Warten auf die Priesterweihe: Der Weg zum Priesteramt und der Advent. Die Predigt von Bischof Stefan Oster anlässlich der Beauftragung der Priesteramtskandidaten für den Dienst als Lektoren und Akolythen 2015.
Liebe Seminaristen, liebe Mitbrüder, lieber Herr Regens, liebe Angehörige unserer Seminaristen, liebe Schwestern und Brüder im Glauben,
im Grunde ist das Priesterseminar ein Ort der Erwartung, ein Ort des Advents. Sie warten, Sie gehen Ihren Ausbildungsweg. Sie brauchen Kraft und Geduld, Sie brauchen heutzutage auch besonders Mut.
Und Sie brauchen vor allem einen langen Atem. Der Weg ist weit bis zum Ausbildungsziel, bis zur Weihe. Im Advent warten wir auf den Herrn und nach dem heutigen Evangelium hat die schwangere Mutter des Herrn auch schon einen weiten Weg zurück gelegt, bis zu ihrer Verwandten Elisabeth im Bergland von Judäa. Sie ist in Erwartung, ebenfalls nach einem nicht leichten, beschwerlichen Weg.
Das Warten auf das Priestersein
Und im Grunde zeigt auch diese schöne Begegnung zwischen den zwei Frauen etwas von der innersten Mitte auf, worum es auf dem Weg zum Priestersein und auch im Priestersein selbst geht: Die beiden Frauen loben und preisen den Herrn, aber besonders der Sohn der Elisabeth, Johannes der Täufer, ist offenbar der allererste Marien-Verehrer, weil er als Kind schon im Bauch der Mutter hüpft als er die Stimme Mariens hört.
Er, der der letzte große Prophet des Alten Bundes sein wird und machtvoll für Jesus den Weg bereiten wird. Er erkennt jetzt schon im Hl. Geist: Hier ist der Anbruch des Neuen, der neuen Schöpfung, der Anbruch der erlösten Welt. Hier ist Maria, das heile, erneuerte Geschöpf, so heil, dass in ihr Gott selbst Wohnung genommen hat.
Noch müssen wir warten, noch ist Advent
Aber es ist Advent, oder es ist noch Zeit der Schwangerschaft, in Maria wohnt der Herr noch im Verborgenen, er ist im Kommen. Und im Grunde, meine Lieben, könnte man sagen: Auch nach dem ersten Kommen Jesu vor 2000 Jahren und vor seiner Wiederkunft am Ende der Zeit, leben wir auch alle bleibend im Advent. Nicht nur als Kandidaten des Priesterseminars.
Sondern Sie werden auch danach, nach dem großen Fest der Weihe und der Primiz, nach den neupriesterlichen Jubelwochen, auch danach, spätestens dann, wird wieder und wieder Advent sein, Zeit des Wartens. Im Grunde kann man sogar sagen: Wir Menschen, die von anderen als „Geistliche“ bezeichnet werden, wir sind die Experten im Warten, die Experten des Advents. Nicht nur, aber auch. Wie kann man das verstehen?
Was heißt es, Experte im Warten zu sein?
Nun, unser ganzes Leben ist in dieser geschichtlichen Zeit ein Leben in einer Welt, in der Gott zwar geheimnisvoll schon anwesend, aber eben dennoch auch bleibend verborgen ist. Alles, was wir erhoffen, was wir glauben, wird erst dann vollends Wirklichkeit werden, wenn der Herr wiederkommt. Wenn er unsere Welt erneuert, wenn sichtbar wird, dass im Grunde die ganze Schöpfung auf ihn hin verwiesen hat, dass im Grunde alles, was es in dieser Welt gibt, Zeichen, Spur seiner Gegenwart ist, schon jetzt.
Und priesterlicher Dienst heißt unter anderem: Ein lebendiger Verweis auf diese Wirklichkeit sein, die schon da ist, die aber auch verborgen ist. Es ist eine geistige Wirklichkeit, die sich in äußeren Zeichen manifestiert. Das für uns zunächst eindringlichste äußere Zeichen ist der Mensch selbst, sind wir selbst.
Materielle und geistige Wirklichkeit
Jeder Mensch ist von außen her gesehen, ein Verweis auf das, was in uns ist. Wenn Sie mich hier sehen, wenn Sie mich sprechen hören, dann hören und sehen Sie zunächst nur eine materielle Wirklichkeit. Aber Sie gehen selbstverständlich davon aus, dass hinter dem, was Sie da als sich bewegenden Körper von mir wahrnehmen, dass hinter dem auch eine geistige Wirklichkeit lebt, die wir Person nennen.
Ich bringe durch mein Sprechen die Luft in Bewegung, Sie alle hören mit leiblichen Ohren die Schwallwellen, aber Sie extrahieren aus dem, was Sie da sinnlich hören, eine geistige Bedeutung. Die ganze Wirklichkeit des Menschen ist erfüllt von geistiger Bedeutung! Man kann sogar noch weiter gehen und sagen. Alles, was es in der Welt gibt, spricht in geheimnisvoller Weise, es hat etwas zu sagen, zu bedeuten. Es trägt in seiner materiellen Gestalt einen geistigen Gehalt in sich.
Verweis auf die Gegenwart Gottes in der Welt
Und die Aufgabe eines Christen und mehr noch eines Priesters, die geht nun darüber hinaus: Sie soll ein Verweis dafür sein, dass nicht nur menschlich-geistige Wirklichkeit da ist, wie bei jedem Menschen, sondern sie soll ein Verweis auf die Gegenwart des Geistes Gottes in unserer Welt sein.
Der Geist lebt in Ihnen allen, Gott hat uns beauftragt, Menschen seines Geistes zu sein, Kinder seines Geistes. Und der Priester wird nun noch einmal vollends in diesen Dienst genommen.
Noch einmal: Wir sagen, er ist von Beruf ein Geistlicher, also ein Mensch, der über sich selbst und seinen eigenen Geist hinaus ein Verweis ist auf die Gegenwart des Geistes Gottes. Der Priester spendet die Sakramente: In ihnen entfaltet sich die Kraft des Geistes Gottes. Der Priester verkündet das Wort Gottes. Durch dieses Wort sollen Menschen berührt werden von der Kraft des Geistes Gottes.
Warten in Schritten: auf dem Weg
Auf dem Weg zum Priestertum werden heute einige von Ihnen betraut mit der Aufgabe, im Gottesdienst den Lektorendienst zu übernehmen oder als Akolythen zum Beispiel die Kommunion auszuteilen oder sie zu den Kranken zu bringen. Was für eine Ehre: Sie dürfen Wort und Sakrament vermitteln, Gottes Gaben verschenken. Und wir spüren: Wir haben dafür auch besondere Verantwortung. Aber wir dürfen auch froh sein, dass der Geist durch sein Wort und sein Sakrament auch dann wirkt, wenn wir selbst mal weniger geistvoll sind.
Und dennoch, meine Lieben, wir wissen dennoch, die Menschen sehnen sich danach, Dienern des Wortes und Dienern des Sakramentes zu begegnen, bei denen man spürt, dass Sie diese Wirklichkeit selbst kennen, mit der Sie da umgehen. Die Frage an die Lektoren darf also sein: Wisst Ihr, was Ihr da lest? Habt Ihr es im Herzen erfasst? Und bringt Ihr es so voll Ehrfurcht zum Ausdruck, dass man spüren kann, der lebt selbst auch in dieser geistlichen Welt, von der im Wort Gottes die Rede ist? Und für die Akolythen gilt ähnliches: Spüren die Menschen, dass Ihr Umgang haben dürft mit dem Heiligen, mit Gott im Sakrament.
Der Weg zum Ziel
Der Weg zum Priestertum ist im Grunde der Weg zu dem Ziel, das da heißt: Selbst Sakrament werden! In der Eucharistie stellt der Priester den Herrn sakramental dar. Wenn er handelt und die Sakramente spendet, spielt er nicht einfach etwas nach, sondern Jesus handelt durch ihn. Es ist daher auch an uns, immer mehr in diese Wirklichkeit hineinzuwachsen, damit die Menschen auch durch unseren Dienst spüren dürfen: Der Herr ist da.
Freilich, meine Lieben, auch das ist bleibender Advent, auch das Handeln als Priester ist bleibendes Handeln im Zeichen, wir sind Verweis auf den Herrn, glaubender und hoffender Verweis, dass er da ist und dass er wiederkommen wird. Aber unser eigenes geistliches Leben, die innere Qualität unserer Beziehung zum Herrn, trägt dazu bei, dass wir auch in dieser Welt schon tiefe Freude, innere Gewissheit und wachsende Liebe zum Herrn und zu den Menschen erfahren dürfen.
Begleitung im Warten
Lieber Herr Regens, lieber Herr Subregens, Sie beide begleiten nun seit einigen Monaten schon unsere Seminaristen und die Propädeutiker. Ich bin dankbar, dass wir auch Sie heute bei dieser schönen Gelegenheit ebenfalls in Ihren Dienst einführen können. Sehr dankbar bin ich Ihnen für Ihre Verfügbarkeit in Ihrem Dienst. Ich spüre, wie Sie sich jetzt schon schnell und intensiv in die neue, wichtige Aufgabe eingearbeitet haben – und wie Ihnen darin von vielen Seiten Dankbarkeit und Wohlwollen entgegen kommt.
Gerne möchte ich auch für Sie bei dieser Gelegenheit den Segen unseres Gottes erbitten. Sie haben die Wirklichkeit und auch die Alltäglichkeit des priesterlichen Lebens schon zur Genüge erleben können, Sie wissen, dass es bisweilen auch ein beschwerlicher Weg über die Berge ist, oder auch ein Weg, der Geduld braucht und Mut.
Ein Weg durch den Advent, ein Weg, der das Warten zur Lebensform werden lässt. Aber es ist ein Warten, das wir deshalb leben können, weil wir im Glauben schon geschmeckt, schon gespürt haben, welche Fülle einmal auf uns wartet. Auf uns und auf alle, die dem Herrn mit freudigem Herzen entgegen gehen. Amen.