Simson und Johannes sind Vorboten unseres Erlösers. Was Männer auf dem Weg ins Priesteramt von ihnen lernen können. Die Predigt von Bischof Stefan Oster zur Beauftragung zum Lektorat und Akolythat 2014.
Liebe Mitbrüder im Priesterseminar, liebe Schwestern und Brüder im Glauben,
wir hören heute in den Texten der Lesung und des Evangeliums zwei Geschichten von Geburten. Es sind zwei Vorläufer-Geschichten. Zwei Männer werden geboren, die in Israel selbst Träger der Verheißung wurden, von Gottes Geist begabte Menschen, die in Israel kraftvoll verkündigen sollten, die mitwirken sollten an einer Befreiung des Volkes aus verschiedenen Formen der Gefangenschaft.
Die Schrift selbst lehrt uns, diese Erzählungen auf Jesus hin zu lesen und zu deuten. Und so sehen wir mit Simson einen Mann, der ein Nasiräer war, also ein Mann Gottes mit einem besonderen Gelübde, das wir im alten Testament finden. Es ging um besondere Reinheit, die im Verzicht auf Wein und Bier zum Ausdruck kam, oder auch im Verbot, sich toten Personen zu nähern.
Simson und der Zusammenhang zwischen außen und innen
Außerdem ließen Nasiräer ihr Haar und den Bart wachsen, wohl ein äußeres Erkennungszeichen dieser besonderen Weihe an Gott. Das Gelübde gab es auf Zeit und auf Lebenszeit. Und für den von Gott auserwählten Simson hatte sich sogar schon die schwangere Mutter daran zu halten, keinen Alkohol zu trinken und nichts Unreines zu essen. Er sollte schon von Anfang an und für immer ganz Gott gehören. Wir lesen dann, dass auch Simson schon vom Geist Gottes umhergetrieben wurde.
Es gibt also offenbar schon im Alten Testament einen Zusammenhang zwischen der Reinheit und Klarheit des äußeren Lebens und der inneren, der geistvollen Lebensform. Simson wird in der Schrift dann als gewaltiger Held geschildert, der im Kampf mit den Philistern siegreich ist, der aber unter anderem durch eine zweideutige Liaison mit einer Frau, der berühmten Delila, schließlich auch zu Fall kommt.
Ein karges Leben
Die zweite Erzählung schildert uns Ereignisse rund um die Geburt des Täufers Johannes. Ob er auch ein Nasiräer war, ist nicht ganz klar. Aber klar ist, dass auch er sich berauschender Getränke enthalten hat und ein wildes, karges Leben in der Wüste geführt hat. Auch von ihm heißt es, dass er vom Geist Gottes erfüllt ist, und wir sehen, dass sein Kampf schon von größerer Innerlichkeit gekennzeichnet ist.
Auch das ist für uns eine Hilfe das Alte Testament im Blick auf Jesus zu lesen. Das Äußere, das Zeichenhafte wird allmählich vertieft, in größere innere, in tiefere geistliche Bedeutung geführt – und zwar ohne dass dabei das Äußere einfach nebensächlich würde. Es ist eher so, dass das Äußere, das Sichtbare durchsichtiger wird – auf die Tiefe des Geistlichen. Auch Johannes führt gewissermaßen einen Befreiungskampf für sein Volk, aber es ist ein Kampf der Umkehr, ein Ringen, das die Menschen zu Gott zurück führen will. Auch er lebt in großer Radikalität, aber eben auch schon in tieferer, größerer Klarheit und offenbar auch innerer Reinheit als Simson.
Innere Tiefe
Und das Leben und die innere Tiefe des Johannes ziehen die Leute nun in Scharen an, sie kommen, sie bringen ihr Leben, auch ihre Schuld vor Gott, sie lassen sich am Jordan von ihm taufen, diesem schicksalhaften Ort Israels. Es ist der Fluß, durch den Israel einst hineingezogen ist in das gelobte Land. Hier klingt auch wieder Verinnerlichung an: auch unsere Taufe, die wir durch Christus geschenkt bekommen haben, ermöglicht uns einen Einzug ins gelobte Land, der tiefer, der innerlicher ist, als das, was vorher war, im Hebräerbrief wird es „das Land der Ruhe“ genannt.
Denn Jesus, der Messias, wird nun diese Bewegung vollenden. Er ist der Reine, der Herzensreine schlechthin, sein Kampf und seine Sammlungsbewegung des Volkes ist gewaltlos, sie ist friedfertig, sie ist ein Weg der Liebe. Es ist ein Weg der Pro-Existenz, des Lebens und Sterbens für andere. Es ist ein Weg der Hingabe an den Vater und so zugleich an die Menschen. Besonders schön finde ich die Begebenheit, die im Lukas-Evangelium etwas später über Zacharias erzählt wird, nach dem Text, den wir heute von ihm gehört haben. Wir haben ja gehört, dass Zacharias nach der Begegnung mit dem Engel nicht mehr sprechen kann. Die Erklärung an ihn ist: Weil du meinen Worten nicht geglaubt hast. Aber eben später dann, als Zacharias auf die Schreibtafel schreibt: „Sein Name ist Johannes“, da öffnet sich sein Mund wieder, heißt es und er redet und preist Gott. Johannes bedeutet übersetzt: Gott ist gnädig.
Wie üben wir unseren Dienst in der Kirche aus?
Ich möchte diese Begebenheit und diese Texte auch auf unsere heutige Feier hin deuten. Sie, liebe Kandidaten für diese Ämter, übernehmen Dienste in der Kirche, in denen es um den Vortrag des Wortes Gottes geht und um den Dienst am fleischgewordenen Wort Gottes, nämlich an der Heiligen Kommunion. Wie üben wir diesen Dienst aus? Wie ist unser Sprechen und Handeln erfüllt von Gott und seinem Geist? Ist es eher äußerlich, so dass wir vor allem Wert legen auf äußere Korrektheit, auf schönes liturgisches Gewand, auf den hervorragenden Vortrag der Lesung und anderes?
Ich will alles das beileibe nicht schlecht reden. Es ist wichtig und trägt zur Würde dessen bei, was Sie tun dürfen. Aber wir wissen alle, dass wir alle, die wir diese höchst würdevollen Dienste ausüben dürfen, gefährdet sind, beim Äußeren stehen zu bleiben. Wir sind gefährdet, die äußere Korrektheit über den inneren Mitvollzug zu stellen. Diese Betonung des Äußeren ist ja nicht schwer, sie ist uns zunächst einmal irgendwie näher. Wir wollen nichts verkehrt machen, wir wollen vielleicht auch ganz gut dastehen, wir passen auf, dass wir selbst dabei gut wirken. Wir sind uns zuerst selbst am Nächsten.
Im Gehorsam Gott gegenüber
Aber wie ist das bei Zacharias? Sein Wort kommt erst dann überzeugend und als Lobpreis zurück, als er sich wirklich in den Dienst, in den Gehorsam Gott gegenüber stellt. Und die beiden Gestalten Simson und Johannes der Täufer waren wohl auch deshalb so überzeugend in ihrem Dienst, so erfüllt vom Geist Gottes, eben weil es in ihrem Leben auch Übungen von Reinheit und Verzicht gab. Wohlgemerkt, nie einfach um des Verzichtes willen. Jede religiöse asketische Übung hat nur dann Sinn, wenn sie innerlich auf Gott bezogen ist.
Wir sind als Menschen ambivalente Wesen. Es gibt dieses Streben in uns, am Materiellen, am Irdischen festzuhalten. Das gibt Sicherheit, vermeintliche Sicherheit jedenfalls. Da weiß man, was man hat. Und dieses Festhalten, das wissen wir alle, das neigt irgendwie zur Maßlosigkeit. Von manchem, was einem Sicherheit zu geben scheint, kann man dann nie genug bekommen. Aber wenn wir diesem Streben in uns den freien Lauf lassen, dass kann sich der Geist Gottes in unserem Leben nie entfalten. Wir lassen ihn ja nicht! Unser eigener Geist geht ja nicht innerlich konform mit ihm. Er ist ja auf Dinge gerichtet, die wenig mit dem Heiligen Geist zu tun haben. Und Übungen des Verzichtes, der inneren Reinheit und ähnliches haben daher immer auch diesen Sinn: dem Heiligen Geist in sich selbst Raum zu geben, damit unser Handeln und unser Reden erfüllt werde, von Ihm.
Vom Herrn erfüllt
Wenn Sie zum Beispiel als Lektor Gottes Wort vortragen, fragen Sie sich: Spüren die Menschen, dass Sie wissen, von was Sie da reden? Oder besser von wem? Ist Ihr Vortrag auch von Seinem Geist erfüllt, von dem also, der diesen Text gleichsam mitgeschrieben hat? Oder wenn Sie als Akolyth die Kommunion zu einem Kranken bringen: Spüren die Menschen, dass Sie an Den glauben, den Sie da im Allerheiligsten bringen?
Liebe Kandidaten für Lektorat und Akolytat. Ich danke Ihnen für Ihre Bereitschaft, diese Dienste zu übernehmen. Sie gehen auf das Priesteramt zu, aber schon jetzt werden Ihnen priesterliche Tätigkeiten anvertraut. Wir gehören ja alle zum Volk Gottes, in dem jeder Getaufte eine priesterliche, königliche und prophetische Berufung hat, einfach weil er zu Christus gehört. Aber Sie werden diese Dienste umso erfüllter tun, je tiefer Sie sich von unserem Herrn selbst einführen lassen in diese Dienste und erfüllen lassen in ihnen. Er ist der einzige Hohepriester, er ist das wahre Wort Gottes. Und Er will durch Sie zu den Menschen kommen. Wir alle zusammen hier beten nun mit Ihnen dafür, das Sie diesen Dienst auch glaubwürdig tun können. Amen.