Bild: Pressestelle Bistum Passau

Wer ist der Regisseur meines Lebens?

Wer ist der Regisseur meines Lebens: Ich selbst oder Gott? Die Predigt von Bischof Stefan Oster am Ersten Weihnachtsfeiertag 2016 im Passauer Dom, Lesung Hebr. 1,1-6.

Liebe Schwestern und Brüder im Glauben,
in Zeiten wie diesen, hört man immer wieder einmal Umfragen wie die folgende: „Welche Rolle spielt Gott in Ihrem Leben?“ Und eine der Antworten, die ich gelesen habe, hat mich beeindruckt. Eine Person sagte: „Gott spielt in meinem Leben keine Rolle – er ist der Regisseur.“ Dieser Satz ist so oder ähnlich in jüngster Zeit immer wieder einmal von Christen zu lesen.

Wer ist der Regisseur meines Lebens: Ich selbst oder Gott?

Und ein Mensch, der diesen Satz sagt, ist vermutlich der Ansicht, dass Gottes Wirken in der Welt nicht nur Teilbereiche umfasst, sondern von einer umfassenden Umsicht und Übersicht über die Welt geprägt ist, aber zugleich auch von Gottes Detailkenntnis von meinem persönlichen Leben.

Er lässt mich eine Rolle im Spiel der Welt spielen, er weist mir den Platz und das Handeln und andere Personen zu, er stellt mir Aufgaben und wachsende Herausforderungen, er setzt mich gemäß meinen Begabungen und Talenten ein. Er inszeniert gleichsam ein Theaterstück, in dem er selbst alles in der Hand hält und von dem nur er die ganze Handlung und das Ende vollständig kennt.

Gott der Regisseur?

Um ehrlich zu sein, so ein Bild von Gott als Regisseur haben zweifellos nur ganz wenige Menschen. Die meisten von uns denken und fragen vielmehr: Wo ist er denn? Warum lässt er denn das viele Leid zu und so viel Krieg? Und Terror? Wie zuletzt in Berlin, mit Toten, Verletzten, Trauernden, mit Angst und Schrecken? Oder warum bekomme ausgerechnet ich immer nochmal eine drüber, wo ich doch gläubig sein möchte? Und warum lässt er so viele Menschen einsam und allein? Ausgerechnet an Weihnachten?

Gott als Regisseur? Fehlanzeige! Nun, ich glaube, der Inhalt des Weihnachtsfestes und die Botschaft, die uns heute der Hebräerbrief zu diesem Fest geschenkt hat, die geben irgendwie beiden Seiten recht. Sie geben denen Recht, die behaupten, Gott lenke die Welt und auch ganz persönlich mein und dein Leben. Und sie geben denen Recht, die sagen: Im Grunde spürt kaum jemand, dass es da einen Gott gibt, der auch nur ein einziges Leben irgendwie lenken soll. Wie kommt das?

Gott und sein Lieblingsgeschöpf – im heilen Anfang

Der Hebräerbrief sagt im ersten Satz der heutigen Lesung: „Viele Male und auf vielerlei Weise hat Gott einst zu den Vätern gesprochen durch die Propheten.“ Das hat er tatsächlich, wenn wir dem Alten Testament glauben. In der Erzählung von der Schöpfung im Alten Testament ist es nämlich so, dass Gott zunächst der allergrößte Regisseur von allen ist, und Dramaturg und Bühnenbildner und Ausstatter und vieles mehr – alles in einem. Er macht alles und der Mensch darf in diesem wunderbaren erschaffenen Theater die Hauptrolle spielen, die da heißt: Gottes Ebenbild mitten in seiner Schöpfung zu sein.

Und die Kommunikation zwischen dem Regisseur und dem Hauptdarsteller Mensch, die läuft von Herz zu Herz, sie verstehen sich gewissermaßen blind. Der Mensch weiß intuitiv, wie Gott sich das gedacht hat mit seiner Schöpfung. Und daher darf der Mensch auch an den Gedanken Gottes teilhaben und zum Beispiel den Tieren Namen geben, so heißt es im Schöpfungsbericht, weil er deren inneres Geheimnis auch versteht. Der Mensch ist in diesem heilen Ursprung der Priester der Schöpfung, der Kommunikator von Gottes Liebe hinein zu den anderen Geschöpfen und der, der sie vor Gott auch als dessen Lieblingsgeschöpf repräsentiert.

Der unverständige Mensch als Regisseur des eigenen Lebens

Aber, wir alle wissen, wir sind nicht mehr im Paradies. Es ist eine Katastrophe passiert, die den Menschen verändert hat. Die Schrift beschreibt sie in den Bildern vom Sündenfall. Das Herz des Menschen ist verdunkelt. Er versteht die Herzenssprache Gottes nicht mehr.

Er ist nun viel zu sehr um sich selbst besorgt und dreht sich nur noch um sich selbst. Und er muss sich jetzt alles sichern, weil er nicht mehr glaubt, dass ihm alles von alleine zufällt. So entstehen menschliche Wesen, die beschließen, sich von niemandem dreinreden zu lassen, die beschließen zuallererst selbst Regisseur des eigenen Lebens zu sein.

Gott schickt Propheten

Und jetzt, sagt der Hebräerbrief, in dieser Situation erweckt Gott immer wieder besondere Menschen, Propheten, die wieder neu in der Lage sind, mitten im ganzen Ego-Trubel doch noch auf Gottes Stimme zu hören und sie als Regieanweisungen den Menschen mitzuteilen. Das sind manchmal sehr leise und manchmal sehr laute Töne in der Geschichte Israels.

Und dennoch, das Gesamtergebnis der Propheten erscheint eher mager: Die Fähigkeit der Menschen auf die Stimme des Regisseurs neu zu hören, bleibt begrenzt. Die meisten können oder wollen nicht hören. Und da geschieht nun das Unerhörte, das im zweiten Satz des Hebräerbriefes von heute zum Ausdruck kommt.

Der Regisseur wird Teil des Stücks

Da heißt es: „In dieser Endzeit aber hat er zu uns gesprochen durch den Sohn, den er zum Erben des Alls eingesetzt und durch den er auch die Welt erschaffen hat. Dieser Erbe, heißt es weiter, er trägt das All durch sein machtvolles Wort.“ Das heißt nun in unserem Bild gesprochen ungefähr Folgendes: Derjenige, der eigentlich der Regisseur ist, der sich alles ausgedacht und alles erschaffen hat, er beschließt jetzt selbst, Teil des Stückes zu werden.

Er übernimmt eine Rolle. Er beschließt mit letzter und folgenreichster Konsequenz, sich selbst in das Spiel hineinzubegeben und ein Mitspieler zu werden, um die anderen Mitspieler dazu zu bewegen, selbst in die Lage zu kommen, den Sinn des Stückes und den Geist des Regisseurs wieder neu zu erfassen.

Der Sinn des Stückes

Dieser Sinn heißt: Eucharistia, also Dank, er heißt Liebe umsonst, er heißt Frieden und er heißt Lob Gottes. Und er will zeigen, dass es für die Mitspieler wirklich um alles geht. Er will, dass dass sie entweder den Sinn verstehen und danach leben oder dass sie ihn verweigern und folglich sterben müssen; deshalb zeigt der Regisseur als Mitspieler alles, bis ins Letzte, mit allen Konsequenzen – bis zum eigenen Sterben.

Und er offenbart, er sagt ihnen damit etwa Folgendes:  „Versucht mich zu verstehen, zu lieben, meinen Geist zu erfassen, vertraut auf mich und lernt von mir die Sprache des Regisseurs neu verstehen, lernt eine Herzenssprache, die Wahrheit heißt und Liebe. Dann werdet ihr wirklich begreifen, von Innen her; am Anfang eher leise und vielleicht kaum merklich, später immer tiefer und klarer. Ihr lernt verstehen, dass Gott an Weihnachten begonnen hat in eurem Leben eine konkrete Rolle zu spielen, für euch und mit euch. Aber er hat euch Weihnachten geschenkt um euch nach und nach damit vertraut zu machen, dass er selbst und niemand sonst auch der Regisseur des ganzen Stückes ist.“ So etwa lautet die Botschaft – wenn wir im Bild des Theaters blieben.

Er ist der Logos, der ganze Sinn

Und Gott hat darin auch gezeigt, dass es gefährlich ist, nach dem Ereignis der Menschwerdung des großen Regisseurs, dieses Ereignis gering zu schätzen. Denn alle Mitspieler sind zur Liebe geschaffen, zu einer Liebe, an der sie erst Anteil bekommen, wenn sie anfangen all ihr Vertrauen wirklich auf den menschgewordenen Regisseur zu setzen. Erst das bringt den wirklichen Frieden, erst das bringt die Verbindung mit dem letzten, dem großen Sinn des ganzen Dramas.

Denn das ganz große Drehbuch, die heiligen Texte der Bibel, die sagen uns auch: Er allein kennt den Sinn des ganzen Stückes, mehr noch: Er ist der ganze Sinn. Er ist der Logos, das Wort, das war und das ist und das sein wird – und in dem alles geschaffen ist. Gott sei Dank ist er da, auch hier und heute. Und er will die Hauptrolle in deinem und meinem Leben spielen. Schließlich ist er der Regisseur – als Kind in der Krippe und als Vater,  der uns alle liebt.  Amen.