Ende des Monates geht es wieder in die Vollversammlung des Synodalen Weges. Erste grundlegende Textentwürfe werden besprochen. Sie sind jetzt bereits hier nachlesbar:
https://www.synodalerweg.de/dokumente-reden-und-beitraege#c6239
Als Mitglied im Forum IV, in dem es um „Liebe leben in Sexualität und Partnerschaft“ geht, ist es mir ein Anliegen, dass die geltende Lehre der Kirche zum Thema zunächst einmal dargestellt und auch verstanden wird. Sie ist zweifellos anspruchsvoll, aber aus meiner Sicht auch der Würde der menschlichen Person angemessen und daher auch tief und schön. Meist wird sie allerdings bloß auf enge Moralvorschriften reduziert und dann auch so kommuniziert. Zusammen mit einigen anderen Forumsmitgliedern (Prof. Johannes Brantl, Weihbischof Herwig Gössl, Prof. Katharina Westerhorstmann) habe ich deshalb schon im Mai 2020 einen Text entworfen, der auf ein paar Seiten die biblischen Grundlagen dieser Lehre darlegt. Ich bin auch der Überzeugung, dass diese Lehre nur in einem lebendigen Verhältnis mit Christus verstanden und gelebt werden kann. Ebenso bin ich überzeugt, dass jeder Mensch in seinem Leben gerade im Bereich der Sexualität auch seine Gebrochenheit erfährt – einfach weil wir Menschen grundsätzlich in unserer Liebesfähigkeit nicht mehr nur heil sind. Wir sind gerade auch darin erlösungsbedürftig – durch Christus, der die fleischgewordene Liebe in Person ist. Mit ihm aber können wir den Inhalt dieser Lehre als einen Weg in die erfüllte Liebe, Freiheit und Achtung der Person leben lernen.
Das Forum IV mit seinen rund 30 Mitgliedern hat nun einen Grundtext erarbeitet, der bei der kommenden Vollversammlung (30.9.-2.10.) besprochen werden soll. Es geht dabei um eine von der großen Mehrheit des Forums gewünschte deutliche Neuausrichtung der kirchlichen Lehre zum Thema Sexualität. Dieser Text findet sich hier:
Der Text enthält aus meiner Sicht viele wertvolle Impulse und Formulierungen im gemeinsamen Interesse einer verantwortlich gelebten Sexualität. Zugleich bin ich aber überzeugt, dass er in der Tiefe letztlich ein anderes Menschenbild, insbesondere eine andere Auffassung von menschlicher Freiheit voraussetzt, als die Freiheit, die in der Schrift gemeint ist – und zu der der Mensch berufen ist und durch Christus befreit werden kann. Sicher lässt sich darüber philosophisch und theologisch streiten – und das geschieht auch auf dem Synodalen Weg. Aber weil gerade diese Frage so tief reicht, möchte ich unseren Textbeitrag noch einmal präsentieren. Wir haben ihn auch mit einem Vorspann versehen, der seine Entstehungsgeschichte erklärt.
Texteingabe für Forum Sexualität mit Vorspann
Gerne kann auch hier darüber diskutiert werden – aber ich bitte einmal mehr um einen Ton, der die jeweiligen Diskussionspartner achtet.
(Zugleich haben wir den Text auch der Seite www.synodale-beitraege.de zur Veröffentlichung zur Verfügung gestellt.)
Zum Synodalen Weg
Bischof Stefan hat sich bereits in der Vergangenheit mehrmals zum Synodalen Weg geäußert. Eine Stellungnahme zu den einzelnen Bereichen finden Sie hier.
Comments
Bei dem von der Gruppe um Bischof Stefan Oster eingereichten Text handelt es sich um einen exzellenten Beitrag zum Thema. Er legt die Lehre der Katholischen Kirche im Lichte eines tiefen Verständnisses der biblischen Botschaft, ihres inneren Zusammenhangs von Theologie und Anthropologie, auf ihre ursprüngliche Intention hin frei. Dabei werden auch Verkürzungen und Einseitigkeiten der Vergangenheit angesprochen. Ich kann allerdings verstehen, dass viele Mitglieder des Synodalen Weges nichts damit anfangen können. Denn der Text spricht zentrale Themen der biblischen Botschaft an, die heute bis weit in kirchliche Kreise hinein gar nicht mehr verstanden werden und die auch nicht mehr zu unserem „kulturellen Wissen“ gehören. Dazu rechne ich die Lehre von einer durch die (Ur-)Sünde der Gottvergessenheit „verletzten“ menschlichen Natur und vor allem, und das ist der entscheidende Punkt, die Frohe Botschaft, dass die Begegnung mit Christus / Gott zu einer tiefgreifenden Verwandlung und Heilung dieser durch die Sünde kontaminierten menschlichen Natur / Person führt. Der christliche Weg ist ein Weg der Wandlung, ein Weg der Erlösung, es geht um eine Transformation und nicht einfach nur darum, bestimmte „Werte“ zu predigen oder vor sich herzutragen, die dann oft nichts anderes sind als das, was in einer Gesellschaft ohnehin als „wertvoll“ angesehen wird. Den christlichen Glauben als einen Weg tiefgreifender Heilung zu erschließen, und zwar auch sehr praktisch, auf diesem Weg zu begleiten, einzuladen, ihn zu gehen, das ist meiner Ansicht nach die große Herausforderung, vor der die Kirche / das Christentum in unserem Lande heute steht. Darauf sollte ein „synodaler Weg“ hin ausgerichtet sein. Selbstkritisch müssen wir allerdings eingestehen, dass Theologie und Kirche diese grundlegende Struktur des christlichen Glaubens über Jahre und Jahrhunderte hin vergessen oder gar verdunkelt haben. Die Mehrheitsverhältnisse des Synodalen Weges spiegeln diese Tragik wider. Doch diese Not kann auch dazu führen, das Verlorene neu zu suchen und – mit Gottes Hilfe – auch zu finden. Das geht aber nicht in kurzer Zeit. Es wäre wünschenswert, wenn sich die Mehrheit auf diesen Text, aus dem nicht nur tiefe theologische Einsicht, sondern wohl auch eine durch (schmerzliche) Erfahrung gereifte Erkenntnis spricht, einlassen würde.
Herzlichen Dank für die fundierten und tiefgründigen Gedanken des Aufsatzes „Der Mensch in seiner Liebesfähigkeit und der Glaube der Kirche“! Der Text vermittelt die christlichen Basics klar verständlich und sehr überzeugend. Chapeau!
Der Grundton der oben ebenfalls verlinkten Synodalvorlage hingegen ist insgesamt überkritisch gegenüber dem Lehramt und strahlt – auch durch verwirrende Wendungen wie „diesseits von Paar-Beziehungen“ (S. 21) – eine seltsam distanzierte Kühlheit aus. Echte Freude am Glauben – immerhin haben wir ja eine frohe Botschaft im Angebot – kann und wird da nicht aufkommen.
Die Synodalvorlage klingt wie eine Kompromiss-Erklärung eines G7-Treffens, bei der auch teils widersprüchliche Aussagen nebeneinander stehen dürfen (impliziter Subtext: Das kann jeder sehen, wie er will). Die eingeflossenen Einzelmeinungen werden für gleichwertig erachtet, unabhängig von ihrer jeweiligen Tiefe und Substanz und unabhängig davon, ob sie sich mit dem Anspruch Jesu vertragen. Zum Beleg nur ein kleines Detail: Als Beispiel für „ausbeuterische Sexualität“ wird von der Synodalvorlage lediglich die „Zwangsprostitution“ (S. 5) genannt und nicht die Prostitution an sich, die damit „christlich akzeptiert“ zu werden scheint. Bei „käuflicher Liebe“ würde Jesus aber nie mitmachen – er will ja gerade des Gesetz des Mammon überwinden!
Damit wird auch der Hauptunterschied zwischen dem hervorragenden „Oster-Text“ und der an manchen Stellen irritierenden Synodalvorlage deutlich: Während Ersterer „die Nachfolge und Nachahmung Jesu als zentrale Berufung jedes Christen, jeder Christin“ aufzeigt, gehen die Mehrheitssynodalen verstärkt vom „Lebensgefühl und dem Selbstanspruch von Menschen“ (S. 4) aus. Sie schauen immer wieder auf verbreitete Phänomene und aktuelle Trends, denen sie offenbar bereit sind, mit theologischen Floskeln stets hinterher zu folgen.
Ich hoffe inständig, die Synodalen bringen die Kraft auf, den Weg Jesu ganz in den Mittelpunkt zu stellen und keine faulen Kompromisse einzugehen, denen dann weitere, noch faulere Kompromisse werden folgen müssen. Der Aufsatz „Der Mensch in seiner Liebesfähigkeit und der Glaube der Kirche“ zeigt, dass die Kirche eine sicherlich anspruchsvolle, aber auch ausgesprochen attraktive Botschaft für die Gesellschaft hat: Die gegenwärtigen Debatten über „toxische Beziehungen“ zeigen, dass ein Weg des Heil-Werdens und der Förderung der Liebesfähigkeit wieder neu sichtbar werden muss.