Foto: Greg Rosenke / Unsplash.com

Karfreitag: Training mit Sinn

Training Fastenzeit: Warum in all unseren Leidenszeiten Sinn liegen kann. Die Predigt von Bischof Stefan Oster zum Karfreitag im Passauer Stephansdom 2016.

Liebe Schwestern und Brüder im Glauben,
wenn wir ehrlich sind, dann sind es Tage wie dieser, die es uns mit dem Glauben oft schwer machen. Es geht ums Aushalten, ums Durchhalten, ums Kreuztragen, ums Leiden. Es geht auch ums Pflichterfüllen, es geht ums Betroffensein, wo mancher vielleicht gar nicht betroffen sein kann oder will.

Ich sags Ihnen ehrlich, als Kind war dieser Karfreitag, mit dem so elend langen Kirchgang, mit der seltsamen Stimmung, mit der Schwere, die darüber lag, manchmal fürchterlich für mich. Natürlich habe ich nicht viel verstanden, und so viel hat man mir auch nicht erklärt. Vielleicht weil man es selbst nicht recht wusste, wie umgehen mit diesem Tag.

Training Karfreitag: Wie umgehen mit diesem Tag?

Muss man wirklich ernst und fromm sein und warum eigentlich? So klar war das nicht, immerhin ist manchmal das allerbeste Fischlokal ausgesucht worden – und da dachte ich mir damals schon, konnte es mit der Frömmigkeit auch wieder nicht so ganz weit her sein. Aber der Nachgeschmack bleibt: Es war sehr, sehr anstrengend für einen lebhaften Buben wie mich.

Liebe Schwestern, liebe Brüder, dieser Karfreitag ist der Höhepunkt der Fastenzeit, eine Zeit, die sich auch tief in unser kulturelles Bewusstsein eingeprägt hat. Und Fastenzeit gehört dann wie der Karfreitag erst recht zum Schwierigen unseres Glaubens, einfach weil sie so lange dauert.

Verzicht in der Fastenzeit

Verzicht üben bei der Nahrungsaufnahme, besondere Formen der Nächstenliebe üben, wirkliche Einübung ins Gebet. Das wäre eigentlich das Programm, aber weil viele irgendwie nicht so recht wissen oder glauben, wofür, macht man dann in der Fastenzeit eben was für die eigene Gesundheit, Entschlackung oder Gewichtsabnahme oder weniger Fernsehen, weniger ist mehr als Lebensstil oder als Wellness-Programm. Das alles ist ja in sich nicht schlecht.

Aber viele von uns Christen denken dann, auf diese Art können wir den vom Glauben entfernten Menschen auch noch die Fastenzeit irgendwie positiv verkaufen – oder auch uns selbst. Solange es für mein eigenes Wohlbefinden irgendwas bringt, ist es ja gut. Aber, Sie ahnen, Schwestern und Brüder, all das ist im Grunde nicht das, was Fastenzeit meint. Und das spüren wir vielleicht auch, aber schon kommt dann der Gedanke ans Anstrengende zurück.

Es geht um Gott

Um was ginge es denn wirklich? Die Antwort ist im Grunde ganz einfach: Es geht um Gott, wirklich um Gott. Es geht um Jesus. Er ist zuerst aus Liebe uns gekommen, damit wir aus Liebe zu Ihm kommen. Und wirklich Zu-Ihm-Kommen heißt halt nicht einfach, manchmal an etwas Höheres denken, sondern es heißt: im Vertrauen wachsen, Vertrauen lernen in jemand, den ich kenne, für den ich ein Gespür entwickle.

Glauben lernen heißt also in der Beziehung zu Jesus reifer werden, tiefer, sensibler werden für ihn und seine Gegenwart. Und wir werden nicht sensibel, wenn wir nur vollgestopft sind, mit allem Möglichen, mit Essen, Informationen, Problemen, Stress und so fort.

Wir fasten, wir beten, wir üben Nächstenliebe um seinetwillen. Damit diese Beziehung wächst und tiefer wird. Und wenn ich sagte, das geistliche Leben ist nicht nur, aber auch eine Art Trainingsprogramm, dann weiß jeder Sportler, Training macht nicht immer nur Freude, und es erfordert Treue, Disziplin, Ausdauer.

Hartes Training für ein Ziel

Wenn Sie einem großartigen Fußballspieler zusehen, wie er mit Leichtigkeit im intensivsten Wettkampf Dinge tut, bei denen sich ein normaler Mensch alles brechen würde, oder wenn Sie einem Pianisten zusehen, wie er hingebungsvoll mitgenommen ein richtig schwieriges Stück spielt, dann wissen Sie, die haben dafür hart trainiert, die haben sich manchmal sogar gequält. Aber sie wussten warum, sie hatten ein Ziel vor Augen.

Das schöne Spiel, das hingebungsvolle Spiel, das in ihnen irgendwie schon da ist und die Freude daran mit ihm. Sie trainieren auf das, was sie schon wirklich berührt hat. Sie ahnen schon, wie es ist, mit ganzem Herzen einfach zu spielen, und dürfen es auch immer wieder erfahren. Und wenn das auch ein Bild für das geistliche Leben ist, würde ich fragen: Kann es sein, dass uns in unserer religiösen Praxis oft das Ziel vor Augen abhanden gekommen ist?

Training nur für mich?

Die Beziehung zu unserem Gott, die Freude an Ihm, der Glaube als Leben mit Ihm, als Beziehung zu Jesus, die das ganze Leben trägt und prägt? Wenn ich das nicht mehr weiß oder glaube, oder wenn ich innerlich nicht mehr auf Tuchfühlung damit bin, dann mache ich Training, dann mache ich Fastenzeit nur noch für mich, für meine Gesundheit, für mein Gewicht, für mein gutes Fischessen.

Aber wenn ich es glaube, wenn ich wirklich vertraue, dass die ganze Passionsgeschichte, die wir gehört haben, tatsächlich für mich geschehen ist, um meines und unseres Heiles willen, dann bin ich vielleicht gerne bereit zum Training. Ja, Herr für Dich, damit Du in meinem Leben groß sein kannst, damit Du in meinem Leben wirken kannst.

Ja, Schwestern und Brüder, das gläubige Leben hat etwas in sich, was in mir und in uns allen Widerstand erzeugt, es ist nicht nur bequem. Das Leben mit Jesus ist nicht nur bequem, aber letztlich macht nur dieses Leben mit Ihm wirklich froh und tief und weit und innerlich frei.

Die Karfreitag unseres Lebens

Und schließlich geht es ja auch bei uns allen um die Frage, wie gehen wir persönlich durch die Karfreitage unseres eigenen Lebens hindurch? Wie tief sind wir in Gott verwurzelt, damit wir dann auch bleiben, bei Ihm bleiben können, wenn es schwer wird? Wie sehr glaube ich, dass der Ostersonntag schon angebrochen ist und auch mir verheißen ist?

Das erfolgreiche, das hinreißende Spiel des Pianisten oder des Fußballers ist das Ziel, auf das die beiden hinleben. Auf das sie hin trainieren. Aber es ist als Ahnung, als Vorfreude auch im oft mühseligen Training schon gegenwärtig. Sie spüren schon, was in ihnen steckt, wohin es sie zieht.

Training mit Sinn

Liebe Schwestern und Brüder, unser geistliches Leben als Weg wird nur dann ehrlich und tief werden, wenn wir aus dem Glauben leben dürfen, dass der Ostersonntag schon angebrochen ist, dass er schon zu uns gehört. Dass der Auferstandene schon lebt in mir und immer mehr Raum einnehmen will. Erst eine solche Vorahnung, ein solches Vertrauen, eine solche Sehnsucht gibt dem Training Sinn, gibt der Fastenzeit und dem Karfreitag Sinn.

Und deshalb, liebe Schwestern und Brüder, deshalb ist diese Feier der Passion Jesu eben auch eine Feier, und nicht nur Trauer. Wir feiern die Hingabe Jesu für uns, auch wenn sie noch so brutal und grausam war und uns mit Schmerz erfüllen darf. Wir feiern, dass am Karfreitag vor 2000 Jahren etwas passiert ist, das all unseren eigenen schwierigen Lebenszeiten, unseren Trainingszeiten, unseren Leidenszeiten Sinn geben kann.

Jesu Tod gibt allem Leiden Sinn

Seit Jesus für uns aus Liebe gestorben ist, braucht es kein Leiden mehr für uns zu geben, das sinnlos wäre, kein Leiden mehr, in dem er nicht solidarisch mit uns und unserer Not wäre. Es gibt kein Leiden mehr, in dem sich nicht die Perspektive Ostersonntag eröffnen könnte. Fastenzeiten, Lebenszeiten, Trainingszeiten für den Glauben sind seit Jesu Karfreitag Zeiten, in denen wir ihm all unsere Armut, unsere Not, unser Leiden hinlegen können.

Wir können einüben, sie einfach ihm und seinem Kreuz zu übergeben. Dann wächst das dankbare Vertrauen, dass er in uns auferstehen wird und wir mit ihm. Dann wächst die Vorfreude darauf, ihm wirklich einmal von Angesicht zu Angesicht begegnen zu dürfen; mit dem unfassbaren Jubel im Herzen darüber, dass er wirklich der letzte Sinn unseres Lebens ist und wir zu Ihm gehören. Und eine solche Aussicht ist jedes Training wert!