Der Himmel ist offen – wie geht der Weg dahin? Die Predigt von Bischof Stefan Oster zum Patrozinium des Passauer Stephansdom am 26. Dezember 2016.
Liebe Schwestern und Brüder im Glauben,
gestern haben wir die Geburt unseres Erlösers hinein in diese Welt gefeiert. Heute feiern wir die Neugeburt des ersten christlichen Blutzeugen hinein in den Himmel. Auf dramatische Weise erinnert die Kirche am Fest des Hl. Stephanus daran, was das Ziel des Kommens Jesu ist: Er ist gekommen, damit sich für den Menschen der Himmel wieder öffnet, damit es für uns Menschen einen Weg zurück zum Vater gibt.
Der Weg zum Himmel ist offen
Stephanus ist der Zeuge dafür. Sterbend ruft er: „Ich sehe den Himmel offen und den Menschensohn zur Rechten Gottes stehen.“ Jesus ist gekommen, um uns Weg zu sein und um selbst die Tür zu sein, die Tür zum Vater. Er will, dass wir mit ihm zur Rechten des Vaters stehen werden. Aber die Kirche macht mit den biblischen Texten im heutigen Gottesdienst überaus klar, dass der Weg dorthin, der Weg mit Jesus zurück einer ist, der normalerweise nicht nur einfach ist.
Wir haben einen Text aus dem Matthäus-Evangelium gehört. Jesus sendet die Jünger aus mit einer kraftvollen, Mut machenden Rede. Er gibt ihnen Vollmacht, in seinem Namen zu handeln. Aber in dem Ausschnitt, den wir eben gehört haben, fügt er auch hinzu: „ Ich sende Euch wie Schafe mitten unter die Wölfe.“ Das beunruhigt die Jünger natürlich. Aber der Herr selbst beruhigt sie. Er selbst werde ihnen beistehen, bis zum Ende der Welt. Und sein Geist, der Heilige Geist, werde sie stützen, werde sie befähigen zu reden. Und der Geist werde sie im Frieden behalten und sie befähigen, standhaft zu bleiben.
Himmel? Um welchen Frieden geht es?
Liebe Schwestern und Brüder im Glauben, an Weihnachten hören wir die Friedensbotschaft schlechthin: Frieden auf Erden den Menschen von Gottes Gnade. Alle, die sich für Jesus öffnen, haben Zugang zum Frieden, zu einem Frieden, der vom Himmel kommt. Und der dann hoffentlich in unsere Welt hinein ausstrahlt und den Weg zum Himmel weist.
Und trotzdem heißt das gerade nicht, dass den Jüngern Jesu alle Menschen auf der Erde friedlich begegnen werden. Im Gegenteil: Wir hörten eben in der Rede Jesu auch den strengen Satz: „Ihr werdet um meines Namens willen von allen gehasst werden“. Und Stephanus ist sogleich eine Art Prototyp dieses schweren Weges: Er erfährt den Hass derjenigen, die damals religiös das Sagen hatten, ein gewisser Saulus ist auch unter ihnen.
Warum hassen sie Stephanus?
Warum hassen sie ihn? Weil Stephanus mit Freimut, voll Geist und Kraft, das Evangelium von Jesus dem Auferstandenen bezeugt. Von dem, von dem es heißt, dass wir nur durch ihn gerettet werden, von dem, der eine neue Kraft, eine neue innere Freiheit schenkt, die es nirgendwo anders gibt, außer bei ihm. Und das können die nicht leicht hören, die sich einbilden, dass sie selbst Verwalter der Wahrheit sind.
Oder die, die sich einbilden, dass sie aus eigener Kraft zum Heil kommen. Da wirkt die Botschaft: Heil gibt es nur durch Jesus bedrohlich. Sie wollen es nicht hören. Aber genau dieser Jesus schenkt dem Stephanus eine Aufrichtigkeit und Liebe ins Herz, die ihn befähigt, selbst in seinem brutal erlittenen Sterben durch Steinigung immer noch für seine Mörder zu beten. Wie Jesus am Kreuz.
Der Weg mit dem Herrn: Leicht und schwer zugleich
Liebe Schwestern und Brüder, der Weg mit Jesus, der an jedem Weihnachten für uns immer wieder neu beginnt, ist beides zugleich: leicht und schwer. Wie leicht lassen wir uns in diesen Tagen das Kind in der Krippe ans Herz legen. Wie leicht und gern feiern wir seine Geburt, wie warm wird uns ums Herz angesichts der vielen Erinnerungen, die wir mit Weihnachten verbinden. Aber jeder und jede von uns hat sein Päckchen zu tragen. Bei niemandem wird das ganze Leben einfach nur leicht sein. Und bei vielen wird ein überzeugter Glaube das Leben oft noch schwerer machen.
Die zahllosen Christen, die auch heute in vielen Ländern der Welt verfolgt werden, bezeugen das: Nur weil sie ihren Weg mit Jesus gehen, werden sie unterdrückt, gehasst, verfolgt, getötet. Und wenn wir ehrlich sind: Ein klares Bekenntnis zu Christus macht auch uns in einer Welt, die so oft Gott nicht mehr kennt, keinesfalls immer nur Freunde. Es ist oft nicht leicht, heute mit Freimut ein Jünger Jesu zu sein und sich damit auch zu solchen Wahrheiten zu bekennen, die viele in unserer Gesellschaft nicht gut hören können.
Offener Himmel: Für die verfolgten Christen beten
Liebe Schwestern und Brüder, das Weihnachtsfest lädt uns ein, Jesus lieben zu lernen – und dann mit ihm zu gehen auf dem Weg durch die Welt. Wie Jesus als Mensch selbst größer geworden ist, ein Jugendlicher und dann ein Mann, so will auch der Glaube an ihn in uns wachsen und tiefer und fester werden. Damit wir immer fähiger werden, ihn zu bekennen. In Wort und Tat.
Zum Beispiel, indem wir denen beistehen, die wirkliche Not leiden; oder solchen, die bei uns zuhause sein wollen, weil sie fliehen mussten. Die aber noch niemanden haben und von vielen abgelehnt werden. Oder eben den Christen in den Ländern der Verfolgung. Ja, Christen werden verfolgt, aber Christen verfolgen nicht! Und wenn sie es tun, verraten sie ihren Herrn. Christen schenken Liebe und sind versöhnungsbereit, weil sie wie Stephanus vertrauen, dass der Himmel für sie schon offen steht. Und weil sie andere in diesen Himmel mit hineinlieben wollen. Amen.
Kommentare
Sehr geehrter Herr Bischof!
Ihre Predigten leisten für mich in der Regel sehr große Hilfe an meinem Glaubensweg. Es ist zu bewundern: In unserer Kirche in Deutschland tritt
auf ein Christ – sogar ein Bischof – der mit Offenheit sein Glaube an Jesus
Christus verkündet.
Doch manches Mal muss ich mit mir selbst ringen um eine Alternative:
Soll ich sagen, was mir am Herzen brennt – dann werde evtl. zum
Spielverderber, oder wie oft -schweigen. Und es ist mir auch bewusst:
Vielleicht wissen Sie sogar besser als jemand anderer, wie es tatsächlich
mit dem Glaube bei uns in Deutschland bestellt ist, doch Ihre
Verantwortung für unsere Kirche noch einmal eine andere ist, als z.B.
meine und auch die Konsequenzen für das Gesagte. Deswegen das, was
ich jetzt bemängele, sich keinesfalls gegen Sie richtet.
Obwohl kann nicht sagen, dass die ganze Kirche in Deutschland kenne,
doch dass, was bis jetzt erfahren habe zeigt mir – früher oder später werden Christen, die es mit ihrem Glaube ernst meinen, aufhören zu kokettieren mit
der Wirklichkeit. Und vor allem in unserer eigenen Kirche.
„Es ist oft nicht leicht, heute mit Freimut ein Jünger Jesu zu sein und sich
damit auch zu solchen Wahrheiten zu bekennen, die viele in unserer
Gesellschaft NICHT GUT HÖREN KÖNNEN .“ – das Gesagte gilt vor allem für
die Kirchenmitglieder und – was besonders bitter ist – für meiste Amtsträger.
Es kommt meistens zum Widerstand gegen diese Wahrheiten und dieser Widerstand hat viele Gesichter. Die Welt hat sich der Wahrheit nicht
verpflichtet und Liebeserklärung abgelegt, wir Christen aber – sehr wohl.
Vielleicht wird das für mehr Klarheit sorgen: Ich bin ein Russlanddeutscher,
63 Jahre alt, Diakon mit Zivilberuf.
Sehr geehrter Herr Diakon Schäfer, danke für die Rückmeldung. Ja, ich glaube es wird heute mehr denn je darauf ankommen, den Glauben auch inhaltlich in seiner Tiefe und Klarheit zu verkünden und zu bekennen. Und ja, das wird uns auch etwas kosten, jeden, der darin versucht authentisch zu sein. Aber da ging es unserem Herrn und den Aposteln auch nicht viel anders. Und die heiligen Männer und Frauen unserer Kirchengeschichte zeigen es ebenfalls sehr deutlich: Authentisches Glaubenszeugnis lässt nicht gleichgültig, sondern ist entweder anziehend oder stößt auf Ablehnung. Aber selten bleibt gegenüber einem solchen Zeugnis jemand neutral oder gleichgültig.Das passiert eher dort, wo der Glaube auf ethische Benimmregeln reduziert wird oder auf „Werte“ (welche?) und damit niemanden herausfordert, aber auch niemandem weh tut. Herzlicher Gruß SO