Liebe: Mehr als alles Glück dieser Welt? Die Predigt von Bischof Stefan Oster in der Maria-Hilf-Woche 2019 aus Anlass des Gottesdienstes am Tag für die Ehejubilare.
Liebe Schwestern und Brüder im Glauben, liebe Eheleute, liebe Jubilarinnen und Jubilare.
Vor einiger Zeit hat mir ein guter Bekannter vom Tod seines Vaters erzählt. Sein Vater sei ein einfacher Mann gewesen, ein Bauer, er hatte in seinem Leben manch schweren Schicksalsschlag zu verkraften, unter anderem den frühen Tod eines Kindes. Er war fleißig, hat sein Leben lang hart gearbeitet und er war zufrieden, ist zufrieden gestorben. Und der Bekannte fügte den Satz hinzu: „Weißt Du, meine Eltern waren gläubig, sie haben nicht alles Glück nur von dieser Welt erwartet.“
Alles Glück dieser Welt?
Ich hab mir gedacht, was für ein nüchterner Satz einerseits und was für ein schöner Satz andererseits. Denn ist es nicht so, dass gerade, wenn junge Menschen sich ineinander verlieben, wenn sie sich finden, wenn sie zusammen kommen und zusammen bleiben wollen, wenn die Gefühle überschwänglich sind – dass dann oftmals genau diese Erwartung da ist: Ich erwarte alles mir mögliche Glück von dieser Welt, von diesem Menschen, von dieser Beziehung?!
Ein Schweben auf Wolke sieben, das hoffentlich niemals endet. Und gaukelt nicht unsere Unterhaltungsindustrie in fast jedem Film uns vor, dass erst dieses Glück der verliebten Zweisamkeit das Ganze ist, das Optimum? Und leiden darunter nicht auch viele Menschen, die keinen Partner finden oder keine große Verliebtheit erleben dürfen? Dass ihnen das eigentliche Glück dieser Welt entgehen könnte?
Desillusionierung und Vertiefung
Sie alle, liebe Schwestern und Brüder, die Sie heute hier sind als Ehejubilare, Sie alle haben mit ihrem Partner, ihrer Partnerin schon einen längeren Weg hinter sich. Und Sie alle haben vermutlich gelernt, dass der Weg einer guten, gelingenden Ehe beides ist: Ein Weg der Desillusionierung einerseits, aber zugleich ein Weg der Vertiefung, der Wandlung, der Entscheidung für den anderen und damit auch ein Weg der verlässlichen Liebe andererseits.
Desillusioniert wird der Überschwang der Gefühle, der Wunsch, die Schmetterlinge im Bauch könnten ewig bleiben, die Aufregung, die Faszination des Anderen, die Freude, das Herzklopfen, wenn wir uns sehen und ansehen. All das wird desillusioniert. Aber vertieft wird die Einsicht: Ich selbst und der andere Mensch haben Gaben und wunderbare Eigenschaften – und Ecken und Kanten und Fehler. Wir sind füreinander da und miteinander unterwegs, damit wir in unserer gegenseitigen Hilfe reifere Menschen werden, Menschen, die in der Lage sind, Verantwortung zu übernehmen, für sich selbst, für die Kinder, die Familie, für andere, für die Aufgaben, die uns das Leben stellt.
Ein reifer Mensch sein bedeutet unter anderem ein verantwortungsbewusster Mensch sein, ein treuer Mensch sein, ein wahrhaftiger Mensch sein, der ehrlich zu sich und zu anderen ist und es bedeutet ein liebesfähiger Mensch sein. Wir haben das nicht von Anfang an – wenn wir Glück haben, haben wir am Anfang große Gefühle, aber auch die sind vor allem dazu da, dass sie uns hinein helfen auf dem Weg der Reifung.
Der Monaco Franze
Vielleicht erinnern sich noch einige von Ihnen an den Monaco Franze, eine sehr lustige Fernsehserie über ein Münchner Original, gespielt von Helmut Fischer. Der Monaco Franze war der ewige Stenz, ewig hinter den jungen Frauen her – immer auf der Jagd nach dem nächsten Abenteuer. „A bissl was geht immer“ – hat er zu seinem Kumpel, dem Kopfeck Mane gesagt. Monaco Franze war Kult damals.
Aber im Grunde hat uns diese Figur auch deutlich gezeigt, wie man Leben verfehlen kann, wie man sich weigern kann, erwachsen zu werden, wie man dem vermeintlichen Glück nachjagen und dabei immer oberflächlicher werden kann. Und wie die Jagd nach dem vordergründigen Glück hintergründig ins Unglück führt – bei den eigenen, wichtigen Beziehungen, den Freunden, dem Partner, der Verantwortung im Beruf – all das verliert der Monaco Franze am Ende der Serie.
Alles Glück dieser Welt: Ein Ehepartner ist Geschenk
Liebe Schwestern und Brüder, als Ehepartner haben Sie einander gesucht und gefunden, oder Sie sind gefunden worden oder das Schicksal hat Sie einander in die Hände und Herzen gespielt. Wie man es auch sehen mag, aber in jedem Fall ist so etwas wie ein unerwartetes Geschenk.
Das Gelingen einer Beziehung kann man nicht einfach machen, man kann es nicht inszenieren. Man kann seinen Teil dazu tun, dass es gelingt, aber Sie alle wissen, dass es oftmals bei Menschen nicht gelingt, auch wenn sie sich vielleicht noch so bemühen. Die Mitte einer Beziehung ist Gabe, ist Geschenk – und damit ist sie auch Aufgabe. Als Christen dürfen Sie wirklich vertrauen, dass Ihnen Ihr Partner geschenkt ist – aber geschenkt bedeutet eben auch anvertraut.
Wie ein Blumenstrauß, der liegenbleibt?
Ein Geschenk aus den Händen eines Gebers annehmen, bedeutet auch so mit dem Geschenk umgehen, dass wir damit auch den Geber achten und den Geber ehren. Das geht schon im Kleinen los, wenn Sie einen Blumenstrauß geschenkt bekommen, und ihn nach der Feier achtlos liegen lassen und vergessen, ehren Sie nicht den Geber. Ist mir auch schon passiert!
Nun haben Sie aber einen Partner geschenkt bekommen, den Sie sich nicht gemacht haben und der sich auch selbst nicht gemacht hat. Freilich, jeder Mensch trägt dazu bei, dass er jetzt auch so ist, wie er ist, aber das Innerste seines Herzens, den Anfang unseres Daseins, unsere Anlagen, Gaben, unsere Einzigartigkeit, das kommt alles von dem, der uns geschaffen hat – und der uns einander schenkt. Und wenn Sie das Glück hatten, Kinder zu bekommen, dann wissen Sie noch mehr um den Charakter des wundersamen Beschenktseins. Das Wichtigste im Leben machen wir uns nicht selbst, das Wichtigste im Leben wird uns geschenkt.
In der Gabe den Geber ehren!
Liebe Eheleute, heute ist deshalb ein Tag, an dem wir uns dankbar erinnern, was Ihnen der Herrgott mit Ihrem Lebenspartner für ein wunderbares Geschenk gemacht hat. Und mancher mag jetzt im Blick auf die Partnerin oder den Partner denken: Ja, des mit der Gabe ist schön und gut, aber seinen Bierdurst oder ihre Geschwätzigkeit, seinen Jähzorn oder ihren Geiz, des hätte mir der Herrgott mit seiner Gabe nicht unbedingt auch noch mitgeben müssen.
Wenn jemand jetzt so denkt, liebe Schwestern und Brüder, dann denken Sie einfach auch daran, dass Sie selbst auch mit dem, was in Ihnen ist, bisweilen eine Zumutung für ihren Partner oder ihre Partnerin sind. Ein weiser Bekannter von mir hat einmal gesagt: „Ich bin meiner Frau so dankbar, weil ich möchte nicht mit mir verheiratet sein.“ Und es gibt ein schönes Lied von Albert Frey, darin kommt die Zeile vor: „Ich danke dir Gott, dass du mich kennst und trotzdem liebst.“
In der Ehe auf den Geber hin reifen
Den anderen trotzdem lieben, trotz seiner unangenehmen Eigenschaften – aber auch mit allem lieben, was ihn liebenswert macht, in der Treue bei ihm bleiben, lernen von sich selbst wegzuschauen und Verantwortung zu übernehmen: So wächst man als Mensch. Und man wächst in der Tiefe vor allem dann, wenn man die Gabe nicht mit dem Geber selbst verwechselt. Im Gegenteil: Die Ehe ist in der Tiefe ein Weg zum Geber selbst.
Alles Schöne in Ihrer Partnerschaft, jede Gabe, jede Freude, jede Liebe – ist ein Hinweis darauf, dass wir einen Geber haben, einen Gott haben, der will, dass wir ihn selbst auch erkennen und lieben. Wenn alles, was in der Schöpfung schön, wahr, gut und wunderbar ist, wie wunderbar muss dann erst der Schöpfer sein? Nichts in dieser Welt hat ewigen Bestand, aber alles Schöne in dieser Welt verweist auf den Ewigen – der will, dass wir ihn kennen und lieben. Eine Ehe, die als Beziehung reift, wird auch durchsichtig auf dieses Geheimnis, auf die Anwesenheit des Schöpfers in ihr – auf die Anwesenheit dessen, der die Treue in Person ist.
Was ist mir dem Leid?
Und ja, liebe Schwestern und Brüder, es gibt in dieser Welt und wohl in jeder Ehe auch die Sünde, das Böse, das Leid und die Lüge, den Verrat. Und vieles, was an Leid und Bösem in der Welt passiert, macht uns ratlos. Auch die vielen Ehen, die zu Bruch gehen und das Leid der Menschen, besonders so vieler Kinder, macht uns ratlos. „Herr, wie kannst Du das zulassen?“, fragen wir. Und bekommen oft keine Antwort, schon gar keine schnelle und einfache.
Aber wir hören im Evangelium von heute das strenge Wort vom Kreuz, das uns einen Weg weist. Jesus sagt: „Wenn einer mir nachfolgen will, verleugne er sich selbst, nehme täglich sein Kreuz auf sich und folge mir nach. Wer sein Leben retten will, wird es verlieren, wer es um meinetwillen verliert wird es retten.“
Der Blick auf den Gekreuzigten
Das klingt hart und streng, aber es verweist in seiner Mitte auch auf das Geheimnis einer Ehe im Glauben. Liebe Schwestern und Brüder, ich durfte viele Ehen kennen lernen auch von gläubigen Menschen – und ich hatte oft und oft die Erfahrung: Wenn ein Mensch gelernt hat, in seinem Leben auf den Gekreuzigten zu vertrauen, mit Ihm zu gehen, zu Ihm zu beten, immer im Gespräch mit Ihm zu bleiben, dann kann er das auch in den Schwierigkeiten einer Ehe oder in schweren Leiderfahrungen.
Wenn dann einer wirklich mit Herz und Vertrauen auf das Kreuz blickt, wirklich sich dem Gekreuzigten anvertraut und bei Ihm bleibt, dann kann auch mitten darin der Segen fließen oder es kann mitten darin ein Zeugnis sichtbar werden. Ein Zeugnis von Menschen, die zu ihrem Versprechen stehen können trotz allem, trotz Not und Leid. Ein Zeugnis von Menschen, die Kraft haben weiterzugehen, auch wenn die äußere Welt zusammenzubrechen scheint, ein Zeugnis von Menschen, die mitten in diesem Leben gelernt haben, ihr Kreuz zu tragen.
Es ist ein Zeugnis von Menschen, die auch in der Not geheimnisvoll durscheinen lassen, dass sie zu dem gehören, der jedes Leben und die ganze Welt in den Händen hält – auch dann wenn es scheint, dass sie untergeht.
Kein Auslaufmodell, sondern ein Ausrufezeichen
Liebe Eheleute, liebe Jubilare, ich danke Ihnen heute von ganzem Herzen für das Zeugnis so vieler Jahre in der Ehe. Ich danke Ihnen, dass Sie gelernt haben, den anderen, ihren Partner, ihre Partnerin, als Gabe aus den Händen des ewigen Gebers zum empfangen und als Gabe zu verdanken und zu verantworten.
Ich danke Ihnen, dass Sie auch in den Zeiten der Not nicht verzweifelt sind, sondern zusammengehalten haben. Und ich danke von Herzen, dass Sie in Zeiten, in denen die Ehe für nicht Wenige ein Modell von gestern ist, ein kräftiges Ausrufezeichen für die Ehe ins Heute setzen.
Mehr als alles Glück dieser Welt
Und ich wünsche Ihnen sehr, dass Sie jeden Tag dankbar sein können für das Geschenk Ihrer Ehe und ihres Partners – und dass Sie so auch Ihre Beziehung zum Schöpfer vertiefen, den Geber alles Guten und den Tröster in aller Not.
Am Anfang habe ich erzählt von dem Ehepaar, das nicht alles Glück von dieser Welt erwartet. Ich möchte Ihnen versprechen, wenn Sie auf Jesus, den Gekreuzigten und Auferstandenen vertrauen – und mit Ihm den Weg Ihrer Ehe weitergehen – im Schönen und im Leid – dann wird auf Sie am Ende Ihres Weges in dieser Welt mehr Glück warten, als diese Welt insgesamt zu bieten hätte – viel, viel mehr! Das wünsche ich Ihnen. Amen.