Über den König: Die Predigt von Bischof Stefan Oster zum Segnungsgottesdienst in der St. Anna Basilika Altötting 2016.
Liebe Geschwister im Glauben,
wir sind im Jahr der Barmherzigkeit. Wir wünschen uns in unserer Kirche, die Barmherzigkeit Gottes zu erfahren. Wo könnte das besser verstanden werden, mit Leib, mit Herz, mit der ganzen Seele, als hier in Altötting? Hier verehren wir die Mutter der Kirche, hier finden wir Maria, die auf uns wartet. Maria, die Mutter der Barmherzigkeit, weil sie diejenige ist, die uns in die Nähe zu Jesus führt, in die Nähe zu unserem König.
Das Volk Israel will einen König
Wir haben für den heutigen Tag eine Lesung aus dem Alten Testament gehört, in der es auch um den König geht. Das Volk Israel ist bis dato von charismatischen Richter-Persönlichkeiten geführt worden und von Propheten. Und nun wollen sie sein, wie alle anderen Völker auch – und fordern einen König.
Man spürt an dem Text, was das für ein zweideutiges Unterfangen ist. Sie werden einen König bekommen, Gott willigt ein. Aber einen weltlichen König haben, bedeutet weltlichen Gehorsam, bedeutet weltlichen Abgabendruck, kann Knechtschaft bedeuten. Bedeutet in jedem Fall Dienst, notfalls auch Kriegsdienst für ihn. Israel ist aber eigentlich das Volk, dessen König Jahwe ist, es ist das Volk in dessen Mitte Gott lebt und als König regiert.
Wer ist unser König?
Liebe Schwestern, liebe Brüder, diese Zweideutigkeit, diese Frage: Wem gehorcht mein Herz und wem gehört mein Herz? Die ist in jedem von uns. Wer ist unser König? Wem dienen wir wirklich? Israel will einen weltlichen König – und wir hören dass Gott irgendwie widerwillig einwilligt, dass er aber gewissermaßen das Beste daraus machen wird.
Zunächst wird Saul König, eine aufs Ganze unglückliche Figur. Aber nach ihm bekommen die Israeliten mit David einen von Gott wirklich Gesalbten, einen, der wenigstens die meiste Zeit nach dem Herzen Gottes ist und das Volk in dieser Weise führt. So sehr, dass der erwartete Messias nachher der Sohn Davids genannt werden wird, weil auf dem Geschlecht Davids der Segen liegt. In David leuchtet also schon etwas auf vom messianischen König, auch wenn David nur ein Mensch ist – und uns werden ja in der Schrift neben seinen Großtaten auch ausführlich seine Schwächen geschildert.
In Jesus erfüllt sich die Sehnsucht aller
Aber in Jesus, liebe Schwestern, liebe Brüder, in Jesus erfüllt sich die Sehnsucht aller – für alle, die das erkennen wollen, für alle, die sich ihm öffnen wollen. Jesus ist der König im neuen Reich, im Reich Gottes. Jesus eröffnet wieder den Zugang zum Reich Gottes für alle die, die sich und ihr Herz zu sehr an äußerliche Dinge, an Macht, Geld, Anerkennung, Sicherheit, äußerliche Schönheit oder an nur politische Könige gehängt haben.
Für alle, deren heimlicher Herzenskönig nicht Gott ist, sondern im Grund wohl ich selbst und alle meine Bedürfnisse. Für uns alle, die wir geneigt sind, uns zuerst einmal um uns selbst zu drehen. Diese Seite in uns, meine Lieben, und diese Seite gibt es in uns allen, die will gar nicht Gott König sein lassen. Die will sich selbst alles das ansammeln, sichern, erleisten, was ihr vermeintlich alle Bedürfnisse stillt. Aber wenn wir ehrlich sind, müssen wir zugeben: An alledem, woran sich mein Herz nur in dieser Welt hängt, an alledem wird es nicht satt, wird es letztlich nicht gestillt, wird es letztlich nicht froh. An alledem wird es letztlich auch nicht heil.
Gott soll unser König sein
Aber Jesus ist gekommen, damit wir durch ihn wieder neu lernen, was es heißt, Gott unseren König sein zu lassen. Ihn, Jesus, unseren König sein zu lassen. Jesus eröffnet den Zugang zum Vaterherz, zum Königreich, in dem Gott der König ist, von neuem. Durch sein Kommen, durch seine Hingabe, durch sein Blut werden wir gereinigt, geheilt, wird unsere Sehnsucht gestillt. Wenn wir uns ihm überlassen, von Herzen, werden wir gesund. Und gesund, meine Lieben, gesund bedeutet zuallererst von innen her gesund.
Das Evangelium hat uns gezeigt, welche Prioritäten Jesus hat: Da bringen vier Männer einen Gelähmten und weil sie im Gedränge nicht zu Jesus durchkommen, lassen sie ihn auf einer Tragbahre durch das Dach zu ihm hinunter. Das schöne Detail an der Geschichte ist zunächst, dass Jesus ihren Glauben sieht. Also hier ist es nicht wie sonst, dass der Gelähmte selbst Glauben braucht, sondern Jesus sieht den Glauben derer, die für ihn einstehen, die für ihn beten, die ihn gewissermaßen zu Gott hintragen.
Die Gegenwart Gottes eröffnen
Liebe Schwestern und Brüder, ich bin überzeugt, dass wirklicher gemeinsam getragener Glaube, gemeinsam bezeugter und gefeierter Glaube, dass das den Raum für die Gegenwart Gottes leichter und tiefer eröffnet. Wo zwei oder drei in meinem Namen beisammen sind, hat Jesus gesagt, da wird er unter uns sein. Aber was heißt in seinem Namen? Es heißt zum Beispiel: Im festen Glauben, dass er der einzige ist, der uns retten kann, von unseren Sünden, vom Tod, von unserer Egozentrik, von unserer Lieblosigkeit. Er ist der Herr.
Und er, der Herr, sieht hier im Evangelium nun also den Glauben der anderen und sagt dem Kranken zu: Deine Sünden sind dir vergeben. Meine Lieben, diesen Fokus, den Jesus hier hat, den sehen wir viel zu selten: die eigentliche Bedrohung unseres Lebens ist nicht das Gelähmtsein, ist nicht die physische Krankheit, ist nicht die Bedrohung durch Armut oder Einsamkeit und anderes mehr. Alles das ist oft schlimm und schreit auch nach Heilung.
Unser König will unsere Rettung
Aber es ist nicht die schlimmste Dimension. Die eigentliche Bedrohung unseres Lebens ist die Sünde, die Sünde als Zustand unseres Herzens. Eines Herzens, das nicht glaubt, das Gott nicht König sein lässt, sondern das in sich selbst eingedreht ist und sich nur auf sich selbst und die eigene Kraft verlässt. Der Herr in meinem eigenen inneren Königreich bin ich und sonst niemand.
Hier, an dieser Stelle, heilt Jesus zuerst und zutiefst: Er will, dass er in unserem Leben Herr ist, König ist. Er will angebetet und verherrlicht werden. Nicht, weil er es braucht, sondern weil es unsere Rettung ist. Weil wir so aus unserem Ich-Käfig befreit werden und in die Lage kommen, seine Gegenwart in der Welt zu sehen und zu bezeugen. Die Heilung des Gelähmten ist sein Beweis dafür, dass er Sünden vergeben kann. Er kann es, meine Lieben. Er will unser Herz heilen. Und er kann auch denen, die Glauben haben, körperliches oder emotionales Leid lindern und heilen. Er ist ja der Herr.
Frieden und Licht im Leid
Er kann uns aber auch einladen, Zeugen zu werden dafür, dass wir mitten in dieser gebrochenen Welt und in unserer gebrochenen Leiblichkeit den Frieden ausstrahlen, sein Licht ausstrahlen. Weil wir jetzt schon einen König gefunden haben, der sich unsrer erbarmt, der für uns gestorben und auferstanden ist und jeden Menschen mit unfassbarer Liebe liebt.
Liebe Schwestern und Brüder, ich darf einige Menschen kennen, die von einem sehr schweren Leid geplagt sind, das Gott ihnen nicht genommen hat. Und gerade diese Menschen sind für mich die größten, die schönsten Zeugen seiner Liebe. Mitten in dem, was sie plagt, strahlen sie eine Tiefe, einen Glauben, eine Zuversicht aus, die einfach heilsam ist.
Jesus erbarmt sich unser
Wenn wir also in diesem Jahr der Barmherzigkeit den Herrn bitten, für uns Heiland zu sein, dann zuerst dafür, dass er uns alles verzeiht, wo wir nicht ihn, sondern uns selbst auf den inneren Thron unseres Herzens gesetzt haben. Wo wir selbst Königinnen waren, und Könige, heillose Könige. Er erbarmt sich unser, er kennt unsren Zustand und wir wünschen so sehr seinen Segen und sein Heil. Zweitens bitten wir aber auch dafür, dass er unsere Not sieht und heilen möge, unsere Krankheiten, unsere Beziehungsnöte, unsere seelischen und materiellen Nöte.
In allem möge er uns Segen und Heil schenken – als Zeichen dafür, dass wir wirklich einen Heiland haben. Und wir bitten ihn auch, dass wir dort, wo wir in unseren Gebrechen bleiben, dass wir dort seinen Trost erfahren dürfen, dass wir im Glauben wachsen dürfen, dass er da ist, mitten in all unserer Not. Wir bitten ihn, dass er uns hilft, wahrhafte Zeugen und Zeuginnen seiner heilenden Gegenwart für andere zu werden.
König der Liebe und des Erbarmens
Liebe Schwestern und Brüder: Wir sind Menschen, die zu Ihm gehören, die sich nach Heil sehnen. In der Krippe von Bethlehem und am Kreuz von Golgotha ist sichtbar geworden, wer der Herr für uns ist: Liebe, Erbarmen.
Bitten wir ihn nun in diesem Gottesdienst, dass er sich unser aller erbarmen möge und auch all derer, die uns am Herzen liegen und die sich unserem Gebet anvertraut haben. Maria, Mutter Gottes von Altötting, bitte für uns. Amen.