Foto: Pressestelle Bistum Passau

Heimat in der Kirche finden

Heimat in der Kirche? Was Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kirche verbindet. Die Predigt von Bischof Stefan Oster zur Adventsandacht für die Mitarbeitenden des Bistums Passau 2014.

Liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, liebe Schwestern und Brüder im Glauben,
wir haben eine Lesung gehört, in der der Prophet Jeremia seinem Volk Israel prophezeit, dass es aus dem Exil nach Hause geführt wird. Dass es wieder Heimat finden wird, dort, wo es ursprünglich hingehört. Für das historische Volk Israel war und ist das bis heute ihr Land. Sie alle wissen, dass unsere jüdischen Brüder und Schwestern das Land Israel als ihre reale und legitime irdische Heimat betrachten und als das Land, das ihnen der Gott der Bibel verheißen hat.

Sie glauben auch, dass Gott sein Volk, das jüdische Volk dort sammeln will. Und sie glauben, dass diese Sammlungsbewegung auch noch weiter geht in der Geschichte und sie warten auf den ausstehenden Messias, den Friedenskönig.

Kirche als unsere Heimat

Wir Christinnen und Christen lesen diese Verheißung anders, wir deuten sie angesichts des Weihnachtsgeschehens neu. Wir sind der Überzeugung, dass der Friedenskönig schon gekommen ist und dass er eine neue, eine tiefere Heimat für uns als Getaufte Brüder und Schwestern erwirkt hat. Er hat uns die Kirche geschenkt, die Kirche als unsere Heimat. Wir spüren, dass diese Heimat zuerst einen geistlichen Sinn hat, sie ist Heimat im Glauben, in der Art und Weise, wie wir auf die Welt schauen, in der Art und Weise, wie wir miteinander innerlich verbunden sind als Christinnen und Christen.

Aber unsere Kirche hat auch immer noch einen sehr konkreten, einen irdischen Sinn. Sie ist verwirklicht auf der ganzen Welt so auch bei uns in der Ortskirche von Passau, in unserem Bistum. Man kann sie auch anschauen zum Beispiel in diesem wunderschönen Gotteshaus, man kann sie anschauen in den Kirchen unserer Pfarreien, in Einrichtungen, in konkreten Arbeitsplätzen wie bei uns im Ordinariat. Kirche gibt es konkret, nicht nur geistig und nicht nur im Glauben.

Heimat in der Gemeinschaft der Glaubenden

Aber die Frage für uns alle ist, wie steht es mit diesem Verhältnis von konkreter Kirche und Kirche des Glaubens für Menschen wie uns, die wir bei der Kirche angestellt sind, die wir hier arbeiten und ein Gehalt beziehen? Klafft das auseinander? Ist die Kirche als Arbeitgeber das eine und die Kirche als Gemeinschaft der Glaubenden etwas ganz anderes?

Liebe Schwestern und Brüder, wir ahnen, dass diese beiden Dinge: die Arbeitgeberseite und die Glaubensseite nicht immer ganz leicht zusammenzubringen sind. Da gibt es auf der einen Seite zum Beispiel ein Arbeitsrecht oder es gibt tarifliche Vereinbarungen, an die wir gebunden sind, es gibt Ansprüche, die wir geltend machen und Ansprüche, die der Arbeitgeber geltend macht. Und es ist gut, dass viele Dinge geregelt sind oder immer wieder neu ausgehandelt werden, je nach Situation.

Spannung zwischen Arbeits- und Glaubensgemeinschaft

Aber wir spüren auch alle, dass es da eine Spannung gibt, zwischen dieser konkreten Seite der Kirche als unserem Arbeitsplatz und der Kirche als Glaubensgemeinschaft und geistiger und geistlicher Heimat. Und wir spüren vielleicht, wenn diese beiden Seiten nicht einigermaßen zusammenkommen, dass es dann schwierig wird. Wir spüren, dass sich ein Mensch umso schwerer tut, die Kirche als Arbeitgeber zu akzeptieren, je weiter er sich im Glauben entfernt, wenigstens dann, wenn er in verantwortlichen Positionen arbeitet. Und wir spüren umgekehrt: Viele Menschen freuen sich, gerade deshalb bei der Kirche arbeiten zu dürfen, weil sie auch in ihrem Glauben dort tief beheimatet sind.

Liebe Schwestern und Brüder im Glauben, liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kirche von Passau: Wir gehen auf Weihnachten zu und Weihnachten hat in besonderer Weise eine Art heimatlichen Charakter. Wir glauben, dass Gott selbst in seiner Menschwerdung gleichsam in die Fremde gegangen ist.

Gott ist uns entgegengekommen

Er ist Mensch geworden in einer Welt, die sich mit ihm schwer getan hat, er ist Mensch geworden in einer Welt, die von ihm im Grunde nicht mehr viel wissen wollte. Deshalb ist er den Menschen unfassbar weit entgegen gekommen. Er ist so weit zu den fremd gewordenen Menschen gegangen, dass er einer von ihnen geworden ist. Warum?

Um sie heimzuholen – in die Kirche. Nicht einfach damit die Kirchen voll sind, nicht einfach, damit der Bischof nicht vor leeren Bänken predigen muss. Gott hat uns durch seinen Sohn die Kirche geschenkt, damit die Menschen dort wirklich eine Heimat finden, die viel größer ist und tiefer als das, was wir oft in einem rein irdischen Sinn für Heimat halten. Die Kirche ist in der Tiefe der Ort der Gemeinschaft der Menschen mit Gott, mit Jesus.

Wir sind eingeladen

Und wir Menschen sind eingeladen, ihm in der Kirche zu begegnen, in seinem Wort, in seinem Sakrament, in der Gemeinschaft derer, die zu ihm gehören. Dass alle diejenigen, die diese Gemeinschaft bilden, nicht immer schon Heilige sind, das merkt jeder und jede an sich selbst. Es knirscht auch immer wieder in der Kirche, das gehört auch dazu. Wenn wir alle schon Heilige wären, wären wir schon im Himmel.

Aber das sind wir selbst in der Kirche von Passau noch nicht. Aber ich darf Ihnen versichern, dass es hinter all dem Sichtbaren unserer Kirche und auch hinter dem, was manchmal auch gar nicht nach Kirche aussieht, dennoch ein Geheimnis, eine Wirklichkeit verborgen liegt, die eben tatsächlich schon der Anfang unserer endgültigen Heimat ist.

Heimat in Wahrheit, Liebe und Ewigkeit

Ich möchte Ihnen heute Nachmittag von Herzen wünschen, dass Sie an Weihnachten und im Jahr 2015 wieder neu und tiefer in diese Erfahrung hineinfinden: dass es unser Herrgott gut mit Ihnen meint und dass er uns in der Kirche einen Ort geschenkt hat, wo wir Ihm begegnen, wo wir spüren dürfen: Hier geht es um Wahrheit, um Liebe und um die Ewigkeit. Und da darf ich dazu gehören. Denn dafür ist Gott Mensch geworden: dass wir wieder dazu gehören. Auch für uns in der Kirche von Passau. Amen.