Foto: Konrad Lackerbeck

Die Einheit von Mann und Frau

Mann und Frau als Zelle der Familie: Die Predigt von Bischof Stefan Oster zum Abschluss der Sanierungsarbeiten der Pfarrkirche St. Martinus in Neukirchen vorm Wald 2015.

Liebe Schwestern und Brüder im Glauben,
die Texte, die uns die Kirche heute in der Liturgie schenkt, kreisen um das Geheimnis von Mann und Frau als ursprüngliche Lebensgemeinschaft im Plan Gottes. Wir haben gehört, wie Gott den Menschen aus Ackerboden geformt hat, wie er ihn dann in den großen Garten seiner Schöpfung hinein setzt. Zunächst noch alleine.

Wir wissen am Anfang der Erzählung noch gar nicht, dass es da zwei, also Mann und Frau gibt. Und dieser eine Mensch heißt es, darf den Tieren Namen geben. Das ist etwas Geheimnisvolles. In der Bibel drückt der Name meistens etwas vom innersten Wesen eines Geschöpfes aus. Der Name ist gewissermaßen der ganze Gehalt des mit dem Namen bezeichneten Geschöpfes; mit seinem Namen wohnt das Geschöpf im Geist und im Herz dessen, der es nennt.

Mann und Frau – Adam und Eva

Der Name hat also zutiefst etwas mit dem Erkennen zu tun, mit der Herzenserkenntnis. Und der Mensch als derjenige, den Gott mit der Sorge um seine Schöpfung betraut, der darf den Tieren Namen geben, er erkennt sie. Er zieht sie an sich, er darf sich sorgen und pflegen.

Aber, heißt es nun, in all dem Erkennen findet der Mensch nicht seinesgleichen. Er findet niemand, der ist, wie er selbst, er braucht aber Kommunikation, Begegnung von Herz zu Herz. Er will selbst von seinesgleichen erkannt und beim Namen genannt werden.

Endlich Bein von meinem Bein!

Und so erzählt uns die Geschichte, wie Gott den Adam schlafen lässt, wie er seine Seite, seine Herzgegend öffnet, und aus dem, was er da entnimmt, einen zweiten Menschen formt, so dass beide aufeinander hin geordnet sind.

Und er führt sie einander zu. Adam ruft voller Freude und Überraschung aus: Endlich, Bein von meinem Bein, Fleisch von meinem Fleisch. Und er könnte hinzufügen: Endlich jemand, mit dem ich mich von Herz zu Herz austauschen und verstehen kann.

Urbeziehung als Mann und Frau

Diese Beziehung, meine Lieben, ist die Urbeziehung, als Mann und Frau bilden die Menschen auch das Geheimnis Gottes ab, der Kommunikation in Gott, der schöpferischen Fruchtbarkeit. Reich Gottes ist da, wo unsere Beziehungen heil sind und frei sind, wo sie der Beziehung ähnlich sind, die Gott uns schenken will, weil er selbst Liebe ist, weil er selbst Beziehung ist.

Sie alle wissen, meine Lieben, dass kaum ein Thema in der Gesellschaft und in der Kirche so sehr diskutiert wird, wie die Frage: Was ist eigentlich Familie? Und wir alle wissen, dass wir in einer Zeit leben, in der das ursprüngliche Modell von Familie brüchig geworden ist, wir wissen, dass Beziehungen zerbrechen, wir wissen, dass wir Menschen uns schwer tun, wirklich in der lebenslangen Treue zu leben und zu bleiben. Unsere Zeit, unsere Gesellschaft, unsere Arbeitswelt fordern uns heraus, sie belasten uns häufig. Sie schwächen unsere Beziehungskraft häufig und der schwindende Glaube tut das Seine dazu.

Die Familiensynode: Mann und Frau mit ihren Familien stärken

Die meisten von Ihnen wissen auch, liebe Schwestern und Brüder, dass ab heute in Rom die Bischofssynode tagt, zu der unser Papst aus der ganzen Welt eingeladen hat. Und der Papst tut es mit dem allerersten Anliegen: Wie stärken wir unsere Familien, wie stärken wir die ursprüngliche Zelle der Einheit von Mann und Frau, die für die Kirche und die Gesellschaft so wichtig sind.

Wie stärken wir diese Zelle, dass sie fruchtbar werden und stabil bleiben kann? Das ist das erste und wichtigste Anliegen. Und natürlich geht es darüber hinaus auch um die Aufmerksamkeit für die Menschen, bei denen das nicht automatisch gelungen ist, die Scheitern und Verwundungen erlebt haben. Auch sie sind unser besonderer Auftrag, und auch diese Fragen werden in Rom verhandelt.

Die Kirche selbst ist Familie

Aber warum sage ich das alles heute, bei Ihrem Kirchenjubiläum. Ich sage es, Schwestern und Brüder, weil wir als Kirche selbst Familie sind. Ich spreche Sie mit Schwestern und Brüder an und meine damit nicht einfach eine fromme Floskel.

Wir sind Schwestern und Brüder, weil auch wir sehr real gesprochen, einen Vater und eine Mutter haben. Der Vater im Himmel hat uns durch seinen Sohn neu geboren und von neuem zu seinen Kindern gemacht. Wir gehören zur Himmelsfamilie.

Mutter Maria

Und die Kirche ist unsere Mutter, vor allem in der Gestalt der Mutter Gottes ist sie unsere Mutter. Weil Maria das Urbild der Kirche ist. In ihr hat Gott Wohnung genommen, wie nie zuvor in einem Geschöpf. Und weil wir in Gott einen Vater und in Maria eine Mutter haben, deshalb glauben wir auch, dass Gott uns die Kraft gibt, unsere Beziehungen in neuer Qualität zu leben, erfüllt mit Glauben und mit Liebe und mit heiligem Geist.

Besondere Verantwortung hat der Pfarrer

Meine Lieben, das ist auch wieder nicht einfach nur fromm, es ist Wirklichkeit. Es ist die geistliche Wirklichkeit, in der wir alle stehen, weil wir getauft sind. Und es liegt an uns allen, einander zu helfen, von dieser Wirklichkeit mehr und mehr berührt zu werden. Besondere Verantwortung dafür hat der Pfarrer das wissen Sie.

Wir Priester und die Diakone und der Bischof: Wir heißen „Geistliche“, weil wir in besonderer Weise berufen sind, diese geistliche Wirklichkeit erfahrbar zu machen, weil wir berufen sind, selbst in ihr zu leben. Und weil wir wissen, dass unser Herr uns einmal danach fragen wird, wie sehr wir selbst seine Gegenwart, sein Leben, seine Wirklichkeit haben erfahrbar werden lassen in unserer Welt.

Ein Haus aus Stein

Und Ihre schöne neue Kirche, St. Martinus in Neukirchen vorm Wald, lieber Herr Pfarrer, liebe Schwestern und Brüder, diese Kirche ist zunächst ein wunderbares Haus aus Stein. Ihre Kostbarkeit, die durch die Renovierung neu zum Vorschein und zum Glänzen kommt, diese Kostbarkeit soll und darf darauf hinweisen, wie kostbar eine Kirche in einem Dorf ist.

Und es ist wunderbar, dass man an dieser Kirche so viel Engagement und Eigenleistung der Gläubigen sehen kann. Euch ist Eure Kirche noch etwas wert und dafür danke ich von Herzen. Sie ist etwas wert, weil sie aus Eurem gläubigen Bewusstsein lebt, dass Ihr eine Familie seid. Hier, mitten im Ort habt Ihr einen Mittelpunkt, der Euch immer neu erinnert, verinnerlichen lässt, dass Ihr eine Familie seid.

Wir gehören in Christus zusammen

Dass Ihr in Christus zusammen gehört. Dass Ihr berufen seid, einander zu kennen und zu erkennen, in einem tiefen Sinn. Und dass Ihr einander auch helfen sollt, dass die Familien zusammen bleiben und auch dass die Getrennten und Verwundeten ihr Scheitern nicht als Ausschluss erfahren. Ihr gehört zusammen, nicht zuerst weil Ihr vom selben Schlag seid, weil Ihr im selben Dorf wohnt: das alles gibt es in jedem Dorf der Welt auch.

Ihr gehört zusammen, weil Ihr zu Christus gehört und zu seiner Kirche. Und ich wünsche Euch von Herzen, dass Ihr das hier in Neukirchen, in Ruderting, im ganzen Dekanat und in unserem Bistum erfahren dürft.

Mann und Frau sein in Christus

Ihr habt eine Identität, ein Leben, ein Sein in Christus. Das sollen und dürfen die Menschen spüren: Euren Glauben und Euer Engagement für die Menschen. Und dazu gehören der Dank und das Engagement für die ganze Schöpfung als wunderbare Gabe, an die wir heute am Erntedankfest auch erinnern. All das feiern wir hier!

Und ich bitte den Herrn, möge dieses Fest und dieser wunderbare Kirchenraum dazu beitragen, dass diese gläubige, geistliche Identität in Euch immer tiefer erfahrbar wird. Unser Herr möge alle segnen, die hier dazu beitragen, dass der Glaube und unsere Kirche lebendig sind und als lebendig erfahren werden. Amen.