Erniedrigung aus Liebe: Warum Jesus den Jüngern die Füße wäscht. Die Predigt von Bischof Stefan Oster zum Gründonnerstag mit Fußwaschung im Passauer Stephansdom 2015.
Liebe Schwestern und Brüder im Glauben,
der heilige Paulus hat uns in der zweiten Lesung etwas mitgeteilt, was für ihn offenbar ein sehr zentraler Inhalt der Eucharistie, der hl. Messe ist. Er überliefert uns zunächst sehr knapp das, was Jesus da beim letzten Abendmahl getan hat. Er nahm Brot und er nahm den Kelch. Beim Brot sagte Jesus: Das ist mein Leib für euch. Und beim Kelch sagte er: Das ist der Neue Bund in meinem Blut. Und Jesus ergänzt zweimal: Tut dies zu meinem Gedächtnis. Der nun folgende Kommentar von Paulus ist aber besonders bemerkenswert. Paulus sagt: Sooft ihr von dem Brot esst und von dem Kelch trinkt, verkündet ihr den Tod des Herrn, bis er kommt.
Liebe Schwestern und Brüder, ist uns das bewusst? Sooft wir an der Eucharistie teilnehmen, verkünden wir den Tod des Herrn, bis er kommt!? Ja, im Hochgebet vorher hat der Priester es auch angekündigt. Er lädt ein, das Geheimnis des Glaubens zu bekennen, und wir antworten tatsächlich mit: Deinen Tod, oh Herr, verkünden wir…
Hingabe voll und ganz
Aber, die Frage ist, sagen wir das so dahin oder sind wir tatsächlich Menschen, die den Tod Jesu wirklich verkündigen, indem sie zur Kommunion gehen. Anders gesagt: Wenn in unserem Gang zur Kommunion tatsächlich etwas von der Herzmitte unseres Glaubens zum Ausdruck kommt, dann bedeutet das: Wir leben unseren Glauben aus dem Sterben Jesu, aus seinem Tod für uns, aus seiner Hingabe für uns. Der neue Bund, sagt Jesus, wird durch sein Blut begründet. Unsere Zugehörigkeit zu ihm und zum Vater wird erwirkt, weil er stirbt, weil er für uns gestorben ist.
Noch einmal anders gewendet: Wir würden nicht zu ihm gehören, würden nicht zum Vater gehören, wenn Jesus nicht gestorben wäre für uns. Und wenn dieses Sterben ein Sterben für uns ist, dann gehört es zutiefst in unsere Glaubensantwort, dass wir das von Herzen bejahen, dass wir dieses Sterben aus Liebe annehmen. Kann es sein, dass sich Gott so unfassbar klein für uns macht, damit wir wieder zu ihm gehören und aus Freiheit Ja zu ihm sagen?
Petrus tut sich schwer mit Erniedrigung
Im Evangelium zeigt er uns, dass es so ist. Einem anderen Menschen die Füße waschen war der allerletzte Sklavendienst in der Antike. Es war eine Erniedrigung sondergleichen, ein Verzicht auf jegliche Ehre und Würde. Aber Jesus tut dies Zeichen an den Seinen. Und der Evangelist kommentiert: Er erweist ihnen darin seine Liebe bis zur Vollendung. Petrus tut sich mit diesem Zeichen extrem schwer. Er will die Erniedrigung seines Meisters nicht zulassen. Er will zu ihm aufschauen und weiter zu ihm aufschauen können. Und sicherlich denkt er dabei auch noch an sich: Wenn der Meister groß bleibt und sich nicht erniedrigt, dann kann ich als erster der Apostel und als sein Jünger auch groß bleiben.
Aber Jesus sagt: Wenn ich dir die Füße nicht wasche, hast Du keinen Anteil an mir. Auch hier wieder steckt das Moment der notwendigen Bejahung drin. Wir kommen nur in den Bund mit Jesus, in die Verbindung mit ihm hinein, wenn wir seine radikale Erniedrigung bejahen. Wenn wir sie gutheißen. „Deinen Tod für uns bejahen wir, deine Fußwaschung bejahen wir, damit wir zu dir gehören, Jesus.“ Petrus scheint zu verstehen und sagt dann: „Ja, wenn das so ist, dann wasch bitte gleich das Haupt und die Hände und damit den ganzen Petrus!“
Freiwillige Erniedrigung
Aber merken Sie, Schwestern und Brüder, auch in dieser Antwort steckt der Versuch, die Erniedrigung des Herrn zu umgehen. Denn wenn ich zuließe, dass Jesus mir auch den Kopf wäscht und eben alles, dann müsste er sich nicht einfach erniedrigen, dann bliebe er irgendwie noch groß und würde nicht klein und erbärmlich für mich. Er könnte ja stehen bleiben und mir den Kopf waschen. Petrus zeigt es: in uns allen steckt ein dramatischer Abwehrkampf gegen die Erniedrigung, auch gegen die Erniedrigung Jesu. Schauen Sie, auch mir geht das so als Bischof oder als Priester, auch ich kenne diese innere Abwehr. In unseren Breiten wird man als Bischof noch sehr geachtet und geehrt. Und wenn in dieser Ehre tatsächlich Jesus gemeint wird, dann lass ich es gerne geschehen.
Aber ich spüre am eigenen Leib: Diese Ehrung habe ich viel lieber und nehme sie viel lieber an, als die Herausforderung, die mir Jesus durch seine Erniedrigung stellt. Er nimmt den letzten Platz ein. Er macht sich zum Sklaven aller. Es gibt eine Seite in mir, die viel lieber das Hohe des Bischofsamts repräsentieren mag als das Niedrige. Und ich spüre, wie mein Ja zum Tod Jesu, mein Ja zur Fußwaschung, mein Ja zu seinem Dienst an den Geringsten, wie alles das auch Widerstand in mir weckt. Aber Jesus sagt es ausdrücklich und sehr betont: Wenn ich der Herr und Meister, der ich wirklich bin, wenn ich euch die Füße gewaschen habe, dann müsst auch ihr einander die Füße waschen.
Erniedrigung: Bereitschaft zur Hingabe
Die Bejahung des Todes Jesu, die Bejahung seiner Erniedrigung ist die Einwilligung in unsere eigene Bereitschaft auch den Weg der Erniedrigung und der Demut zu gehen. „Wer sein Leben um meinetwillen verliert, wird es gewinnen“, sagt er uns. Nicht, damit er uns quält, sondern damit wir Anteil an seinem Leben und seiner Freude gewinnen. Jesus ist für uns gestorben, damit wir in ihm das Leben haben. Aber er sagt uns zugleich, dass das unser Ja, unsere Bereitschaft zur Hingabe einschließt.
Liebe Schwestern und Brüder, der heutige Abend ist die Vergegenwärtigung eines unfassbaren Geschenkes für uns alle. Jesus schenkt uns die Eucharistie, Jesus schenkt uns das Priestertum, indem er die Jünger beauftragt, die Eucharistie zu seinem Gedächtnis zu feiern und er schenkt uns das Zeichen, das diese Hingabe noch einmal so ausdrucksstark interpretiert. An unserer Fähigkeit im wörtlichen und übertragenen Sinn einander die Füße zu waschen, entscheidet sich die Glaubwürdigkeit unseres Lebens im Neuen Bund, entscheidet sich unsere Glaubwürdigkeit als Christinnen und Christen. Bitten wir den Herrn, dass er besonders heute Abend unseren Glauben stärkt und uns immer liebesfähiger macht. Damit die Menschen spüren, dass wir in einem neuen Bund leben. Amen.