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Ehe und Sexualität und die Forderung des ZdK

Ehe und Sexualität im biblischen Verständnis sind massiv angefragt. Einige Gedanken von Bischof Stefan Oster als Orientierung zu einer aus seiner Sicht problematischen Erklärung des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) vom Wochenende des 8./9. Mai 2015.

Ehe und Sexualität: Forderungen

Die Katholische Nachrichtenagentur (KNA) hat am Samstag, 8. Mai 2015, folgendes gemeldet:
Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) fordert Formen der Segnung von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften sowie von Partnerschaften Geschiedener. Dazu müssten liturgische Formen weiterentwickelt werden, heißt es in einem am Samstag einstimmig von der Vollversammlung in Würzburg verabschiedeten Papier zur anstehenden Bischofssynode im Herbst.

Es brauche zudem eine „vorbehaltlose Akzeptanz des Zusammenlebens in festen gleichgeschlechtlichen Partnerschaften“ und eine klare Positionierung gegen noch bestehende Ausgrenzungen homosexueller Menschen. Das Katholikenkomitee betont, dass auch in anderen Formen des gemeinschaftlichen Lebens Werte der Ehe gelebt würden, etwa das unverbrüchliche Ja zu der anderen Person und die stete Bereitschaft zur Versöhnung. „Diese Lebens- und Familienformen gilt es ausdrücklich wertzuschätzen, auch wenn sie nicht in der Form einer sakramentalen Ehe entsprechen.“ (kna)

Jeder Mensch ist Person mit einzigartiger Würde

Soweit die Meldung der KNA aus Würzburg. Bevor ich nur einige wenige Argumente zu den obigen Forderungen bringe, möchte ich sagen: Jeder Mensch ist Person mit einer einzigartigen Würde. Jeder Mensch hat ein Gewissen und das Recht, sein Leben nach seinem eigenen Wollen, Können und Gewissen zu gestalten, sofern er dabei niemand anderen beschädigt. Das gilt auch im Blick auf die Gestaltung von Beziehungen und das Leben von Sexualität.

Diese Auffassung der unbedingten Anerkennung jedes Menschen als Person mit Würde, Freiheit und Gewissen gehört zum Fundament des Glaubens der Kirche und seinem Menschenbild und ist unhintergehbar. Wenn aber nun ein Mensch genauer Auskunft darüber möchte, was der Glaube unserer Kirche zu den Themen Partnerschaft, Familie und Sexualität im engeren Sinn sagt, und wenn dieser Mensch sein Gewissen am Glauben der Kirche schulen möchte und wissen will, was aus der Sicht des Glaubens in diesen Themen für wahr und richtig oder falsch gehalten wird, dann muss ich zu den Forderungen des ZDK folgendes sagen:

Ein neues Verständnis von Ehe und Sexualität?

Wenn wir den bislang gelebten und geteilten kirchlichen Glauben zu diesen Themen betrachten, basierend auf der Hl. Schrift, der Überlieferung und dem Lehramt, dann würde ein positives Eingehen auf diese Forderungen des ZDK eine dramatische Veränderung von Vielem bisher Gültigen im Blick auf die Themen Ehe und Sexualität bedeuten.

Die Kirche glaubt nämlich aufgrund der ihr geschenkten Offenbarung, dass ausgelebte sexuelle Praxis ihren genuinen und letztlich einzig legitimen Ort in einer Ehe zwischen genau einem Mann und einer Frau hat, die beide offen sind für die Weitergabe des Lebens und die bis zum Tod eines der Partner einen unauflöslichen Bund geschlossen haben.

Der Anspruch ist hoch

Der Kirche ist dabei völlig bewusst, dass dies ein hoher Anspruch ist; sie glaubt aber ohnehin, dass diesen Anspruch kein Mensch und kein Paar aus eigenen Kräften einlösen kann. Daher heißt dieser Bund auch Sakrament und wird im Glauben durch die ausdrückliche Zusage Gottes bestärkt und bekräftigt, der Dritte im Bund zwischen Zweien zu sein; derjenige, der diese Beziehung verbindet, heiligt, unauflöslich macht und auch immer wieder Quelle des Heils für sie ist.

Weiterhin wird nach meiner Kenntnis im Angesicht dieser Perspektive von der Hl. Schrift her jede andere Form vollständig vollzogener sexueller Praxis außerhalb der Ehe entweder als Unzucht oder als Ehebruch bewertet – einschließlich der Ansage von zum Teil sehr dramatischen Konsequenzen für diejenigen, die sich darauf einlassen. Die kirchliche Tradition hat dieses Urteil der Schrift insgesamt immer geteilt und übernommen, wenn auch nicht einfach undifferenziert.

Dass der Blick auf den Einzelfall immer wichtig für eine Urteilsbildung ist, ist seit langem selbstverständlich. Ebenso selbstverständlich ist für Kirche die Erfahrung, dass es in menschlichen Beziehungen auch Scheitern gibt, und dass Menschen, die scheitern, in besonderer Weise auch seelsorglicher Zuwendung bedürfen.

Partnerschaften auf Basis geteilter Sexualität

Wenn nun aber für heute gefordert wird, dass andere Formen verbindlichen Zusammenlebens zwischen Menschen vor allem deshalb wertgeschätzt werden sollen, sofern in ihnen nur Treue, Versöhnungsbereitschaft und gegenseitige Verbindlichkeit gelebt würden, dann wird diese Forderung vom ZdK selbstverständlich unter Einschluss sexueller Praxis und nicht unter deren Ausschluss erhoben. Andernfalls wären solche Beziehungen zuerst vor allem Freundschaften und nicht Partnerschaften auf der Basis geteilter Sexualität.

Dass die Kirche echte Freundschaft jederzeit gutheißt und auch segnen kann, würde aus meiner Sicht keinerlei Problem machen. Daher geht es bei den hier angezeigten Fragen im Kern eben doch wieder um Sex zwischen Zweien.

„Werte des Zusammenlebens“

Andere, positive „Werte des Zusammenlebens“ gibt es nämlich auch zwischen allen anderen Menschengruppen, etwa zwischen Kindern und Großeltern, zwischen Arbeitskollegen, zwischen Mitgliedern eines Fußballvereins oder sogar zwischen den Mitgliedern einer Gangsterbande. Auch in Letzterer etwa werden nicht selten „Werte“ wie Verlässlichkeit, gegenseitige Fürsorge oder Loyalität hoch geschätzt.

Dies sage ich ausdrücklich nicht, um Gangsterbanden, Fußballvereine und eheähnliche Verhältnisse miteinander zu vergleichen, sondern gerade um zu zeigen, wie die bloße Berufung auf „Werte“ die Dinge beliebig und deshalb eben gerade nicht mehr vergleichbar macht!

Das Wesentliche des Anliegens wird kaschiert

Das heißt aus meiner Sicht, das ZdK möge doch zunächst ehrlich sein und jenseits der Frage nach solchen „Werten“, die man immer und in beinahe jeder Hinsicht gutheißen (=benedicere, segnen) kann, auch die offene Forderung einschließen, dass man damit auch die praktizierte Sexualität in nicht ehelichen Beziehungen endlich gutheißen, also segnen möge. Alle Rede um Werte darum scheint mir eine gut gemeinte aber letztlich kaschierende Verpackung, denn sie verfehlt argumentativ das Wesentliche des Anliegens.

Zudem: Wenn also auf der Basis von „Werten“ liturgische Segnungsfeiern für Beziehungen aller Art gestaltet werden sollen, die keine sakramentale Ehe sind, stellt sich mir die Frage: Warum eigentlich nur für zwei? Wenn etwa drei oder mehr Leute desselben oder auch unterschiedlichen Geschlechts einerseits das Bett teilen und andererseits z.B. miteinander einen verlässlichen und fürsorglichen Rahmen für Kinder bilden wollten, warum sollte man diese Verbindung nicht auch segnen? Es würden doch „Werte“ in ihr gelebt?

„Werte“ sind keine zuverlässige Begründung

Und wie begründet sich auf der Basis von Werten, dass der „geschützte Rahmen“, in den gelebte Sexualität nach Meinung des ZdK eingebettet sein soll, eben nur von genau zwei Leuten, egal welchen Geschlechts, geschützt sein soll und nicht von mehreren auch geschützt werden könnte, wenn sie sich sexuell und auch sonst gut verstehen?

An dem Beispiel sehen wir, dass das Kriterium von solchen „Werten“ keine verlässliche Begründung hergibt für die Segnung von ausschließlich Zweierbeziehungen, gleich welcher Konstellation. Wir sehen folglich auch, dass wir uns mit dem Kriterium „Werte“ aus meiner Sicht massive Probleme einhandeln würden, zumal selbst wiederum Kriterien dafür entwickelt werden müssten, was genau und warum etwas ein „Wert“ ist.

Glaube basiert auf Offenbarung, nicht Werten

Der Glaube und die Schrift basieren aber nicht primär auf Werten, sondern auf Offenbarung, auf Christus selbst. Er ist kein „Wert“, sondern das Wort Gottes selbst; derjenige, der in Person Menschen liebt, berührt, befreit und befähigt zu einem anderen Leben und vor allem zu einer Liebe und Treue, die der Mensch nicht aus sich selbst hat, sondern von ihm.

Wenn aber eben Jesus selbst das „Kriterium“ ist, und wir zudem durch Schrift, Tradition und Lehramt verlässliche Kenntnis seines Willens für diesen Bereich haben (vgl. nur beispielhaft 1 Kor 7,10-11), dann braucht es meines Erachtens sehr viel mehr an Erklärung als die Berufung auf Werte, die mir schlüssig begründen soll, warum sich in diesen entscheidenden Punkten der Wille Jesu für die Themen Ehe und Sexualität nun nach 2000 Jahren geändert haben soll.

Hier ist der Mensch am meisten er selbst

Auch die viel bemühten „Zeichen der Zeit“ sind aus meiner Sicht für diese Fragen keine Antwort. Denn wer legt wiederum fest, was solche Zeichen wären und warum sie ausgerechnet für diesen Bereich nun Neues zeitigen sollten? Aus meiner Sicht ist nämlich gerade dieser Bereich derjenige, in dem der Mensch am meisten er selbst geblieben ist. Und gerade dieser Bereich ist auch in der Alten Kirche schon hoch umstritten gewesen, sonst hätte die Sicht Jesu wohl nicht in dieser Klarheit Eingang in die Hl. Schrift gefunden.

Ein Zeichen der Zeit für heute wäre nach meiner Einschätzung etwa die neue Qualität des Flüchtlingsproblems, auf das die Welt und die Kirche neue Antworten finden müssen; aber eben nicht auf die Frage, warum vollzogener Sex außerhalb der Ehe nun neuerdings ein Segen sein soll, wo er 2000 Jahre lang aus der Sicht des Glaubens das Gegenteil davon war.

Ich kann den Beschluss nicht nachvollziehen

Ich kann aus diesen und anderen Gründen den Beschluss des ZDK in dieser massiven Deutlichkeit tatsächlich nicht nachvollziehen. Als ein Mensch, der in der immer säkularer werdenden Welt von heute lebt, könnte ich es selbstverständlich schon. Denn so ist eben die Welt, in der wir leben, und so ähnlich war sie in diesen Dingen wohl damals auch schon, als die Texte der Hl. Schrift formuliert wurden.

Aber als ein Mensch, der sich mitten in dieser Welt dem Glauben der Kirche verpflichtet und von ihm immer neu herausgefordert fühlt, kann ich es nicht. Das Zentralkomitee ist aus meiner Sicht dabei, mit dieser Erklärung sehr wesentliche Aspekte des biblischen Menschenbildes und des biblischen Offenbarungsverständnisses hinter sich zu lassen. Und tatsächlich beunruhigend ist für mich, dass es diesen Weg offenbar mit der größtmöglichen Mehrheit seiner Repräsentanten geht.

Dramatischer Kurswechsel

Und die immer neu bemühte Berufung auf Papst Franziskus zur Untermauerung dieses neuen Programms wird einem solch dramatisch vollzogenen Kurswechsel in keiner Weise gerecht. Siehe die offizielle Version der Erklärung auf der ZdK-Homepage.

Der Papst hat eine Umfrage zu diesen Themen angeordnet und eine Synode einberufen, in der es in offener Debatte um das Evangelium von der Familie gehen soll. Wunderbar! Und ja, es darf und soll diskutiert werden. Wie schön. Ich sehe aber keine einzige öffentliche Äußerung des Papstes oder des bisherigen Lehramtes, die auch nur annähernd in die Nähe der oben formulierten Forderungen des ZdK kommen würde.

Wo sind die biblischen Argumente?

Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird die kommende Synode zeigen, dass der Name und das Programm von Papst Franziskus hier für das eigene politische, aber eben gerade nicht biblische Programm des ZdK instrumentalisiert wurden. Bezeichnend scheint mir dabei auch, dass in dem Forderungskatalog des ZdK und seiner Begründung biblische Argumente so gut wie gar keine Erwähnung mehr finden.

Die deutschen Bischöfe haben erst kürzlich eine Neufassung ihrer Grundordnung für kirchliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verabschiedet. Auch in der Neufassung werden der kirchenrechtlich unzulässige Abschluss einer Zivilehe und das Eingehen einer eingetragenen Lebenspartnerschaft bei Katholiken grundsätzlich als „schwerwiegender Verstoß gegen Loyalitätsobliegenheiten“ gegenüber der Kirche als Arbeitgeber gewertet.

ZdK, kann das Ihr Ziel sein?

Ich frage mich daher, wie es das ZdK mit seiner öffentlichen Forderung nach Segen und liturgischen Handlungen für eben solche Verbindungen mit der Loyalität gegenüber den Bischöfen und dem ihnen übertragenen Lehramt grundsätzlich hält. Die Tatsache jedenfalls, dass sich viele Katholiken – nach Texten wie diesem – heute vom ZdK nicht mehr vertreten fühlen, ist aus meiner Sicht nicht primär diesen Katholiken selbst anzulasten.

Und wenn heute in der Kirche Tendenzen zur Lagerbildung beklagt werden, werden sie aus meiner Sicht durch solche Entschließungen wie die vorgelegte erst recht forciert. Diejenigen Menschen aber, die sich in diesen Fragen unvoreingenommen über Positionen des weltweit in der einen Kirche überlieferten Glaubens einerseits und diejenigen des Zentralkomitees der deutschen Katholiken andererseits informieren wollen, werden angesichts der Gegensätzlichkeit in diesen Punkten vor allem verwirrt sein. Liebe Mitglieder des ZdK: Kann das Ihr Ziel sein?