Hier die Predigt zur Priesterweihe von Peter Bosanyi, Stefan Jell und Jan Kolars 2022 im Passauer Dom St. Stephan – zum Nachhören und weiter unten zum Nachlesen.
Lieber Peter Bosanyi, lieber Stefan Jell, lieber Jan Kolars, liebe festliche, gläubige Gemeinde,
die schlechten Nachrichten über die Kirche reißen zur Zeit nicht ab. Alle Augenblicke hören oder lesen wir von neuen Gutachten, die den sexuellen Missbrauch in der Kirche beleuchten. Kürzlich hat sich ein bekannter Regens eines Priesterseminars in Deutschland das Leben genommen, nachdem er mit Vorwürfen der Übergriffigkeit konfrontiert worden war. Ein Generalvikar eines anderen Bistums ist altkatholisch geworden und hat zu seinem Übertritt gleich noch ein Buch darüber veröffentlicht, warum seine bisherige Kirche unmöglich sei. Und selbst unser emeritierter Papst Benedikt ist von Vorwürfen der möglichen Vertuschung nicht verschont geblieben. Sehr viele Menschen verlassen derzeit die Kirche, viele verlieren auch ihren Glauben. Und auch bei uns im Bistum gab es in den letzten wenigen Jahren drei jüngere Priester, die ihren Dienst wieder verlassen haben. Und in der kommenden Woche werden die Austrittszahlen für das letzte Jahr veröffentlicht. Und wir fragen uns: Was ist nur los in unserer Kirche in unserem Land, oder der Kirche in der westlichen Welt überhaupt?
Die Krise dieser großen, alten Institution
Ohne Frage geht diese große, alte Institution, diese so lange bestehende Gemeinschaft von Gläubigen durch eine große Krise und vorhersehbar durch große Umbrüche. Aber auch unsere Welt insgesamt geht durch Krisenzeiten. Wir haben immer noch die Pandemie, und vor allem junge Menschen sind oft Verlierer dieser Zeit. Wir haben einen Krieg in Europa, wir haben eine gewaltige ökologische Krise und anderes mehr. Auch die Gesellschaften erleben Spaltungstendenzen. Die technologische Revolution, die so viele positive Seiten hat, zeigt auch ihr hässliches Gesicht: Menschen äußern sich zu kontroversen Themen und ernten Hass-Botschaften, Mobbing und Shitstorms. Das zwischenmenschliche Klima, so meinen viele Beobachter, kühlt deutlich ab – und oft auch leider in unserer Kirche.
Die gefühlte Abwesenheit oder nicht geglaubte Anwesenheit Gottes
Was ist los in der Kirche und in der Welt? Für mich ist eine wichtige Ursache – nicht die einzige, aber eine wichtige Ursache der Krisenphänomene die gefühlte Abwesenheit Gottes in der Welt und ja, auch in unserer Kirche. Gefühlte Abwesenheit oder auch: nicht geglaubte Anwesenheit. Was meine ich damit? Nun fragen wir uns einfach, jeder für sich: Ist Gott wirklich da in unserem Leben? Habe ich den Eindruck, dass er mich wirklich trägt, dass ich in Ihm einen Vater habe? Glaube ich auch, dass Gott auch mich auffordert und einlädt, mit Ihm zu gehen und seinen Willen zu suchen? Ist er wirklich ein liebender Gott, der auch mich persönlich kennt und meint? Oder ist er nur ein Richter, der zuerst meine Schwächen sieht und verurteilt? Einer, von dem ich nichts zu erwarten habe?
Das Leben im Außen verändert die Fähigkeit zur Stille
Ich meine auch zu sehen, liebe Schwestern und Brüder, dass die gefühlte Abwesenheit Gottes auch mit der dramatischen medialen Ablenkung zu tun hat, der wir uns täglich aussetzen. Viele einzelne von uns, aber auch gesamtgesellschaftlich bewegen wir uns immer mehr im Außen, in den medialen Oberflächen, in der ganz schnellen Verfügbarkeit von Informationen oder Dingen, die die oberflächliche Neugier befriedigen oder die schnelle und schnelllebige Bedürfnisbefriedigung versprechen. Und diese fortwährende Erfahrung verändert viele von uns. Sie macht den Tiefgang schwerer, den Weg in die Stille, ins Gebet – aber auch den Weg in die wirkliche Begegnung mit anderen. Fragen wir uns selbst, jeder von uns: Können wir wirklich zuhören? Geduldig und offen? Haben wir ein Herz für Menschen – auch dann noch, wenn sie uns wenig sympathisch oder schwierig erscheinen?
Wozu brauchen wir Priester?
Von hier aus möchte ich Sie nun fragen: Wofür brauchen wir Priester? Was kann ein Priester, was ein Laie nicht kann? Eine wichtige Antwort ist: Er hat den Auftrag, Gottes liebende und vergebende Gegenwart in der Welt zu bezeugen. Und zwar kraft Amtes. Wenn der Priester die Hl. Messe feiert, dann ereignet sich wirklich Jesu Gegenwart in dieser Welt. Seine liebende, heilende und verzeihende Gegenwart. Wenn ein Priester Beichte hört und die Lossprechung erteilt, schenkt er darin Versöhnung mit Gott und seiner Kirche. Und eine Sehnsucht der Menschen ist, dass ein Priester so in seinen Dienst hineinwächst, dass man spürt, dass er es selbst lebt, was er feiert und verkündet. Dass er ein Mann ist, der Gott liebt und der die Menschen liebt. Dass er die Messe so feiert, dass die Gläubigen ahnen, dass er sie aus der inneren Tiefe vollzieht. Freilich: Ich möchte hier auch kein Idealbild zeichnen, das nachher eh keiner mit Leben ausfüllen kann – und das dann eher zur Heuchelei verführt. Auch ein Priester darf und muss sich bewusst sein, dass er Stärken aber eben auch Schwächen hat, so wie jeder. Gott erwählt nicht die ganz besonders Guten, sondern er arbeitet mit dem, was er in uns vorfindet – und dazu gehören auch unsere Schwächen. Gott liebt uns nicht, weil wir so großartig wären als Priester – vielmehr liebt er uns trotz allem, was auch in uns ist. Und das hilft uns Priestern hoffentlich, nicht überheblich zu werden, sondern demütig zu bleiben, weil wir auch unsere Schwächen kennen. Und – das kann ich Euch jetzt schon versprechen – weil wir solche Schwächen immer noch mehr kennenlernen werden im Laufe eines Priesterlebens. Gott will freilich auch nicht, dass wir uns in unseren Schwächen sonnen oder damit kokettieren. Er will uns wachsen lassen in der Liebe. Und deshalb lernen wir hoffentlich noch viel mehr seine Gnade kennen und spüren – im Lauf eines Priesterlebens. Und ich bin sicher: Solche Priester braucht unsere Kirche heute und braucht auch besonders unsere oft so unversöhnte Welt.
Die Primizsprüche: Wahrheit in Liebe verkünden
Lieber Peter Bosanyi, Sie haben sich als Primizwort einen sehr tiefen Satz aus dem Epheserbrief erwählt: „Die Wahrheit in Liebe verkünden“. Der frühere Regensburger Bischof Manfred Müller hatte diesen Satz auch als seinen Bischofswahlspruch gewählt – und ich muss ehrlich sagen: Als ich als junger, suchender Mann in Regensburg Philosophie studiert habe, dachte ich mir manchmal: Was maßt sich dieser Bischof eigentlich an, dass er die Wahrheit verkünden will – und dann noch in Liebe. Weiß der denn nicht, dass kein Mensch im vollen Besitz der Wahrheit ist? Und weiß er nicht, wie viele Ideologen schon behauptet haben, sie hätten die Wahrheit – und haben die Menschen am Ende nur noch mehr versklavt. Aber je mehr ich dann selbst in die Nachfolge gefunden habe, desto mehr meinte ich zu verstehen: Die Wahrheit, die hier gemeint ist, ist nicht einfach eine Wahrheit, die man in Wörtern und Sätzen ausdrückt, wie eine Philosophie oder eine Ideologie. Vielmehr ist diese Wahrheit die Person Jesu selbst, die da ist und die will, dass wir von ihr Zeugnis geben. Und wenn ein solches Zeugnis echt ist, dann umfasst es auch uns als ganze Person; dann will es Hingabe werden, will Liebe werden. Sie sind ein großer Freund der Kunst – und wir ahnen, dass ein großes Kunstwerk eines ist, in das sich der Künstler mit ganzem Herzen hineingegeben hat. Ich wünsche Ihnen sehr, dass Sie sich den Inhalt tiefen Primizwortes immer neu erbeten und mit einem frohen Lebenszeugnis erfüllen können. Dann wird deutlich werden, dass auch Sie selbst – durch Gottes Liebe berufen sind, sein Kunstwerk zu werden.
Im Kreuz Jesu ist Heil
Der Satz, den sich Stefan Jell zum Primizspruch erwählt hat, stammt aus der Liturgie des Festes der Kreuzerhöhung und bezieht sich auch auf das Kreuz Jesu. Im Kreuz Jesu, so heißt es da, sollen wir uns rühmen. Denn im Kreuz ist uns Leben und Heil und Auferstehung. Im Kreuz Jesu sind wir erlöst und befreit. Auch dieser Satz, lieber Stefan Jell, ist überaus anspruchsvoll. Denn er macht ja zugleich deutlich, dass ohne das Kreuz Jesu alles nichts ist. Kein Heil, kein Leben, keine Erlösung, keine Auferstehung. Und vermutlich ist es heute kaum möglich dieses Geheimnis so zu verkünden: „Wenn Du nicht ans Kreuz Jesu glaubst, dann kein Heil, vermutlich kommst Du in die Hölle!“ Drohbotschaften glauben uns die Menschen nicht mehr, unter anderem deshalb, weil sie in der Kirche selbst viel Versagen gesehen haben. Trotzdem ist es an uns und an Ihnen deutlich zu machen, dass es wirklich um etwas geht: Um ein Mehr an Leben und ein tieferes Leben, um mehr Freiheit und echte Sinnerfahrung. Und ja, auch um die Möglichkeit entweder verloren zu gehen oder eben wirklich ins Leben zu finden. Und wenn wir das heute nicht mehr durch Drohbotschaften deutlich machen können, dann hoffentlich so, dass die Menschen an Ihnen selbst spüren, dass Sie schon jetzt mit diesem Leben verbunden leben. Mit Jesus, der in seiner ganzen Lebensfülle dennoch absolut demütig und arm war für uns. Ja, es geht um etwas, lieber Stefan Jell, aber wir wollen es so leben, dass durch unseren Dienst – auch dann noch, wenn wir ein Kreuz tragen – die größere Lebensfülle aufscheint. Weil wir zum Herrn gehören. Sie, lieber Stefan Jell, haben Freude an der Liturgie und ich freue mich, wenn durch Sie in der Liturgie die Größe der Liebe Christi so aufscheint, dass man zugleich spürt, in welcher Demut sie zu uns kommt.
Ich habe euch ein Beispiel gegeben: Die Fußwaschung
Und Sie, lieber Jan Kolars, zielen genau in diese Richtung. Ihr Primizspruch lautet: Ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit auch ihr so handelt, wie ich an euch gehandelt habe. Jesus sagt diesen Satz nach der Fußwaschung. Nachdem er sich buchstäblich weit herunter gebeugt und seinen Jüngern diesen Dienst erwiesen hat. Ein Priester steht am Altar, und der ist oft erhöht, wie hier im Dom. Er steht damit oben. Oft auch am Hochaltar. Er hat einen hohen Dienst, mancher nennt ihn noch Hochwürden. Aber ein guter Priester bezeugt diesen Dienst, indem er bereit ist, auch ganz niedrig zu werden – und nicht meint, er hätte sich sein Hochwürden-sein selbst verdient. Den Kleinen klein, den Armen arm. Allen alles, sagt Paulus. Ich weiß, dass Sie, lieber Jan Kolars, wirklich ein Herz für die Armen haben – und ich freue mich sehr, wenn auch in Ihrem Priestersein dieser Aspekt des Lebens Jesu zum Leuchten kommt.
Freundschaft, Gemeinschaft und die heilige Stunde
Was mir noch wichtig ist, liebe Mitbrüder: Die Schwierigkeiten und Fragen werden kommen, die Veränderungen in Kirche werden weitergehen. Ich bitte Euch, sucht Euch Gemeinschaft. Geistliche Gemeinschaft, die stärkt. Menschen, Freunde, mit denen Ihr beten und über den Glauben sprechen könnt. Auch über Schwierigkeiten, Nöte und Zweifel – aber vor allem auch über die Freude an Christus, der Euer Leben begleitet. Wir brauchen die gegenseitige Ermutigung und das gläubige Zeugnis für einander.
Persönlich möchte ich Euch bitten: Haltet die heilige Stunde, am besten täglich. Erfahrungsgemäß ist der Morgen die beste Zeit dafür. In einer guten Zeit der Stille vor dem Herrn sein, das Stundengebet beten, die Schrift meditieren, die Menschen, die einem der Herr anvertraut, vor Gott bringen – und sein eigenes Leben mit Dank vor Ihn hinlegen. Ich weiß, dass das anspruchsvoll ist. Aber ich weiß auch: Wenn es Euch immer mehr zur lieben Gewohnheit wird, dann ist es genau das, was Euch tragen wird – besonders auch durch die schweren Zeiten. Am Ende wird Er Euch tragen. Ich habe auch aus meiner Ordensgemeinschaft immer mal wieder Mitbrüder weggehen sehen – und wenn ich genauer hingesehen habe, war der Beginn des Weggehens nahezu immer eine Art schleichender Ausstieg aus dem geistlichen Leben, aus dem betenden Sein beim Herrn.
Die Liebe zur Kirche – in der Mutter des Herrn
Liebe Mitbrüder, ich bin Euch mit so vielen Menschen, die hier sind, überaus dankbar, dass Ihr Priester werdet. Dass Ihr Euch zur Verfügung stellt. Die Welt braucht Priester Christi, die Kirche braucht dringend Priester mit einem weiten Herzen für Gott und sein Volk. Sucht nach der Freude, die von IHM kommt. Lasst Euch Eure Kraft immer neu von IHM geben – und bleibt dabei verwundbar. Schließlich ein letztes Wort: Ich bin überzeugt davon, dass es für Priester wichtig ist, die Kirche zu lieben. Ja, genau, diese Kirche. Aber ich bin auch überzeugt davon, dass diese Kirche nicht zuerst Struktur ist, auch nicht zuerst Papst und Bischöfe und Pfarrer, auch nicht zuerst Einrichtungen, in denen gutes passiert. Kirche ist zuallererst Maria, deren unbeflecktes Herz wir heute feiern; die Mutter mit dem großen Ja zu Jesus; die Mutter mit dem großen Ja zu ihrer Berufung. Die Mutter, der ein Schwert durch die Seele gegangen ist, als ihr Sohn gestorben ist. Die Mutter, die mit den Jüngern und für die Jünger den Heiligen Geist erbeten hat. Wer den Sohn liebt, liebt auch die Mutter. Und wer die Mutter liebt, liebt die Kirche und alle ihre Kinder. Ein Priester, so meine Wahrnehmung, dem diese Beziehung fehlt, der wird leicht dazu neigen, eher mit Macht als mit Barmherzigkeit zu leiten. Ich wünsche Euch, dass Ihr Euch auch ihr anvertraut und ihrer Barmherzigkeit.
Und Ihnen alle, liebe Schwestern und Brüder, die Sie heute mitfeiern, danke ich von Herzen für Ihr Gebet und Ihre Begleitung der Drei, insbesondere den Eltern, den Familien; allen die in der Ausbildung tätig waren, insbesondere unserem scheidenden Regens Martin Dengler für seine unermüdlichen treuen und so qualitätsvollen Dienst. Danken möchte ich auch den guten Freunden, die die drei auch in Zukunft brauchen werden. Danke von Herzen Ihnen allen für Ihr Gebet – und bitte hören Sie nicht auf, für die Drei zu beten. Und Euch Dreien danke ich besonders, dass Ihr ja gesagt habt. Amen.