Bild: Pressestelle Bistum Passau

Ordensleben: Liebesschule wider Verbürgerlichung

Ordensleben: Die Liebesschule wider die Verbürgerlichung. Die Predigt von Bischof Stefan Oster zum Ordensjubiläum von 17 Schwestern vom Hl. Kreuz in Altötting am 14. August 2017.

Liebe Jubilarinnen, liebe Schwestern und Brüder im Glauben,
wie schön, dass dieser Tag Ihrer Jubiläen zusammen fällt mit dem Gedenktag eines franziskanischen Ordensmannes, mit dem Tag von Pater Maximilian Kolbe, der sein Leben für Christus und einen Bruder im Konzentrationslager gegeben hat.

Wir haben Grund zum Feiern und zum Danken auch für Eure Lebenshingabe im Orden. 40, 50, 60, 65 und sogar einmal 70 Jahre treues Ordensleben feiern wir heute und danken dem Herrn, dass er uns Euch geschenkt hat als Zeichen der Treue zu Ihm und zu seiner Kirche und zu Eurer Gemeinschaft. Wie schön, darauf zurück blicken zu können, in Gemeinschaft – und hier in einem festlichen Gottesdienst.

Ordensleben ist noch nicht der Himmel

Aber jede von Euch Jubilarinnen weiß auch, dass in all diesen Jahren auch nicht immer Grund zum Feiern war. Das Ordensleben ist oft und immer wieder wirklich schön, erfüllt und tief, aber es ist immer auch ein Leben, in dem unsere Bewährung gefragt ist – in dem unsere Treue auch herausgefordert und geprüft wird. Wir werden im Laufe eines solchen Lebens zum Beispiel an Orte versetzt oder zu Tätigkeiten bestimmt, die wir vielleicht nicht wollten, wir bekommen Schwestern und Brüder, die uns ein Zusammenleben schwermachen.

Wir haben oft eine enge Disziplin in der Gemeinschaft und fühlen uns eingeengt und würden manchmal gerne ausbrechen aus dem, was wir als eng empfinden. All das kennt jede von Euch und ich kenne es als Ordensmann ebenfalls. So ist es eben. Und als ich neulich in einem Gespräch über unsere Ordensgemeinschaften nachgedacht habe, da habe ich gemerkt, dass mir im Grunde nie eine Ordensgemeinschaft untergekommen ist, in der alles rund läuft, in der alles passt und jeder einfach nur zufrieden ist. Gleich ob Männer oder Frauen.

Und auch wenn es manchmal gläubige Christen von außen meinen, so müssen wir doch sagen: Nein, eine Ordensgemeinschaft ist nicht automatisch eine Gemeinschaft von lauter Heiligen, in der es deshalb auch nur himmlisch zuginge. Im Gegenteil, oft ist es irdischer und weltlicher als man meinen mag. Auch das nüchtern einzugestehen und zu erkennen, gehört zum Ordensleben und ist sogar wichtig für uns.

Ordensleben ist Schule des Loslassens

Aber nun, warum ist das so? Warum ist dort, wo sich mehrere sehr gläubige Menschen zusammentun, um Gemeinschaft mit Christus und untereinander zu leben, oftmals gerade nicht heile Welt? Ich meine es ist so, weil es wirklich darum geht, in diesem Leben immer mehr Vertrauen und immer mehr Liebe zu lernen – und zwar durch Jesus selbst. Und Jesus nimmt uns darin ernst, dass wir das wollen! Denn wenn wir ehrlich sind: Wir können es oft eben nicht von selbst. Wir treten nicht in einen Orden ein, und lassen ab dann alles hinter uns, was wir an uns und anderen nicht mögen.

Im Gegenteil: Jetzt geht es oft erst richtig los. Wir werden mit alledem auch konfrontiert. Wir merken, dass wir uns schwer tun mit mancher Regel, mit mancher Schwester, manchem Bruder, mit mancher Gebetsform, mit mancher Liturgie, mit manchem Essen und ähnlichem. Und jetzt fordert Jesus uns immer neu auf: „Lass Dich selbst los – auf mich hin. Gib deine schlechte Laune mir, deine schlechte Angewohnheit auch, gib sie mir. Und bitte mich, sagt er, bitte mich, dass du mich lieben kannst und von mir lieben und immer mehr Vertrauen lernst. Und besonders dann, wenn dich alles nervt – dann komm zu mir.“

Ordensleben: Lernen, bei Ihm zu bleiben

Ordensleben verweist uns auf Ihn, liebe Schwestern, immer neu und immer noch mehr auf ihn. Bleibt in meiner Liebe, hat er uns im heutigen Evangelium gesagt. Das ist eines der Lieblingswörter des johanneischen Jeus: das Bleiben, oder auch das Wohnen. Innerlich wohnen bei Jesus; er lädt uns ja ein; kommt alle zu mir, sagt er uns.

Und lassen wir uns jeden Tag anschauen und berühren, von seinem großen, ewigen Ja zu uns, lassen wir uns immer neu alles vergeben, was in uns dunkel, hartherzig oder sündig ist, immer neu, tief und ehrlich. Das macht frei und tief und froh. Und zwar oftmals gerade dann, wenn die äußeren Umstände schwierig sind. Bleiben. Beten, still werden, bei Ihm, Ihn lieben – zusammen mit der Mutter Gottes immer neu Ja zu Ihm sagen.

Ordensleben als Liebesschule

Und wenn wir das lernen, liebe Schwestern, immer neu von Ihm empfangen, dann werden unsere inneren Augen wacher und klarer – und dann tun wir uns leichter, auch in den Schwestern und Brüdern seine Gegenwart zu sehen. Dann hilft Er uns, auch die noch anzunehmen, die uns am schwersten fallen. Und er lässt uns richtig über die zu freuen, die uns ihre Freundschaft schenken. Denn auch das ist – wie Sie alle wissen – im Ordensleben nicht einfach selbstverständlich, dass wir alle Freunde wären.

Wenn es passiert, ist ein kostbares Geschenk, für das wir dankbar sind. Ja, unser Ordensleben ist eine Schule, Lebensschule, Liebesschule, Glaubensschule. Aber bei denen, die wirklich hierher gehören, weil es ihre Berufung ist, ist es doch zumeist tief getragen von dem Vertrauen, dass sie im Herzen schon daheim sind. Von dort strahlt dann aus der Tiefe diese Freude aus; die Freude eines Menschen, der mit Jesus geht und lebt, der Jesus kennt und sucht und bei Ihm bleibt.

Der Sehnsucht, nicht der schlechten Routine Raum geben

Liebe Schwestern, ein Aspekt wird mir dabei auch immer deutlicher und wichtiger: Hören wir nicht auf, Jesus wirklich auch weiterhin zu suchen. Er ist ja auch der, der sich auch immer wieder entzieht, dessen Gegenwart wir manchmal auch nicht spüren. Und er entzieht sich unserem Spüren nicht, damit wir nur noch routiniert werden. Sondern er tut es, weil er will, dass wir uns nicht zufrieden geben, sondern weiter gehen, weiter der Sehnsucht Raum geben.

Jesus ist so viel größer als wir uns ausdenken könnten, soviel reicher, majestätischer, schöner, abgründig tiefer. Und er will uns locken und ziehen, damit unser Herz immer noch weiter wird für Ihn, damit er es immer mehr ganz erobern kann; und damit sich unser Herz nicht heimlich Räume reserviert, wo wir ihn nicht hineinlassen, wo wir unsere Egoismen pflegen. Ja, es ist so eine wunderbare Erfahrung, bei Jesus anzukommen – und jede von Ihnen hat davon auch etwas spüren dürfen, sonst wäre sie nicht hier.

Aber sehnen und suchen wir weiter, tauschen wir uns aus über ihn, fragen wir auch einander, was Jesus für uns bedeutet. Und erzählen wir uns im vertrauten Raum unsere Lebensgeschichten mit Ihm. Das beschenkt uns gegenseitig. Und hören wir auch nicht auf, Ihn in seinem Wort und in seinen Sakramenten zu suchen. Bleiben wir leidenschaftlich für unseren Herrn!

Wider die Verbürgerlichung

Wir gehen als Ordensleute durch schwierige Zeiten. Warum ausgerechnet wir? Sicher, weil wir einfach auch zu dieser Kirche insgesamt gehören – und wie sie sich präsentiert. Wir leben mitten in dieser Kirche und sind deshalb alle auch nicht frei von dem, was die ganze Kirche bei uns betrifft: die Erfahrung von Rückgang, vom Schwinden des Glaubens, vom Wegbleiben der Jugend und anderem mehr. Und wenn wir nicht aufpassen und uns einfach resignativ mitnehmen lassen, dann stehen wir Ordensleute manchmal sogar beispielhaft auch für diesen Zustand. Dann kann man an uns die aufgezählten Krisensymptome besonders gut beobachten.

Daher, liebe Schwestern, möchte ich nicht müde werden, gerade unsere Ordensgemeinschaften immer wieder neu einzuladen, die Mitte, die Tiefe ihres Lebensstils, die Radikalität Jesu und unserer Gründer wieder neu zu entdecken. Wehren wir immer wieder neu der Verbürgerlichung unseres Lebens. Denn, liebe Schwestern, wir sind als Ordensleute nicht angetreten für Mittelmäßigkeit und Behäbigkeiten. Wir sind angetreten für das Ganze, für Ihn, der alles ist, alles für uns. Und wo er für uns weniger wird als alles, oder wo zumindest unsere Sehnsucht aufhört, Jesus möge alles für uns werden, da spüren wir dann die genannten Herausforderungen oft ganz besonders.

Jesus ist es wert

Aber wo wir umgekehrt spüren, dass er es wirklich ist, wo wir der Sehnsucht wirklich folgen, da liebe Schwestern vom Heiligen Kreuz, da bleibt, da wächst die Hoffnung in uns und unter uns. Und deshalb möchte ich Ihnen von Herzen dafür danken, dass Sie neben vielem anderen, beispielsweise die tägliche Anbetung hier im Haus aufrecht erhalten – und damit Zeugnis geben, dass Jesus aller Anbetung wert ist.

Dass er es wert ist, Zeit nur für Ihn zu schenken, die in den Augen der Welt einfach verschwendete Zeit ist. Ja, er ist es wert, das wir Zeit für Ihn, nur für Ihn verschwenden, aber auch, dass wir unser betendes Vertrauen ganz auf Ihn setzen. Danke dafür, denn Sie halten damit auch für viele andere den Himmel offen – und tragen sie vor den Herrn!

Dankbar für gereiftes Leben

Und deshalb ist es dann auch besonders schön, wenn ich Ordensleute treffen darf, bei denen ich spüre: da ist so ein Leben einfach was es ist; nämlich ein frohes, tiefes Leben mit Jesus unserem Bruder und Herrn, mit seiner Mutter, als Kinder des Vaters im Heiligen Geist – und deshalb mit so vielen Brüdern und Schwestern hier und auf der ganzen Welt. Und zwar gereift durch alle Herausforderungen, durch Aufs und Abs hindurch.

Ich bin so dankbar, wenn ich Frauen und Männern im Orden oder auch älteren Priestern begegnen darf, die mit ihrem langen geweihten Leben zum Ausdruck bringen: „Es ist schön und gut wie es ist. Es macht Sinn für mich, es macht für mich sogar mehr Sinn als alles andere in der Welt.“ Und deshalb bin ich auch heute wieder dankbar, hier in Ihrem Haus in Altötting Jubilarinnen zu treffen, die frohe Liebenswürdigkeit ausstrahlen und Dankbarkeit für ihr Leben – für ein so langes Leben in der Gemeinschaft mit dem Herrn und miteinander – mitten in unserer Kirche.

Das erste Ja der Kirche: Der Anfang des Himmels

Wir feiern morgen Maria und ihre Aufnahme in den Himmel. Das ist ein so schönes Fest, weil Maria ja im eigentlichen Sinn die Mutter auch des Ordenslebens ist. In ihrem Ja, in ihrem fiat, in diesem: „mir geschehe nach deinem Wort“ als Antwort auf den Anruf Gottes, in diesem Ja ist jedes andere echte Ja zu Jesus eingeborgen. In gewisser Hinsicht kann man sagen, jedes echte Ja zu Jesus ist aus diesem Ja geboren worden, aus dem tiefen, ersten großen Ja der Kirche. Wir stehen als Menschen, die wir die jungfräuliche Liebe leben wollen, das heißt die absichtslose Liebe!

Als solche stehen wir in ihr, in der Jungfrau, die mit ihrem ganzen Leben bezeugt hat, dass ein Ja zu Jesus der Anfang des Himmels ist. Sie ist selbst der Anfang des Himmels, der Wohnort Gottes unter den Menschen. Ich freue mich schon, wenn wir uns – hoffentlich – alle einst im Himmel begegnen werden – frei von den Beschwerlichkeiten unseres älter werdenden irdischen Lebens. Denn dann werden wir ganz erfüllt miteinander in dem Ja stehen, das wir einmal dem Herrn gegeben haben. Danke von Herzen für Eure Treue. Amen.