Am Donnerstag, 11. Juli um 19 Uhr, findet in der St. Paul Kirche in Passau der ökumenische Gebetsabend „United Praise“ statt. Darüber sprach Bischof Stefan Oster im Interview mit Nadja Neubauer von Radio Horeb.
Das ganze Interview hier zum Nachhören und Lesen:
radio horeb: Heute geht es um einen besonderen Gebetsabend, um einen Lobpreisabend in Passau „United Praise“ für die Einheit der Christen, ein ökumenisches Treffen. Offensichtlich ist Ihnen dieses Anliegen wichtig, die Einheit, die Ökumene. Warum?
Bischof Oster: Ja, natürlich, weil uns Jesus das gesagt hat. Er will, dass wir alle eins sind und eines der größten Ärgernisse in unserem Christentum auf der ganzen Welt ist, dass wir eben nicht eins sind. Und jede Bemühung, dass Christen zusammenkommen, Christen und Christinnen in der Welt gemeinsam etwas tun, ist aus meiner Sicht nur zu befördern.
Und würden Sie sagen, gerade jetzt mit Blick auf Deutschland, dass wir heute hier unversöhnter sind als vor der Reformation?
Bischof Oster: Das ist eine gute Frage. Die Bruchlinien ziehen sich ja nicht nur zwischen den Konfessionen, sondern auch innerhalb der Konfessionen. Weil es so viele Denominationen gibt, nicht nur innerhalb der Kirchen und Gemeinschaften, die aus der Reformation entstanden sind, sondern auch noch die Orthodoxie, die Pfingstkirchen, die Freikirchen, das ist eine solche Vielfalt, da ist es auf jeden Fall insgesamt schwieriger geworden, mit einer Stimme zu sprechen.
Zum Thema Einheit: Was genau bedeutet denn Einheit im Vergleich zum Einssein?
Bischof Oster: Einssein klingt nach Uniformität. Alle haben denselben Ausdruck, denselben Geist. Das glauben wir. Aber die Vielheit betont natürlich auch unterschiedliche Ausdrucksweisen, auch unterschiedliche Glaubensweisen und bisweilen auch, und das ist die Schwierigkeit, unterschiedliche Theologien und auch Lehren. Das macht uns die großen Schwierigkeiten. Alle pochen darauf, dass das, was sie glauben, was wir glauben, einen Wahrheitsanspruch hat. Und ein solcher Wahrheitsanspruch hat immer auch die negative Folge, dass, was wir glauben, nicht automatisch mit allen anderen Positionen vereinbar ist. Das sind unsere großen Herausforderungen in der Ökumene.
Deswegen glauben wir, dass wir so viel Einheit wie möglich schaffen sollten, vor allem in Bezug auf Christus, in Bezug auf die Suche nach dem Heiligen Geist, in Bezug auf Formen gemeinsamen Betens und gemeinsamen Handelns hoffentlich auch nach außen, in die Welt hinein. Aber wir haben schon noch einen Weg zu gehen, bis wir in dem übereinstimmen, was jetzt zum Beispiel bei uns Katholiken das Innerste ist, nämlich das eucharistische Geheimnis oder auch die Frage nach den Sakramenten insgesamt.
Jetzt ist „United Praise“ eine Kooperation zwischen katholischer Kirche, Evangelischer Allianz in Deutschland und Willow-Creek Deutschland/Schweiz. Wie kann denn speziell da Einheit mit anderen über konfessionelle Grenzen hinweg gelingen?
Bischof Oster: Das Treffen ist entstanden, weil mehrere Menschen gesagt haben: Wenn wir missionarisch unterwegs sein wollen, also explizit Menschen helfen wollen, in die Freundschaft mit dem Herrn zu finden, dann brauchen wir vielleicht auch einander. Und gerade innerhalb des evangelischen Spektrums und des freikirchlichen Spektrums wächst das Bewusstsein, dass dafür die katholische Kirche ein wichtiger Partner ist. Und so habe ich mich mit den Leitern aus diesen Gruppierungen, die Sie genannt haben, vor einigen Jahren zum ersten Mal getroffen. Wir haben miteinander überlegt, wie wir Einheit als missionarische Kirchen leben können, erleben können, und daraus sind diese Treffen in Passau entstanden, die wir jetzt schon zum vierten Mal machen. Leiter und Leiterinnen aus verschiedensten Denominationen, Landeskirchen, aus der Evangelischen Allianz, Pfingstkirchen, auch aus Medien, die ein missionarisches Anliegen haben, und katholische Christen sind dabei.
Wir wollen miteinander versuchen, zu verstehen, wie wir missionarisch miteinander unterwegs sein können. Letztes Jahr sind wir zum ersten Mal mit einem Gebetsabend nach außen gegangen. Er heißt „United Praise“, weil wir, und das können wir in jedem Fall gemeinsam machen, Gott um Gottes Willen loben und preisen und ihn dabei auch zugleich um mehr Einheit bitten wollen. Deswegen wird dieser Gebetsabend „United Praise“ auch von verschiedenen christlichen Gruppierungen vor Ort in Passau mitgestaltet und mitgetragen.
Gemeinsam missionarisch unterwegs sein. Was genau macht denn da jetzt den Lobpreis zu einer Gebetsform oder einer Form des Gottesdienstes, die Einheit schaffen kann?
Bischof Oster: Da ist es zunächst interessant zu fragen, was ist überhaupt Lobpreis? Da gibt es zum Beispiel verschiedenste Psalmen, die Lobpreis, Gebet sind. Einmal sagt der Psalmist: Auch du thronst über dem Lobpreis Israels. Lobpreis ist Lob Gottes in gesungener Form, verbunden mit dem Hintergrund, dass wir eigentlich auf dem Herzen haben, dass unser ganzes Leben Lob Gottes, Lobpreis Gottes ist. Die Mutter Gottes ist im Neuen Testament mit dem Magnificat so etwas wie die erste Lobpreiserin. Insofern ist Lobpreis etwas, das uns alle eint, auch weil er biblisch verankert ist. Wir sagen Gott und wir singen Gott, wer für uns ist, wer er überhaupt ist, was wir auf dem Herzen haben und wie wir darin geeint sind. Deswegen ist Lobpreis eine der einfachsten Formen, wie wir Einheit verwirklichen und leben können.
Und das Gegenteil von Einheit, die Zerrissenheit, die beginnt ja oft im eigenen Herzen, in dem kein Platz für den anderen ist. Das Herz als Ort, in dem auch unsere Kriege toben. Einheit beginnt also dort, wo ich mein tobendes Herz von Gott berühren lasse. Inwiefern ist die Haltung des Herzens entscheidend, wenn es um das Thema Einheit geht? Und welche Rolle spielt dabei auch das eigene Ego?
Bischof Oster: Das sind sehr zentrale Frage, die Sie da stellen. Im Grunde geht es im ganzen christlichen Leben um das Herz als den eigentlichen Ort, in dem Gott Wohnung nehmen will, zugleich um den Kampfplatz, der in uns auch Abwehrhaltungen gegen Gott, aber auch gegen den anderen erzeugt. Für mich ist ein sehr entscheidendes Wort die Hermeneutik des Wohlwollens. Wir Christen neigen nicht selten dazu, im theologischen Gegner auch innerhalb der eigenen Konfession den schlimmsten Feind zu sehen, der vermeintlich Konservative oder der vermeintlich Liberale, der anders denkt als ich, ist der Kirchenzerstörer. Aber zunächst einmal zu glauben oder zu meinen, der andere will wirklich etwas Gutes für die Kirche und für den Glauben und für die Menschen, auch wenn er anders tickt als ich, das ist, glaube ich, eine wichtige Haltung.
Die darf nicht die Wahrheitsfrage ausklammern; die darf nicht sagen, okay, wir machen eine Art Wischiwaschi-Ökumene, Gott hat uns doch sowieso alle gleich lieb usw. Stimmt ja auch, aber das darf die Wahrheitsfrage nicht einfach eliminieren. Ich glaube aber, die Wahrheitsfrage kann man je tiefer stellen, je mehr einer liebt. Wahrheit, wenn wir sie leben lernen oder versuchen zu leben, sieht im anderen zuerst das Geschöpf Gottes und versucht, den anderen von dort her zu verstehen, dass auch er ein von Gott geliebtes und gemeintes Geschöpf ist, das auch seinen Wahrheitsanspruch hat. Wenn wir uns dann in der Liebe begegnen, glaube ich, kommen wir in der Suche nach der Wahrheit auch weiter.
Dem anderen, der nicht so ist wie ich, in Freiheit und Liebe zu begegnen und über diese Verschiedenheit hinweg Gott im anderen zu erkennen, schafft also Einheit. Die Deutsche Bischofskonferenz hat das „versöhnte Verschiedenheit“ genannt. Das klingt zunächst einmal nach einer einfachen Formel, die so einfach dann vielleicht doch gar nicht ist, gerade wenn es um einen gewissen Wahrheitsanspruch geht. Was halten Sie denn von dieser Formel der versöhnten Verschiedenheit?
Bischof Oster: Zunächst einmal ist das eine Formulierung, die weit gefasst ist. Sie beschreibt etwas, das ist und sein kann, nämlich, dass wir versöhnt sind. Wir haben konfessionelle Kriege, Gott sei Dank, hinter uns und sind miteinander, mit vielen Denominationen im intensiven Gespräch, anerkennen die Verschiedenheit. Deswegen kann unter diesen Begriff viel fallen. Worum wir ringen, und was überhaupt nicht so klar ist, ist die Frage: Auf welche Gestalt von Einheit wollen wir denn zugehen? Da kommt wieder dieser Wahrheitsanspruch hinein. Rom, der Vatikan hat ein Dokument herausgegeben, in dem es darum geht, wie wir das Papstamt neu verstehen können, wo deutlich gesagt wird, dass der Papst auch Garant der Einheit ist, und das ist er für uns alle, die wir innerhalb des katholischen Universums leben, in jedem Fall.
Wir sind froh, dass es das Lehramt gibt, dass es die Figur des Papstes in der Petrusnachfolge gibt, der Papst, der uns eint, übrigens auch innerhalb des Katholizismus auf verschiedene Weise eint. Aber natürlich weiß der Papst selber auch, dass er, und das hat schon Johannes Paul II. gesagt, ein großes Hindernis für die Ökumene ist, ein Stein des Anstoßes. Jetzt kann man die Frage stellen, wie kann man dieses Amt so interpretieren, dass es trotzdem ein einheitsstiftendes Amt sein kann, ohne dass dieses Amt für alle die volle Jurisdiktion hat, die es bei uns [Katholiken] hat usw. Das sind Interpretationsfragen, wo wir miteinander verstehen müssen, welches die Gestalt der Einheit ist, auf die wir zugehen. „Versöhnte Verschiedenheit“ ist ein sehr weit gefasster Begriff, der aber noch nicht die Zielgestalt in sich enthält.
Aber es ist ja doch positiv zu sehen, dass es da verschiedene Aufbrüche gibt in Richtung hin zu mehr Einheit, auch überkonfessionell, ökumenisch, über die einzelnen Denominationen hinweg. Ein solcher Versuch ist auch der „United Praise“-Lobpreisabend, der am 11. Juli stattfindet. Was wünschen Sie sich denn für diesen Lobpreisabend?
Bischof Oster: Ich wünsche mir, dass wir miteinander in die Freude finden, dass unser gemeinsamer Glaube, den wir teilen, der Glaube an Christus als den Erlöser aller Menschen, dass der Glaube miteinander zum Ausdruck kommt; dass wir erkennen, dass der Bruder, die Schwester aus der anderen Kirche oder kirchlichen Gemeinschaft, dass das wirklich ein Bruder oder eine Schwester ist. Ich hoffe auch, dass wir an diesem Gebetsabend vom Geist Gottes berührt werden, und ich wünsche mir, dass dadurch der Segen auf die Stadt Passau, aber auch auf die Bemühungen um die Einheit, die wir mit diesem Treffen und diesem Abend verbinden, kommt.