Vom Glanz des Schönen. Die so vorbereitete, aber dann frei vorgetragene Predigt von Bischof Stefan Oster anlässlich des Gottesdienstes vor Weihnachten 2016 der Giselaschulen Passau.
Liebe Schülerinnen, liebe Lehrerinnen und Lehrer,
vielleicht kennt Ihr den schon: Unterhalten sich zwei Männer über die Kirche. Der eine sagt: Ich habe jetzt endgültig genug von Kirche. Es ist immer so langweilig, die singen jedes Mal, wenn ich dort bin, die gleichen Lieder. Sagt der andere: Ja, welche denn? Sagt der erste: Na, jedes Mal Stille Nacht.
Vom Glanz des Schönen
Meine Lieben, dieser kleine Witz lebt von der Erfahrung, dass nicht wenige Menschen auch bei uns und vielleicht auch unter euch nur an Weihnachten in die Kirche gehen und sonst unterm Jahr fast nicht. Nun kann man sagen: Immerhin gehen sie noch an Weihnachten. Immerhin spüren sie an diesem Fest, es geht wohl in diesem Leben vielleicht doch um mehr.
Wir kommen an Weihnachten in den Familien zusammen, wir zeigen unsere Zuneigung, indem wir uns etwas schenken. Wir feiern miteinander. Und dann spüren viele: Das Feiern, das Geschenkhafte, das Friedvolle, das Liebevolle, das bringen wir vielleicht doch nicht nur aus uns selbst hervor. Und dann ahnen viele: Vielleicht stimmt es doch, dass wir alle miteinander hinein gestellt sind in ein großes, umfassendes heiliges Geheimnis, das Liebe ist.
Das Feiern spiegelt den Glanz des Schönen
Und ich meine Geheimnis nicht im Sinn von Rätsel, sondern da steckt das Wörtchen „Heim“ drin. Wir spüren: Es gibt womöglich doch eine Wirklichkeit, die größer ist als wir selbst, und in dieser Wirklichkeit sind wir irgendwie daheim. Sie ist ein Ort unserer Sehnsucht. Und diese Wirklichkeit, dieses Geheimnis, wird uns vielleicht an Weihnachten ganz besonders spürbar. Weil wir alle miteinander einige Wochen lang auf dieses Fest zugehen.
Weil wir uns öffnen, weil wir miteinander eine Erwartungshaltung haben. Und uns vorbereiten und uns freuen. Und dann spüren viele, auch wenn sie vielleicht nicht alles glauben, aber sie spüren: Weihnachten ist einfach mehr als nur Party. Und dann zieht es viele eben doch in die Kirche. Weil sie merken oder hoffen: Womöglich treffe ich hier auf dieses „Mehr“, auf dieses „Tiefer“, auf diesen „Reichtum“.
Das negative Kirchenbild vieler junger Menschen
Und ich freue mich dann ganz ehrlich darüber, dass diese Hoffnung bei vielen noch da ist. Dass sie dann alle da sind. Und vor allem freue ich mich dann, dass auch viele junge Menschen darunter sind. Denn für junge Menschen ist es heute oft besonders schwer, irgendwie zur Kirche zu stehen, irgendwas mit Kirche zu tun zu haben. Das Image von Kirche ist unter jungen Leuten von heute nicht wirklich gut.
Mir ist völlig klar, dass Kirche unter normalen jungen Leuten von heute einen schlechten Ruf hat. Und Ihr seid auch alle junge Menschen dieser Zeit und dieser Welt. Da ist das Bekenntnis zum Glauben schwer. Man hört so viele Dinge über Kirche, die komisch klingen oder von gestern scheinen: Wie die Kirche Sexualität versteht, warum Priester alleine leben sollen, warum es keine Frauen als Priesterinnen gibt und anderes mehr. Alles unverständlich. Und ich kann das verstehen, vor allem dann, wenn man als junger Mensch über Kirche vor allem oder manchmal nur noch solche Dinge weiß, aber nicht mehr, worum es eigentlich geht. Nur wie kommt man da hin? Wie findet man vor allem innerlich zum Eigentlichen?
Der Glanz des Schönen in der Kirche
Ein Weg, der mir und anderen geholfen hat, ist das Schöne: Schaut Euch diese Kirche an, die zur Ehre Gottes gebaut ist. Ist die nicht unfassbar schön? Schaut Euch die christliche Kunst durch alle Jahrhunderte an. Wie großartig! Schaut Euch christliche Architektur und Literatur an – und ihr findet darunter die schönsten Kunstwerke, die je von Menschenhand geschaffen wurden. Hört die Musik von Mozart, von Bach, von Haydn, von Schubert und vielen, vielen anderen.
Und jeder, der ein Gespür dafür hat, wird sagen: Wie schön. Meine Lieben, Kunst, wenn sie wirklich den Namen verdient, drückt eine Überzeugung vom Innern der Künstler aus, gibt dem Schönen, dem Tiefen in sich eine äußere Gestalt, zu der man sagen kann: Wie schön. Wir haben in unserer Kirchengeschichte mit die größten Geister, die größten Künstler, die größten Musiker, Baumeister, Dichter und viele andere versammelt. Und alle haben aus tiefer innerer Überzeugung großartige Kunst geschaffen.
Schön handeln
Oder es gibt in unserer christlichen Kultur auch Menschen, die handeln nicht einfach nur gut oder richtig, sondern in einem tiefen Sinn des Wortes „schön“. Ich habe die Schwestern der Mutter Teresa kennen gelernt, die sich wirklich um die Armen, um die ganz Elenden, gekümmert haben, um die sich sonst niemand kümmert. Und ich habe mir immer wieder gedacht, wenn ich sie bei ihrem Tun gesehen habe: Wie ist das schön.
So ein Tun ist nicht einfach nur richtig oder anständig. Sondern eben schön. Es kommt etwas von der tiefsten Menschlichkeit zum Ausdruck, von dem, was Menschen von Innen her schön macht. Ich durfte auch Mutter Teresa selbst begegnen, die von ihrem Glauben her wirklich super katholisch war. Und ich habe in ihr altes verrunzeltes Gesicht gesehen und mir gedacht: Wie ist das schön.
Was macht die Schönheit aus?
Und nun kann man fragen: Haben diese Menschen, die schön handeln oder so wundervolle christliche Kunst hervorbringen, haben denn die unsere Fragen an die Kirche gar nicht? Können die nicht denken? Wie sind die denn mit den Fragen zur Sexualität und zu Frauen und zum Zölibat umgegangen? Wisst Ihr, ich bin davon überzeugt, dass das nicht ihre wichtigsten Fragen sind oder waren.
Zu ihren wichtigsten Fragen gehörte eher die: Was ist denn da an Weihnachten vor 2000 Jahren wirklich passiert? Kann es sein, dass da wirklich Gott in die Welt gekommen ist? Und kann es wirklich sein, dass die Kirche, die Glaubenden wirklich eine Gemeinschaft sind, in der man das immer wieder erfahren kann: Dass Gott lebt und dass er da ist? Und tatsächlich, die großen Künstler und die Menschen, die ich schön genannt habe, die haben das erlebt.
Jesus lebt
Die haben erlebt: Jesus lebt. Er lebt in ihren Herzen und er lebt in ihrer Kirche, er ist wirklich da. Er trägt sie. Sie sind innen angekommen und haben in ihren Herzen eine Hoffnung, eine Freude, eine Schönheit und Wahrheit erfahren, die sie leben, die sie zeigen. Und ich darf euch auch wirklich ehrlich sagen: Von dort, von diesem Innen her, schauen die Antworten auf die Fragen, die ich oben aufgezählt habe, noch einmal ganz anders aus. Und außerdem werden sie weniger wichtig.
Wisst Ihr, ich glaube wirklich, dass unsere Kirche Menschen braucht, auch und vor allem junge Menschen, die sich von dem anrühren lassen, was wir an Weihnachten feiern: dass Gott unter den Menschen Wohnung genommen hat. Und dass er im Herzen jedes Menschen Wohnung nehmen will, der sich ihm öffnet, der sucht nach der Quelle von dem, was wirklich tief macht und schön und voller Liebe und Frieden. Das wünsche ich Euch sehr. Und dass Ihr in diesem Sinn frohe Weihnachten erleben dürft. Voller Segen und voller Schönheit.