Foto: Provinz- und Missionshaus Heilig Kreuz, Altötting

Hingabe ist der Kern des christlichen Lebens

Hingabe muss nicht im Märtyrertod enden. Sie kann aber tief in ein erfülltes Leben führen – auch wenn dieses bedroht ist. Die Predigt zur Ehrung der Professjubiläen der Kreuzschwestern in Altötting 2014.

Liebe Schwestern mit 40 und 50 Professjahren,
wie schön, dass wir am Vortag, im Vorfeld des Festes der Mutter Gottes dieses Professjubiläum begehen dürfen, zumal an einem Tag, an dem die Kirche einen weiteren Franziskaner in unser Blickfeld rückt: den Heiligen des heutigen Tages, Pater Maximilian Kolbe. Sie alle kennen seine Geschichte, besonders natürlich seine heroische Tat, als er im Konzentrationslager von Auschwitz sein Leben in Stellvertretung für einen jungen polnischen Familienvater hingab.

Hingabe mit Blick auf Jesus

An Menschen wie Pater Kolbe wird sehr exemplarisch deutlich, dass der Kern des christlichen Lebens in der Hingabe besteht, in einer Hingabe, die ihr Leben drangibt, weil sie kein höheres Gut kennt als Jesus, und zwar als unseren Gekreuzigten, unseren Hingegebenen und auferstandenen Herrn.

Sie liebe Schwestern haben vor 40 oder 50 Jahren Ihr Leben hingegeben, als Sie in Ihrer Profess zum ersten Mal vollen Herzens Ja zum Ruf in die Nachfolge des Herrn gesagt haben. Und auch wenn das Leben der meisten Ordenschristen nicht in einem unmittelbaren Martyrium endet, wie bei Pater Kolbe, so ist es doch ein beständiges Einüben dieser Hingabe, ein tägliches, alltägliches Loslassen unsres Lebens im Dienst und für den Dienst an Gott und den Menschen.

Vom Herrn in den Dienst genommen

Dort, wo nicht unmittelbar unser Leben gefordert wird, dort wird es doch täglich vom Herrn in den Dienst genommen, täglich will er seinen Diamanten polieren, reinigen von dem, was da noch ichhaft an sich hält, was noch viel lieber bei sich bleiben und um sich kreisen will. Und täuschen wir uns nicht, liebe Schwestern, das Ganze ist erst zu Ende, wenn wir aus diesem Leben hinübergehen dürfen, heim zum Herrn, den wir ersehnen.

Und wenn ich vom täglichen Einüben und Geschliffen-werden spreche, dann freilich nicht mit dem Ziel, dass es dabei beständig um Selbstquälerei ginge. Nein, unser Ordensleben lebt in der Tiefe daraus, dass wir alle wirklich berührt worden sind, von Jesus. Von seiner Schönheit und Majestät, von seiner Liebe und Demut, von seiner Wahrheit und Tiefe.

Hingabe wächst mit der Freude an Ihm

Wer einmal im Herzen ergriffen hat, dass nur Er und niemand anderer ein Leben schon in dieser Welt erfüllen und froh machen kann, der weiß vielleicht auch um das Geheimnis, dass die Sehnsucht nach Ihm nicht weniger wird, sondern wächst, je länger wir unterwegs sind. Und mit dem Wachsen der Sehnsucht wächst zugleich die Freude an ihm.

Denn die Sehnsucht nach Jesus in unserem Inneren ist eine Sehnsucht, die das Gestillt-sein schon gekostet hat, die schon um den Frieden weiß, der davon ausgeht, dass der Herr selbst ein Herz bewohnt und immer noch mehr einnehmen will. Im Kreuz ist Heil, in der Hingabe ist Leben. Das liebe Schwestern, die Sie heute Ihr Ordensjubiläum feiern dürfen, steht im Herzen Ihrer Ordensspiritualität. Und zum Leben mit Jesus gehört die Treue.

„Die Treuen werden bei ihm bleiben in Liebe“

Wir haben in der Lesung gehört, dass der Autor des alttestamentlichen Buches der Weisheit die Treuen besonders lobt. Noch einmal der letzte Vers dieser Lesung von heute. Da heißt es: „Alle, die auf ihn vertrauen, werden die Wahrheit erkennen und die Treuen werden bei ihm bleiben in Liebe. Denn Gnade und Erbarmen wird seinen Erwählten zuteil.“ Die Treuen werden bei ihm bleiben in Liebe, in der Hingabe.

Liebe Schwestern, der Weg der Hingabe hört nicht auf und die Gnade, von der der alttestamentliche Text spricht, diese Gnade führt neutestamentlich in die Freundschaft mit Jesus.

Jesus spricht vom Bleiben

Wir haben als Evangelium einen wundervollen Text aus dem Johannes-Evangelium gehört: Jesus spricht hier im Anschluss an das Gleichnis vom Weinstock immer noch vom Bleiben, vom Bleiben in seiner Liebe. Das Bleiben ist eines der ganz zentralen Wörter in diesem Evangelium. Wir sollen bei ihm bleiben, wir sollen sogar immer mehr lernen, in ihm zu bleiben.

In seinem Herzen, in seiner Liebe, dann werden wir mehr und mehr verstehen, dass er uns zu Freundinnen und Freunden macht. Dann macht er uns zu Christen, die mit Recht seinen Namen tragen, die heißen wie er: Es sind die Christen, die Gesalbten. Liebe Schwestern und Brüder, erkennt man an unserem Denken und Leben, Sprechen und Handeln, dass wir Gesalbte sind, also Christinnen und Christen sind?

Was heißt Salbung?

Was heißt eigentlich Salbung? Ich habe sehr oft den Eindruck, dass wir dieses Wort viel zu schlecht reden und machen. Denken Sie nur an eine Rede, von der es heißt, sie war besonders salbungsvoll. Das heißt in der Regel, sie war irgendwie geschwollen, aber zugleich ziemlich langweilig und realitätsfern. Aber meine Lieben, das ist eine Verhunzung unseres Namens, unseres Christennamens.

Wir sind Gesalbte, wenn von unserem Reden und Handeln eine Wirkung ausgeht, die irgendwie Christus erahnen lässt. Eine Wirkung, die auf Tieferes schließen lässt, auf mehr; eine Wirkung, die von denen ausgeht, die Jesus persönlich kennen. Deren Sprechen und Handeln erwirkt eine Atmosphäre, die wohltuend ist, wie eine Salbe, die den Wohlgeruch Christi ausstrahlt, von dem Paulus im zweiten Korintherbrief spricht.

Menschen, die auf den Herrn hinweisen

Kennen Sie das: Es gibt Menschen, die wirken anziehend, weil sie in geheimnisvoller Weise auf unseren Herrn hinweisen. Liebe Schwestern, die Sie Ihr Jubiläum feiern: Hören Sie nicht auf, immer neu den zu suchen, in den Sie sich schon am Anfang Ihres Ordenslebens verliebt haben.

Und wenn Sie vielleicht merken, dass Sie etwas von diesem Herzensschwung von damals verloren haben, dann bitten Sie den Herrn, wieder dahin zurück kehren zu dürfen. Bitten Sie ihn um die Gnade, im Herzen Seine Liebe und Wahrheit und Schönheit spüren zu dürfen, und sich ihr immer wieder neu anzuvertrauen und hinzugeben.

Jesus ist die Lösung

Jesus ist die Lösung für letztlich alle unsere Fragen und Probleme und wir finden diese Lösung nur in unserer Loslösung von anderen Dingen, die uns im Herzen auch noch binden, halten, beschäftigen, besetzen. Loslassen auf Ihn hin, ist die Lösung – dann wird er immer mehr wirklich die Lösung, die Lösung der allertiefsten Fragen und Sehnsüchte unseres Lebens.

Dass Sie davon auch am Tag Ihres Jubiläums und darüber hinaus wieder neu ergriffen werden, im Schwung und im Geist des Heiligen Franziskus und des Heiligen Pater Kolbe und auf die Fürsprache unserer Gottesmutter, das wünsche ich Ihnen von ganzem Herzen.

Dank für Eure Hingabe

Und ich danke Ihnen schließlich für Ihre Treue, für Ihr Zeugnis in unserer Zeit, in der es Menschen nicht leicht haben, ein Ziel zu finden, Orientierung zu finden, treu zu bleiben. Sie zeigen mit Ihrem Leben, das nie nur Höhenflug ist, das auch geplagt ist, von Mühen, von Durchschnittlichkeit, von Zweifeln und Ängsten und anderem mehr, aber Sie zeigen mit Ihrem Leben, dass ein erfülltes Leben für Christus, in der Gemeinschaft der Geschwister möglich ist.

Sein Leben verschenken für andere

Er alleine genügt letztlich – nicht in Selbstgenügsamkeit. Aber er genügt so, dass wir in seiner Nähe und in seiner Kraft unser Leben verschenken können, für Ihn und für die Menschen.

Ich erbitte für Sie, liebe Schwestern mit Ordensjubiläum, von ganzem Herzen den Segen unseres Guten Gottes, im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.