Viele Konzelebranten, ein Diakon, Ministrantinnen und Ministranten und Vertreter der Pfarrei Taubenbach beim Priesterjubiläum: Vor 25 Jahren wurde Generalvikar Dr. Klaus Metzl zum Priester geweiht. Bild: R. Kickinger

Kann ein Generalvikar zugleich Seelsorger sein?

Kann ein Generalvikar zugleich Seelsorger sein? Die Predigt von Bischof Stefan Oster anlässlich des 25. Priesterjubiläums vom Generalvikar des Bistums Passau, Dr. Klaus Metzl, im Juni 2018.

Lieber Herr Generalvikar, lieber Bischof Wilhelm, liebe Mitbrüder im geistlichen Dienst, liebe Mutter von Dr. Metzl, liebe Verwandte, Freunde, Weggefährten, liebe Gläubige alle,
für einen Bischof sind Priesterjubiläen so eine Sache: Immer wieder werde ich auch persönlich dazu eingeladen und freue mich natürlich auch darüber. Aber im Grunde sage ich immer ab, weil eine Zusage auch nur zu einem einzigen sofort die Frage entstehen lässt: Warum geht er zu dem und zum anderen nicht?

Was ist ein Generalvikar?

Nun bin ich heute aber dennoch hier, um mit Ihnen, Herr Generalvikar, diese Hl. Messe zu Ihrem Priesterjubiläum zu feiern. Das hat natürlich einen besonderen Grund.

Als ich vor vier Jahren zum Bischof von Passau ernannt worden bin, war ich als einfacher Ordensmann in einer fremden Diözese ohne jede Verwaltungserfahrung mit einem großen Ordinariat und allem, was dazu gehört, ziemlich herausgefordert, um nicht zu sagen überfordert. Und eine der ersten Lektionen, die ich dabei von Ihnen persönlich gelernt habe, lautete: Der Generalvikar ist nicht zuerst der Generalvikar eines Bistums sondern er ist zuerst der Generalvikar des Bischofs.

Der Generalvikar ist der Stellvertreter des Bischofs

Er ist der, der im Auftrag des Bischofs und als sein Stellvertreter die Leitung des Ordinariats innehat. Und ich darf ehrlich sagen, dass ich Sie in diesem Dienst stets als tief loyalen, aufrichtigen und hoch kompetenten Mitbruder kennen gelernt habe; als einen Mann, der mir vor allem in diesen ersten Jahren meines Dienstes eine riesige Hilfe war und immer noch ist. Sie haben mir in sehr vielen Belangen, Aufgaben, Gremien und anderem mehr hineingeholfen in diesen Weg. Und das allein war natürlich schon richtig viel, zumal ich nie erlebt habe, dass Sie meine Unerfahrenheit in diesen Dingen zugunsten Ihrer eigenen großen Erfahrung irgendwann ausgenutzt hätten.

Im Gegenteil: Ich habe immer auch erlebt, dass Sie mich stets gut informiert und alles Wesentliche mit mir besprochen oder auch zur Entscheidung vorgelegt haben. Aber darüber hinaus sind Sie dann auch sehr bald ganz auf das Anliegen mit eingegangen, das mir selbst vor allem anderen am Herzen liegt. Und sie haben dann einerseits mitgeholfen, nach und nach auch die Verwaltung und unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit auf diesen Weg hinzuführen. Und zugleich haben Sie mir den Rücken freigehalten, sodass ich wirklich auch mit diesem Anliegen weitergehen und darauf den Fokus legen konnte und kann.

Das Manna und das Brot des Lebens

Was ist dieses Anliegen? Nun es kommt in dem Evangelium wunderbar zum Ausdruck, das  wir gehört haben – und das Sie damals auch vor 25 Jahren zur Primizfeier ausgewählt haben. Es ist ein längerer Text aus dem Johannes-Evangelium. Die so genannte Brotrede. Jesus erläutert seinen Jüngern und offenbar auch einer großen Menschenmenge, die dazu gekommen ist, dass es eine Art von Brot gibt, die viel mehr ist als das Manna.

Wir erinnern uns: Das Manna hatte Gott dem Volk Israel auf dem Weg durch die Wüste geschenkt – und das Volk so vor dem Verhungern bewahrt. Aber jetzt, sagt Jesus, jetzt gibt es ein Brot des Lebens, ein Brot, das auch vom Himmel gekommen ist, aber ein Brot, das ewiges Leben schenkt, mehr noch: ein Brot, das er selbst ist, sein Leib, seine Hingabe.

Welches Brot suchen wir: das für den Bauch oder das für die Seele?

Aber, liebe Schwestern und Brüder, diese längere Rede beginnt zunächst mit einer Klärung durch Jesus: Da kommen die vielen Leute, sie haben ihn gesucht und er sagt: Ihr sucht mich nicht, weil ihr Zeichen gesehen habt, sondern weil ihr von den Broten gegessen habt und satt geworden seid. Die Zeichen im Johannes-Evangelium haben immer einen Verweischarakter.

Sie sind zwar erstaunliche, mächtige Taten, aber sie verweisen auf den, der sie tut – der hinter allem steht, der in diese Welt gekommen ist, sie verweisen auf seine Größe und Herrlichkeit. Und diese Menschen haben offenbar wirklich etwas erfahren.

Quelle von Leben

Ein großes Zeichen: am Tag zuvor hatte Jesus nämlich rund fünftausend Menschen mit nur fünf Stückchen Brot und zwei Fischen satt gemacht. Mit einem Wunder also. Und er sagt nun leicht vorwurfsvoll: Ihr bleibt am Äußeren hängen, am eigenen leiblichen Hunger. Aber da werdet Ihr wieder und wieder hungrig – und müsst immer wieder nach Nahrung suchen.

Aber wer wirklich durch das mächtige Zeichen hindurch zu mir ziehen lässt, wer mich als Person wahrnimmt, erkennt, wer sich von mir berühren lässt, der wird ankommen, der ist im Leben, der ist daheim. Der kennt eine Quelle von Leben, die innerlich satt und zufrieden macht, die nach Wahrheit schmeckt und Liebe, die unglaublich reich ist und tief ist, die genau deshalb immer noch mehr die Sehnsucht nach weckt – auch dann noch, wenn sie in aller Armut und Niedrigkeit erscheint.

Äußere Tradition und Ankommen bei IHM

Liebe Schwestern und Brüder, es geht in der Mitte unseres Glaubens zuerst und vor allem um Ihn, um Jesus. Und die Kirche sagt uns auch seit zweitausend Jahren: Bleibt nicht einfach nur äußerlich. Bleiben wir nicht nur bei den Traditionen stehen, die wir so gerne pflegen oder bei unseren schönen Kirchenbauten oder bei allem, was unseren Glauben auch kulturell so reich macht. Die Kirche lebt und lehrt seit Jesus als Mensch unter uns gelebt hat: Er ist da – und er bleibt da – und er will uns heimführen.

Aber eben das ist kein Selbstläufer, kein Automatismus. Jesus sehnt sich auch nach unserer Nähe, nach unserer Liebe, nach unserer Antwort. Und ich weiß nicht, ob Sie das schon einmal erlebt haben. Ich kenne jedenfalls Menschen, die wirklich bei Ihm angekommen sind, die leben aus der Verbundenheit mit Ihm und die deshalb in einer inneren Freiheit und in einem Frieden leben, dass man spürt: das kommt nicht allein aus ihnen. Die gründen innerlich woanders, die sind auf eine geheimnisvolle Weise schon daheim.

Diese Frage stellen wir selten: Ob es wohl Ihm gefällt bei uns?

Wir feiern gleich dieses Geheimnis – und wir wünschen dann einander den Frieden, der eigentlich aus diesem Grund kommt. Ein Frieden, der von Jesus kommt, der da ist im Zeichen, im Zeichen des Brotes des Lebens. Und wir können uns nun fragen: Bleiben auch wir selbst am Äußeren hängen, schauen wir auf das Äußere auch in diesem Gottesdienst: Wer ist alles da? Wer fehlt eigentlich? Was spielt der Chor? Wie gefällt mir die Musik? Was hat die Frau Soundso wieder Seltsames an? Warum bringt der Herr Soundso immer seine Kinder mit und hält sie dann nicht ruhig? Hoffentlich gibt’s gleich was Gescheites zum Essen. Hoffentlich predigt der Bischof nicht zu lange… und, und, und…

Manche solche Fragen haben mehr Berechtigung, manche weniger. Aber fast nie wird die eigentliche Frage gestellt: Sind wir so innerlich offen beim Herrn, offen für seine Gegenwart, dass er anfangen kann, in uns zu wirken, in uns den Frieden zu wirken und die Wandlung? Freuen wir uns daran, dass wir seine Kinder sind, dass wir hier zu seiner Ehre da sind? Hoffen wir, dass er gerne in uns und unter uns sein kann? Und bevor wir fragen: Hat es mir gefallen – haben wir eigentlich schon einmal gefragt: Ob es wohl Ihm gefallen hat?

Das einzige Kriterium für Sein Gefallen an uns

Und was wäre das Kriterium, Schwestern und Brüder, ob es Jesus gefällt? Ehrlich gesagt: Ich wüsste nur eins. Und das ist mit dem Aufruf des Priesters angesprochen, wenn er sagt: „Erhebet die Herzen“ und wir antworten: „Wir haben sie beim Herrn“. Ganz ehrlich: Das Kriterium, ob der Herr heute gerne bei uns ist, hängt im Grunde an der Ehrlichkeit, mit der wir diesen Satz sagen: Wir haben unsere Herzen beim Herrn.

Und wir alle, liebe Schwestern und Brüder, wir alle, die wir hier sind – und denen etwas an Glaube und Kirche liegt, wir alle hoffen, dass wir einen Trend in unserem Land stoppen können. Den Trend des Glaubensverlustes, den Trend, dass immer weniger Menschen mit dieser Feier etwas anfangen können, dem Trend, dass im Grunde kaum noch junge Menschen freiwillig hierher kommen, sondern nur, wenn sie irgendeinen verpflichtenden Grund haben. Wir alle machen uns Sorgen darum – und ganz ehrlich gesagt: Das erste, was wir alle tun können ist: Fragen wir uns ehrlich, mit welcher Aufrichtigkeit wir die Antwort geben: Wir haben unser Herz beim Herrn. Haben wir unser Herz beim Herrn, bei Jesus?

Ite missa est – wir alle sind Gesandte

Und wenn wir nun merken, dass wir diese Antwort meist nur automatisch geben, ohne zu denken, dann zeigt sich genau daran, was wir nötig haben, wir selbst, ich und Sie, jeder und jede einzelne und alle gemeinsam. Denn anders gefragt: Stellen Sie sich einen Fremden vor, der zum ersten Mal hierherkommt, und er hört unsere Antwort: Wir haben unser Herz beim Herrn. Dann müsste er doch denken: Die kennen den, bei dem sie ihr Herz haben. Denn wovon das Herz voll ist, davon geht der Mund über, sagen wir.

Kennen wir ihn? Lesen wir sein Wort, vertrauen wir im innersten Herzen, dass er da ist und mit uns geht? Sprechen wir von ihm, weil wir unser Herz bei Ihm haben? Und glauben wir auch, dass Er selbst uns hinausruft zum anderen Menschen, besonders zu denen in Not? Hier würde unser Weg zur Erneuerung der Kirche angezeigt, liebe Schwestern, liebe Brüder, den Herrn suchen, Ihn lieben lernen – und lernen, Ihn in der Welt zu bezeugen.

Und meinen Sie jetzt bitte nicht, dass ist vor allem die Aufgabe der Pfarrer, der Bischöfe, der Generalvikare und der berufsmäßigen Christen. Es ist, ehrlich gesagt, die Aufgabe von uns allen. Wenn wir hier hinausgehen, ist Sendung. Ite, missa es, hieß es früher am Ende der Messe. Geht. Ihr seid gesandt.

Primizspruch Generalvikar: „Du hast Worte ewigen Lebens“

Lieber Herr Generalvikar, vor 25 Jahren waren Sie offenbar bei Ihrer Primiz von einem Satz berührt, den Petrus im Evangelium dem Herrn als Antwort gegeben hat, nach seiner Brotrede, nachdem Jesus gesagt hatte, er selbst sei das Brot des Lebens. Manche haben gemurrt, manche haben gar nichts verstanden oder nichts verstehen wollen. Manche haben gesagt, das ist unerträglich und sind einfach gegangen.

Und Jesus sagt zu seinen engsten Begleitern: „Wollt auch Ihr gehen?“ Und die Antwort ist Ihr Primizspruch, der auch heute die Einladung zu diesem Fest ziert: „Herr, sagt Petrus, zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens!“ Liebe Schwestern, liebe Brüder: Darin liegt so viel. Darin liegt auch, dass Petrus sagt: „Herr, ich versteh längst noch nicht alles von Dir. Aber das, was ich verstanden habe, ist schon so viel, so groß, so wunderbar, dass es nur aus dem Ewigen Leben kommen kann, vom Vater.“ Danke, lieber Herr Generalvikar, dass Sie uns mit Ihrem Primizwort heute Gelegenheit gegeben haben, daran erinnert zu werden. Er hat Worte ewigen Lebens. Er als einziger.

Herr Generalvikar, ein Glaubenskurs im Ordinariat?

Und danke Ihnen auch dafür, dass ich besonders in der letzten Zeit eine wachsende Sehnsucht in Ihnen merken durfte, auch genau diese Suche nach dem Herrn und das Zeugnis für den Herrn wieder in die Mitte Ihres Dienstes zu stellen. Sicher war es das früher auch schon, aber in der letzten Zeit wieder ausdrücklicher, leidenschaftlicher. Sie sind Seelsorger und wollen es sein, Sie sind Priester und wollen es sein, auch im täglichen Betrieb der Verwaltung des Generalvikariats.

Ich glaube, wir sind die einzige Diözese Deutschlands, in der der Generalvikar die eigenen Mitarbeiter zu einem Glaubenskurs eingeladen hat. Und nicht wenige kommen – und zwar nicht weil sie müssen, nicht weil sie fürchten, vom Generalvikar einen Rüffel zu bekommen, wenn sie nicht kommen, sondern einfach so, aus Interesse. Weil sie ahnen, sie könnten doch wieder etwas finden von dem Schatz im Acker, von den Worten des Ewigen Lebens, von dem, der alleine in der Lage ist, wirklich unsere Seele zu stillen – und der es wert ist, dass wir unser ganzes Herz bei Ihm haben und Ihm zur Verfügung stellen.

Ein Dienst, der nicht immer vergnügungssteuerpflichtig ist

Danke, noch einmal, lieber Herr Generalvikar, für Ihren treuen, loyalen, kompetenten Dienst als mein Generalstellvertreter, so heißt das Wort übersetzt, als Leiter unseres Ordinariates. Und dieser Dienst ist – wie wir alle ahnen – auch nicht immer vergnügungssteuerpflichtig. Deshalb wünsche ich Ihnen weiterhin viel Segen, viel Schaffenskraft, viel Gelassenheit, viel Freude am Herrn. Auf dass Sie und wir alle, unser Herz immer mehr bei Ihm haben mögen. Amen.


Bild: Viele Konzelebranten, ein Diakon, Ministrantinnen und Ministranten und Vertreter der Pfarrei Taubenbach beim Priesterjubiläum: Vor 25 Jahren wurde Generalvikar Dr. Klaus Metzl zum Priester geweiht. (Bild: R. Kickinger)