Bild: Buchillustration zur Klugheit in Orbis sensualium pictus von  Johann Amos Comenius

Die Klugheit der Welt und des Lichtes

Klugheit ist etwas anderes als Weisheit. Was die „Kinder des Lichtes“ hier von den „Kindern der Welt“ lernen können. Die Predigt von Bischof Stefan Oster zur Vollversammlung des Diözesanrates in Spectrum Kirche 2014.

Liebe Mitglieder des Diözesanrates, liebe Schwestern und Brüder im Glauben,
ist es nicht interessant, dass uns die Kirche für den heutigen Tag, an dem sich der Diözesanrat der Katholiken in unserer Diözese zu einer Vollversammlung trifft, genau dieses Evangelium aufgibt? Ein Evangelium, in dem unser Herr Jesus uns mit einem sehr eigenartigen Beispiel die Klugheit der Kinder der Welt vor Augen führt und diese lobt, weil sie eben klüger seien als die Kinder des Lichtes im Umgang mit ihresgleichen?

Diese Erzählung steht sehr sperrig im Evangelium, sie passt im Grunde gar nicht in ein moralisches Schema, in dem gerechtes Verhalten gelobt und schlechtes Verhalten getadelt wird. Die Bibelausleger haben sich im Grunde immer auch schwer getan mit diesem Text. Denn der Verwalter, von dem Jesus erzählt, ist ein Betrüger. Er steht vor der Entlassung und nutzt die ihm von seinem Herrn anvertrauten Mittel, um damit sich selbst und nicht seinem Herrn zu dienen. Er betrügt und hintergeht ihn, um sich einen Vorteil zu sichern. Der Vorteil besteht darin, dass er im Fall seiner Entlassung hoffentlich bei den anderen aufgenommen wird.

Die Klugheit der Kinder der Welt

Und nun lobt der Herr diesen ungerechten Verwalter als Kind der Welt, der im Umgang mit seinesgleichen klug ist – und zwar klüger als die Kinder des Lichtes. Liebe Schwestern und Brüder, Klugheit ist in der Tradition des philosophischen Denkens etwas anderes als Weisheit. Klugheit ist versiert im Umgang mit Wirklichkeit in einem praktisch-pragmatischen Sinn, im Sinne einer Nützlichkeitsrechnung. Welches Handeln ist klug, um mein Ziel zu erreichen. Wobei damit noch gar nicht gesagt, ob das Ziel selbst gut ist!

Also: Wenn der Verwalter versucht seine Haut zu retten, setzt er alles auf seine Karte. Er riskiert den baldigen Rauswurf und greift zu sehr nützlichen, aber betrügerischen Mitteln. Er verschafft sich Vorteile durch Geldbetrug. Nun gibt es im Folgetext zwei Linien einer Art Lehre aus diesem Text, was darauf hindeutet, dass der Text auch überarbeitet worden ist, eben weil er auch Schwierigkeiten aufgegeben hat und nicht sofort einleuchtet. Die eine Linie ist bereits angeklungen.

Lob für die Klugheit

Das Evangelium sagt: Der Herr lobt den Verwalter für seine Klugheit und sagt, wir als Kinder des Lichtes könnten von diesem Vorgehen lernen, von einem Vorgehen der Kinder der Welt. Was wäre das? Nun, ein möglicher Vergleichspunkt wäre der, der Mann muss nun bei denen, die ihm in Zukunft wirklich wichtig werden, punkten, er muss sich Vorteile verschaffen und riskiert dadurch viel. Er setzt quasi alles auf eine Karte, wenngleich er natürlich eh damit rechnet, dass er bei seinem Gutsherrn hinausfliegt.

Aber er ist schöpferisch, er tut etwas, was ihm bei den Menschen Vorteile und Ansehen einbringt. Aber er tut es eben als Kind der Welt. Und in der Welt, so wie sie hier als Gegensatz des Lichtes gemeint ist, da herrscht nicht Gerechtigkeit, nicht Liebe, sondern nackte Kosten-Nutzen-Rechnung, wenn´s sein muss auch mit unlauteren Mitteln.

Was die Kinder des Lichtes lernen können

Für die Kinder des Lichtes, also für uns, die wir nicht auf den Gedanken kommen, zu betrügen, wäre aus meiner Sicht das der Vergleichspunkt des Gleichnisses: Wir werden es aufs Ganze in unserem Leben mit Gott zu tun haben, wir sind aber zugleich allzu oft verstrickt in diese Welt, so dass wir Augen, Ohren und Herz nicht bei Gott, sondern bei den Regeln und Mechanismen der Welt haben.

Wir können also fragen: Rät uns der Herr nicht mit dem Gleichnis, immer wieder mal mutiger zu sein, kreativer im Blick auf Gott. Rät er uns nicht immer wieder, einen Schatz im Himmel zu sammeln, also zum Beispiel die Liebe zu üben, auch wenn sie uns Opfer kostet oder wenn sie uns keiner lohnt, einfach weil wir wirklich ehrlich Gott dienen wollen. Und rät er uns nicht, riskanter zu sein im Blick auf unser Verhältnis zu ihm und daher immer mal wieder auszubrechen aus der bloßen Logik der Welt, um uns klarer und tiefer an Ihn selbst zu binden und aus dieser Bindung unser Handeln bestimmen zu lassen?

Kräfte bündeln

Liebe Schwestern und Brüder, ich bin froh und dankbar, einige von Ihnen in den letzten Wochen und Monaten bereits kennen gelernt zu haben – als engagierte Frauen und Männer, die sich aus ihrem Glauben heraus überzeugend engagieren. Und ich bin Herrn Baier sehr dankbar, dass er in einer Runde einmal diese Idee „Runder Tisch“ in Sachen Flüchtlinge und Asylbewerber eingebracht hat. Ich hab das gerne aufgegriffen und dann auch den Auftrag dazu erteilt. Ist das nicht vielleicht auch so ein Schritt im Sinn des Evangeliums, miteinander zu fragen: Herr, wie können wir hier helfen, wie können wir hier Kräfte bündeln, ohne zuerst mal zu fragen, was kostet mich das, oder was hab ich selbst davon, wie es die Logik der Welt wäre?

Ich bin jedenfalls sehr froh, dass wir hier zunächst mal Sachverstand, Erfahrungen, Kompetenzen und Charismen beieinander haben, um als Kirche von Passau einen effektiven Beitrag zur Hebung der Not leisten zu können. Wir müssen uns natürlich auch klar sein: Unser Beitrag als Kirche wird nie alle Not beheben können, wir werden auch nicht flächendeckend oder vollumfänglich die Dinge organisierend können. Aber wir können exemplarisch als Frauen und Männer des Glaubens ein Zeichen geben, dass wir zu einer Kirche gehören, die keine Grenzen hat, weder innerhalb dieser Welt noch in Richtung Himmel. Dafür danke ich Ihnen.

Macht euch Freunde

Eine zweite Interpretationsrichtung des Evangeliums vom ungerechten Verwalter lässt sich hier noch anschließen. In den folgenden Zeilen des Evangeliums mahnt Jesus: Macht Euch Freunde mit Hilfe des ungerechten Mammons, damit ihr in die ewigen Wohnungen aufgenommen werdet. Das geht in die Richtung dessen, was ich gesagt hatte.

Jesus mahnt uns, mit unserem Besitz nicht einfach im Sinne einer Logik der bloßen Weltlichkeit umzugehen, die Besitz deshalb anhäuft, damit er mehr wird, sondern die immer wieder wagemutig im Sinn des Evangeliums auch loslassen und Verzicht üben kann zugunsten Bedürftiger und zugunsten eines sichtbaren Zeichens für den Herrn.

Versuchungen der Logik

So mag ich uns alle, einladen, liebe Schwestern und Brüder, erinnern wir uns gemeinsam daran, für wen wir unterwegs sind – und lassen wir uns nicht so leicht gefangenen nehmen von den Versuchungen der Logik der Welt und ihres Betriebs. Der gehören wir auch an – und nicht jede Logik darin ist freilich schlecht oder negativ.

Aber wir haben als Christinnen und Christen den Auftrag, unseren Dienst in der Welt durchsichtig werden zu lassen auf Christus hin, wir haben den Auftrag, auch für unsere Mitmenschen den Himmel offen zu halten. Wir haben den Auftrag, die Freude, die uns durch die Nähe Jesu geschenkt ist, hinauszutragen, vor allem auch zu den wenig Privilegierten und zu denen, die ihn noch nicht kennen.

Klugheit auf dem gemeinsamen Weg

Und lassen wir auch nicht zu, dass wir uns spalten lassen, in Parteiungen. Das ist nicht der Geist des Herrn. Es darf und kann und soll natürlich Diskussion geben, aber wenn wir uns in Lager einordnen von links oder rechts, oder von Amtskirche und Laienkirche, und wenn uns dabei der Blick für die eine, die eine heilige Kirche verloren geht, dann haben wir auch Entscheidendes verloren. Wir sind alle miteinander auf dem Weg. Papst Franziskus hat darauf zu Recht hingewiesen, dass die Laien in der Kirche bei weitem die Mehrheit sind.

Und ich sage es auch sehr offen: Wenn mein Dienst und der der Mitbrüder im Priester- und Diakonenamt nicht vor allem auch dem dient, dass Männer und Frauen in der Kirche sich immer tiefer ihrer jeweils eigenen christlichen Berufung bewusst werden, dann tun wir einen schlechten Dienst. Diese Berufung heißt: Teilhabe am priesterlichen, königlichen, prophetischen Amt Christi. Wir alle zusammen, sagt die Schrift, sind ein heiliges, ein priesterliches Volk. Und wir geben der Welt das beste Zeugnis, wenn wir aus der einen Verbundenheit mit unserem Herrn geeint handeln und Zeugnis geben. Das wünsche ich uns allen von Herzen und erbitte für Sie und Ihre wertvolle Arbeit in unserer Gesellschaft voll Dankbarkeit Gottes Segen. Amen.