„Wovon das Herz voll ist, davon spricht der Mund“. Aber wie ist das, wenn wir über religiöse Dinge sprechen? Bischof Stefan Oster ermuntert in seinem Hirtenwort zur Fastenzeit die Gläubigen den Mitmenschen vom eigenen Glauben zu erzählen.
Hier zum Nachschauen:
Liebe Geschwister im Glauben,
den meisten von Ihnen wird dieses Sprichwort bekannt sein: „Wovon das Herz voll ist, davon spricht der Mund“. Es stammt zwar aus der Bibel, sogar aus dem Mund von Jesus, aber es stimmt sicher auch für die meisten von uns, wenn wir von etwas begeistert sind: „Wovon das Herz voll ist, davon spricht der Mund“. Aber wie ist das, wenn wir über religiöse Dinge sprechen?
Sie alle wissen, dass unsere Kirche durch schwierige Zeiten geht. Wir erleben Spannungen und Skandale, wir erleben sehr viele Austritte und wir erleben, dass wir als Kirche für sehr viele Menschen, vor allem für sehr viele junge Menschen, keinerlei Bedeutung mehr haben. Wir haben für viele keine Bedeutung als eine Instanz, die den Glauben an einen liebenden Gott wecken und wachsen lassen will. Die Ursachen dafür sind vielfältig. Ich zähle nur einige auf: Das Ausmaß des Missbrauchs, der Wohlstand, die Lebensweisen in der liberalen Gesellschaft, die Herausforderungen durch Naturwissenschaften und Technik, die Unglaubwürdigkeit von Verantwortlichen in der Kirche und noch viel mehr.
Wie sprechen wir über unseren Glauben?
Heute möchte ich mit Ihnen aber eine Ursache dieses Bedeutungsverlustes der Kirche bedenken, die bei uns selbst und unserem gläubigen Miteinander liegt: Wir haben in unserem kirchlichen Leben nur wenig eingeübt, von unserem eigenen Glauben auch persönlich zu sprechen. Dabei ist der Glaube den meisten von Ihnen, die Sie das hören oder lesen, doch kostbar und wertvoll. Der Glaube ist aber auch etwas Intimes, und vielleicht manchmal sogar mit Scham besetzt. Vielleicht weil wir unsicher sind. Was werden die anderen sagen, wenn ich davon rede? Vielleicht weil ich mich mangels Kenntnis zu wenig traue? Oder wer spricht schon offen über etwas so persönlich Intimes, wie den eigenen Glauben? Vielleicht aber auch, weil unser Herz irgendwie doch nicht so voll ist, dass der Mund wirklich davon reden könnte?
Die letzten Worte des emeritierten Papstes
Vor kurzem haben wir unseren emeritierten Papst Benedikt XVI. beerdigt. Der war natürlich ein großer Mann des Geistes und des Glaubens – und auch ein Mann unseres Bistums. Und ich durfte ihn auch in einigen Begegnungen persönlich erleben und kann sagen: Trotz seines unglaublichen Wissens und seiner theologischen Kompetenz, hatte er auch den einfachen Glauben eines Kindes. Mich hat wirklich bewegt, als berichtet worden ist, was auf dem Sterbebett seine allerletzten Worte waren. Sie lauteten: „Herr, ich liebe Dich“. Und ich bin sicher, hier hat ein Mann mit seinem Mund gesprochen, wovon das Herz auch in seiner Sterbestunde voll war.
Liebe Schwestern, liebe Brüder, ich bin so froh, glauben zu können, dass in der heutigen Krisensituation von Kirche und Gesellschaft eine große Konstante in meinem inneren Leben bleibt. Ich kann vertrauen, dass Jesus in seiner Kirche wirklich da ist. Und dass er in der Heiligen Messe da ist – und sich uns schenkt, weil er uns liebt. Er schenkt sich im Wort und im Sakrament. Warum tut er es? Aus Liebe! Und er tut es aus Liebe, damit wir lernen, ihn zu lieben. Damit unser Herz voll von Ihm wird – und damit wir lernen, davon zu sprechen.
Wir sind berufen, Zeugnis zu geben
In der ersten Lesung von heute haben wir die Geschichte vom Sündenfall gehört. Die Sünde ist das, was unser Herz verdunkeln und abschließen will von der inneren Bewegung hin zu Gott. Und im Evangelium haben wir gehört, wie sogar Jesus selbst vom Teufel versucht worden ist – damit er sich von seinem Vater im Himmel entfernt. Wir alle leben in einer Welt, in der es viel Licht und Schatten gibt – und der Schatten versucht sich fortwährend auf unser Herz zu legen, damit die Distanz zu Gott und seiner Kirche größer wird. Tatsächlich aber sind wir berufen, Kinder des Lichtes zu sein – und mitten in den Schatten und dunklen Seiten der Welt, von Jesus immer neu das Licht zu empfangen und auszustrahlen. Wir sind berufen, unser Herz von ihm anfüllen zu lassen. Und dann anderen Menschen zu bezeugen, wer er für uns ist.
Eine konkrete Gesprächseinladung
Daher möchte ich uns alle für die vor uns liegende Fastenzeit sehr konkret einladen: Erzählen wir im kleinen Kreis oder in einer Gruppe von Menschen die Geschichte von den letzten Worten von Papst Benedikt: „Herr, ich liebe dich!“ Und dann laden wir einander ein, ehrlich und gerade heraus zu erzählen: Was bedeutet Jesus eigentlich für mich und mein Leben? Und für Dich und Dein Leben? Erzählen Sie, wenn möglich ohne Scham, erzählen Sie auch von Ihren Fragen und Zweifeln. Und hören Sie einander zu. Sicher wird manches dabei sein, was Ihnen selbst hilft, manchen Aspekt an Jesus neu zu erkennen, den Sie selbst noch nicht gesehen haben. Sicher wird Ihnen manches tiefer aufgehen. Und sicher wird manches Reden über Jesus bei den Beteiligten noch eher ein Stammeln im Ungefähren sein. Aber diese Frage: Was bedeutet Jesus für mich? – die ist es, die erstens bewusst machen kann, was in meinem Herzen an gläubiger Überzeugung da ist. Und die mir zweitens auch helfen kann, selber ins Sprechen zu kommen und dabei allmählich sicherer zu werden. Und vielleicht nehmen Sie sich ja auch bewusst vor, einmal jemanden, der der Kirche ferner steht, mit in den Gottesdienst einzuladen. Und ihm dann auch zu erklären, wie Jesus in der Messe gegenwärtig ist und sich schenkt. Wir alle haben ja als Getaufte den Auftrag, die Welt mit unserem Herrn bekanntzumachen. Und es wird uns umso mehr gelingen, je ehrlicher wir mit dem verstorbenen Papst Benedikt sagen können: „Herr, ich liebe Dich.“ Denn wovon das Herz voll ist, davon spricht der Mund. Lassen Sie es uns besonders versuchen in den kommenden Wochen! Es kann uns alle dem Herrn näherbringen. Und uns helfen, in dieser Beziehung zu Ihm zu wachsen. In der Beziehung, die für unser gläubiges Leben so wesentlich ist.
Ich wünsche Ihnen und allen Ihren Lieben eine gesegnete Fastenzeit. Auf dass auch für Sie das Fest der Auferstehung Jesu ein Herzensfest werden möge.
Hier zum Nachhören: