Pfingsten und das einjährige Jubiläum der Bischofsweihe von Stefan Oster SDB fielen am 24. Mai 2015 auf denselben Tag. Die Predigt von Bischof Stefan Oster im Passauer Stephansdom.
Liebe Schwestern und Brüder,
der Glaube der Kirche mutet uns heute einiges zu. Wir feiern ein Fest zu einem Ereignis, das in der Hl. Schrift so sehr als eine unglaubliche, intensive, konkrete Erfahrung geschildert wird. Die Sendung des Geistes, die alles verändernde Kraft kam in die Jünger, hat sie verwandelt, hat sie zu Menschen mit Liebe gemacht, mit Leidenschaft, mit Feuer, voller Glauben, voller Hoffnung.
Sodass sie alle rausgehen konnten und unter Einsatz ihres Lebens alles gegeben haben, nur damit andere an dem teilhaben konnten, was sie selbst erfahren durften; nur damit andere anfangen, auch an Jesus zu glauben. Dieses Ereignis feiern wir, die Geburt der Kirche, die von da an fast explosionsartig wächst.
Pfingsten: Die Sendung des Heiligen Geistes
Die Zumutung für uns ist: Pfingsten ist genau das Fest, von unseren drei großen Festen, mit deren Bedeutung sehr viele Christen vermutlich am wenigsten anfangen können. Und noch weniger können vermutlich etwas anfangen, wenn wir dann auch noch nach konkreter Erfahrung des Heiligen Geistes fragen. Kaum etwas ist so wenig im gläubigen Bewusstsein verankert wie gute Antworten auf die Frage, was das eigentlich ist, der Heilige Geist. Und wie er wirkt.
Und das, obwohl wir alle im Heiligen Geist getauft und fast alle in ihm gefirmt sind, obwohl wir in jeder Messe die Kraft des Geistes auf die eucharistischen Gaben herabrufen. Kann es sein, dass die Kirche heute nicht mehr wächst, sondern schrumpft, weil wir so wenig vertrauen, dass auch wir in der Kraft des Geistes leben, lieben, predigen, wirken könnten? Mehr noch, dass der Geist uns wirklich verwandeln kann hinein in die Erfahrung der Gotteskindschaft?
Das Reich Gottes beginnt im Hier und Jetzt
Liebe Schwestern und Brüder, wir sagen manchmal, wir wollen die Botschaft des Evangeliums weitergeben. Das ist recht und gut so. Aber das Evangelium ist zugleich viel mehr als eine Botschaft. Im Evangelium geht es immerfort um das Reich Gottes – und mit Jesus ist dieses Reich angebrochen und für jeden nahe gekommen.
Jesus wollte und will, dass wir da hineinkommen. Und die Erfahrung der Kirche von Anfang an ist nun, dass dieses Reich Gottes nicht erst im Himmel anfängt, sondern schon hier und jetzt, hier und heute. Wie beginnt es? Es beginnt mit dem Glauben an Jesus, mit dem Glauben, dass wir durch ihn ein neues Leben anfangen können, weil er uns unsere Sünden vergibt, weil er uns erlaubt und ermöglicht, von bloß ichbezogenen Menschen zu gottbezogenen Menschen zu werden.
Pfingsten ist eine Verheißung des Evangeliums
Wir haben im heutigen Evangelium gehört, wie der auferstandene Jesus zu den Jüngern geht und sie anhaucht. Der Evangelist erinnert damit an die Schöpfungsgeschichte, in der erzählt wird, wie der Schöpfer den Menschen den Lebensatem einhaucht wie mit einer Art Kuss oder einer Mund-zu-Nase-Beatmung. Jedenfalls voller Zärtlichkeit. Und hier kommt nun der Erlöser, der einzige Sohn des Schöpfers, und haucht sie an.
Er gibt ihnen einen Geist, einen neuen Geist, der nicht einfach von dieser Welt ist, sondern von ihm kommt. Und er fügt hinzu, dass die Apostel in der Kraft dieses Geistes Sünden vergeben können. Jesus erfüllt mit dieser Handlung, und mit der Geistausgießung eine Verheißung des Evangeliums. Es ist die Verheißung, dass jeder, der von diesem Geheimnis berührt wird, wirklich innerlich neu wird, neue innere Qualität empfängt, so sehr, dass Paulus sagen wird: Wer in Jesus ist, ist eine neue Schöpfung.
Mehr als ein paar nette Gedanken
Liebe Schwestern und Brüder, das heißt für uns: Auch wir können eintreten in dieses Reich, immer neu. Wir können die wirkliche Erfahrung machen, Gott ist mir nahe, er ist mein Vater, und er liebt mich und er will, dass ich im tiefsten Herzen in seiner Nähe lebe. Aber, meine Lieben, dieser Vater und dieser Jesus sind nicht nur einfach nur nette Gedanken. So, dass wir es halt ganz nett finden, wenn einer sagt, dass Gott uns liebt – und es berührt uns nicht.
Sondern der, von dem da die Rede ist, der Vater, ist die alles umfassende Wirklichkeit, er ist die absolute Macht, die absolute Liebe, die Heiligkeit schlechthin. Er ist der, der uns durch und durch kennt, jede Faser, jedes einzelne Haar auf dem Kopf, sagt Jesus. Und auch noch die hinterste Regung unseres Herzens. Dieser Vater hat uns durch Jesus neu das Gebot gegeben, dass er tatsächlich über alles geliebt werden will, mit ganzem Herzen, ganzer Seele, ganzer Kraft.
Wo sind wir am besten aufgehoben?
Er will das Zentrum unseres Lebens sein, er will nicht einfach nur ein gedachter Vater sein, sondern er will in unserem Herzen herrschen in der Macht der Liebe. So wie ein kleines Kind bei Papa weiß, dass es am allerbesten aufgehoben ist, weil Papa da ist und es im Arm hält. Für ein kleines Kind sind die Eltern buchstäblich alles, buchstäblich die ganze Welt.
Und liebe Schwestern und Brüder, Reich Gottes beginnt in uns und unter uns wieder da, wo Gott anfängt, in uns alles zu sein, über alles geliebt. Nicht weil er es braucht, sondern weil er will, dass wir wirkliche Menschen werden, die ihn kennen und lieben und die aus dieser Kraft und aus dieser Gegenwart sich selbst und die anderen von Herzen lieben können.
Kinder des Vaters
Liebe Schwestern und Brüder, wenn einer hier Zugang gefunden hat, wenn einer innerlich lernt, was Reich Gottes ist; und wenn er aus dieser Erfahrung lebt, dann wächst ihm auch das Gespür zu, für den Geist und für die anderen, die auch aus diesem Geist leben, weil sie Geschwister Jesu, Kinder des Vaters sind.
Aber so einem Menschen wächst auch das Gespür dafür zu, dass es oft nicht so weit her ist mit der Liebe zu Gott in seinem, in unseren Herzen. Was da nicht alles lieber regiert in mir, welche Wünsche, Sehnsüchte, Egoismen, Neid, Gier, Stolz, Unzucht, Ausschweifung, Streit, Jähzorn, Esoterik und was nicht alles da auch herrscht und herrschen will. Paulus hat die Dinge in der heutigen Lesung aufgezählt und Werke des Fleisches genannt.
Pfingsten ermöglicht Bekehrung
Es sind Dinge in uns, die verhindern, dass wir hineinkommen in das Reich. In das Reich, in dem in unserer Seele Jesus und der Vater regieren und in dem durch Jesus Liebe wachsen und Freude und wirklicher Friede und Kraft zur Selbstbeherrschung und Geduld und Demut und die Fähigkeit, sich zur Wahrheit zu bekennen, die Fähigkeit wirklich von Herzen treu zu sein. Alles das schenkt der Geist Gottes, wenn wir wirklich anfangen ernst zu nehmen, dass Jesus über alles geliebt werden will und dass wir durch ihn zum Vater kommen.
Und vielleicht verstehen Sie nun auch, liebe Schwestern und Brüder, dass mit Pfingsten mit der Ausgießung des Geistes immer auch der Aufruf der Jünger einherging: „Kehrt um, glaubt an Jesus und bekennt ihm eure Sünden.“ Denn dazu ist er gekommen, dass er alles vergibt. Die Sünde ist ja nicht nur eine einfache Tat, sie ist im Innersten vielmehr der Zustand unseres Herzens, der Zustand eines Herzens, in dem Gott Wohnung nehmen will; aber nicht kann, wenn ihm dieses Herz keinen Platz macht. Wenn es ihm nicht die innere Wohnung bereitet und aufräumt, damit es schön ist.
Liebe zwingt nie
Gott kann da nicht einfach von sich her hinein, denn die Liebe zwingt nie. Bekehrung kann immer nur in Freiheit passieren. Und der Heilige Geist, diese Kraft zur Wahrheit und zur Freude, will dass wir uns gewissermaßen in sein Licht stellen, dann überführt er auch, dann schenkt er uns die Erfahrung: Ja, in dieser Verfassung ist mein Herz kein Wohnort für Gott. Ich brauche Vergebung, immer wieder. Deshalb ist Jesus derjenige schlechthin, der vergibt. Und er gibt den Aposteln tatsächlich die Vollmacht dasselbe zu tun, zu vergeben in seinem Namen.
Liebe Schwestern und Brüder, die ersten Apostel waren in dieser Hinsicht radikal – mit ihrem eigenen Leben. Sie wollten die Menschen mit Jesus bekannt machen, sie wollten ihnen ins Reich Gottes hinein helfen. Und für sie war das deshalb so wichtig, weil sie der Überzeugung waren: Wenn einer draußen bleibt aus diesem Reich, dann verspielt er womöglich sein Leben.
Jesus ist für alle gestorben
Jesus ist für alle gestorben, er hat für alle seinen Geist ausgegossen. Aber wenn sich einer nicht drauf einlässt, sich nicht bekehrt; sich nicht wirklich ihm zuwendet in der Kraft des Geistes, dann – so die Überzeugng der Apostel – dann geht sein Leben verloren. Jesus will uns alle erlösen, aber er will und kann es nie einfach ohne uns.
An Pfingsten nun, damals haben die Menschen die Apostel predigen hören und die waren offenbar so voll der Kraft des Geistes, dass sich viele, viele Menschen immer neu bekehrt haben. Liebe Schwestern und Brüder, wann haben Sie das letzte Mal von einer Bekehrung gehört oder sie gar am eigenen Leib erlebt? Die Erfahrung, dass ein Mensch nun begonnen hat, Jesus in seinem Leben die erste Stelle zu geben. Dass er vielleicht gebeichtet hat, dass es ihn wirklich ins persönliche Gebet gezogen hat, ins innere Gespräch mit Jesus; dass es ihn zum Lesen der Schrift gezogen hat.
Erfahren, was das Reich Gottes ist
Wann haben Sie erlebt, dass ein Mensch durch die innere Begegnung mit dem Herrn zum Beispiel geduldiger geworden ist, liebevoller mit den Mitmenschen, dass er manche schlechte Angewohnheit lassen konnte… Alles das und mehr sind Erfahrungen, die mit wirklichen Bekehrungen einhergehen.
Menschen, die das erfahren, die wissen, was Reich Gottes ist, was Vergebung der Sünden ist. Die wissen und beginnen immer mehr am eigenen Leib zu erfahren, wie der Geist Gottes wirkt in ihrem Leben. Und wie er Freude und Vertrauen bringt und Hoffnung für die Welt, in der sie leben.
Maria und Pfingsten
Schließlich: Maria, die Helferin der Christen ist diejenige, die von Anfang an voll des Geistes war. Ihr innerer Aufenthaltsort war gewissermaßen immer das Reich Gottes, in ihr hat Gott immer regiert. Und sie hatte deshalb natürlich auch die Apostel, die Freunde Jesu, ganz besonders in ihrem Herzen.
Deshalb ist es kein Zufall, dass sie an Pfingsten mit ihnen beieinander war, als der Geist von neuem auf sie alle herabgekommen ist. Alle, die Maria von Herzen verehren, spüren so etwas: In ihrer Nähe komme ich Jesus näher, in ihrer Nähe werde ich innerlich erfüllter vom Geist. In ihrer Nähe zieht es mich vielleicht auch neu zum Sündenbekenntnis, in ihrer Nähe bin ich Gott näher.
Pfingsten – lasst uns dieses Geschenk bezeugen
Liebe Schwestern und Brüder, ich hoffe und wünsche mir sehr, für unser wundervolles Bistum, dass der Heilige Geist unser inständiges Bitten und die Fürbitte Mariens hören möge und hier unter uns immer neu die Herzen erweckt. Ich bete, dass er sie offen und weit macht für den Herrn. Auf dass wir immer mehr Menschen werden, die wissen wem sie glauben, warum sie glauben; dass wir Menschen werden, die Erfahrungen gemacht haben mit der unfassbaren Majestät und Liebe Gottes, der uns alle jeden Tag neu verwandeln will.
Und dass wir Menschen werden, die dann wie die Apostel hinausgehen können, und dieses Geschenk mit Demut, mit Freude und Kraft allen Menschen bezeugen können. Lassen wir es zu, machen wir uns bereit für Ihn, unseren König und Herrn. Komm, Heiliger Geist, erneuere unser Herz und das Antlitz Deiner ganzen Schöpfung. Amen.
Einen Rückblick von Bischof Stefan Oster auf sein erstes Jahr als Bischof Von Passau finden Sie hier.