
Lieber Herr Nickl,
Ihren Worten kann ich nur zustimmen.
Bezeichnend und bedauerlich ist allerdings, dass sich Bischof Oster an dem sachlichen und unaufgeregten Austausch zur Sache nicht beteiligt. Obwohl er eigentlich der Betreiber dieses Blogs ist, nimmt er inhaltlich an so gut wie keiner Auseinandersetzung seiner LeserInnen teil. Ich habe ihm hier schon mehrmals sehr einfache und konkrete Fragen direkt zu seinen Äußerungen gestellt. Keine davon hat er bislang beantwortet.
Er versteht sich offenbar nicht als Diskussionsteilnehmer, schon gar nicht als Gesprächspartner auf Augenhöhe. Seine Rolle, die er hier einnimmt, ist die des Themenlieferanten, des Agenda-Setters, des Predigers. Auf Kommentare reagiert er – so meine Beobachtung – nur, wenn sie salbungsvoll ihm schmeicheln. Dann reagiert er anerkennend und wohlwollend. Oder wenn ehrfürchtig weitere Hilfestellung erbeten wird. Lässt man indes eine abweichende Auffassung erkennen, ist das „Gespräch“ beendet.
Das ist eine klassische Konditionierung der Leser seines Blogs: Wer ihn lobt, wird mit einem Kommentar belohnt. Wer sich kritisch äußert, wird ignoriert.
Es zeigt die Geisteshaltung, um die es auch bei der Reform der katholischen Kirche geht. Es ist die Geisteshaltung „von oben herab“. Es ist die Geisteshaltung des Monarchen: Wer mir huldigt, dem wende ich mir zu. Wer mich kritisiert, von dem wende ich mich ab. Die Fließrichtung ist stets von ihm zum Volk. Und nur in diese Richtung.
Das Volk wird nur aus rhetorischen Gründen mit „Geschwister im Glauben“ angesprochen. Betrachtete er sie wahrhaft als Geschwister im Glauben, würde er sie ernst nehmen. Er würde ihnen mindestens genauso viel zuhören, wie sie ihm zuhören. Er würde sie darum bitten, seine Worte kritisch zu prüfen und ihm durch kritisches Feedback zu helfen, die Wahrheit besser zu erkennen. Er würde den Austausch mit ihnen suchen, sie nach ihren Erkenntnissen fragen. Und er würde ihnen auf ihre Fragen antworten. All das ist nicht der Fall.
Meines Erachtens geht es bei der Reform der katholischen Kirche genau um diese Geisteshaltung. Es geht darum, sie als Ausdruck und Instrument von Macht, Überlegenheit, Unterdrückung, Ungleichheit, Ausschluss, Ignoranz etc. zu entlarven und stattdessen selbstbewusst Partizipation, Austausch auf Augenhöhe, Offenheit, gegenseitige Würdigung, Kritikoffenheit, Lernbereitschaft etc. einzufordern. Wenn Kirche sich weiter weigert, genau für letzteres zu stehen, wird sie weiter ebenso abgelehnt werden wie die Geisteshaltung der Überlegenheit, an der sie festhält.
Mit freundlichen Grüßen
CT