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Grund zur Freude: Der Herr ist nahe

Grund zur Freude: Der Herr ist nahe. Die Predigt von Bischof Stefan Oster anlässlich der Wiedereröffnung der Kirche St. Ulrich in Kirn 2015.

Liebe Schwestern, lieber Brüder,
hier aus der Pfarrei St. Ulrich in Kirn und Umgebung. Sowohl der Prophet Zefanja wie auch der Apostel Paulus haben uns heute in den beiden Lesungen zugerufen: Freut Euch! Freue dich, Tochter Zion, sagt der Prophet dem Volk Israel, denn der Herr ist in Deiner Mitte. Und Paulus wiederholt es mit ganz ähnlichen Worten: Freut euch, der Herr ist nahe. Liebe Schwestern und Brüder, wie ist das bei uns mit der Freude, welchen Grund sollen wir in unserer Kirche haben, welchen Grund zur Freude?

Welchen Grund zur Freude haben wir in unserer Kirche?

Nun einer ist heute ganz offensichtlich: Sie haben Ihre Kirche wieder, die Innenrenovierung ist abgeschlossen, sie strahlt in neuem Glanz. Wie schön: ein Gottesdienstraum mitten in Ihrem Dorf. Aber, liebe Schwestern und Brüder, dieser Grund zur Freude ist zwar schön und tief berechtigt, aber es ist noch nicht der Grund, der den Hl. Paulus angetrieben hat, die Philipper aufzurufen, sich zu freuen.

Er tut das mit Nachdruck, mit Wiederholung. Und er sagt zunächst nicht: Freut euch, dass Eure Kirche so schön renoviert ist. Er sagt: Freut euch, der Herr ist nahe. Und über diese Aussage möchte ich mit Ihnen noch ein wenig tiefer nachdenken. Welche Konsequenzen hat das für uns, wenn wir glauben und hoffen, dass der Herr nahe ist?

Freut euch, der Herr ist nahe

Wenn wir diesen Aufruf heute am 3. Adventssonntag hier in Kirn hören, denken wir zurecht an Weihnachten und wir freuen uns auf das Christkind. Und auf alles, was damit zusammenhängt. In weniger als zwei Wochen ist es so weit. Freut euch, der Herr ist nahe.

Aber wenn wir weiterdenken, dann wissen wir auch, dass Paulus das Ganze in einen weit größeren Kontext gestellt hat: Er hat ja damals noch gar kein Weihnachten gefeiert. Das Fest war in den 50er Jahren des ersten Jahrhunderts, in denen Paulus seine Briefe geschrieben hat, noch lange nicht etabliert, nicht bekannt. Er schreibt dennoch: der Herr ist nahe. Freut euch.

Von Jesus getragen gut sein

Und er macht das Ganze noch tiefer: In wenigen Sätzen entfaltet er, was eigentlich aus dieser Freude erwächst. Er sagt: „Eure Güte werde allen Menschen bekannt.“ Paulus geht davon aus, dass es ein inneres Bewusstsein, eine Haltung des Glaubens gibt, die den Menschen gut, die ihn gütig machen kann.

Man kann mit ihm zusammen sagen: Wer sich getragen weiß, im Herzen. Wer aus dem Vertrauen lebt, dass er von woanders her getragen und gehalten ist, der kann gut geben und der kann sich selbst gut geben. Der muss sich nicht selbst dauernd festhalten und seinen Besitz und auch nicht seine echten oder vermeintlichen Sicherheiten. Er ist frei, frei durch die Nähe Gottes. Er kann gütig, großherzig sein.

Auch Vertrauen ist ein Grund zur Freude

Paulus ist aber noch nicht fertig mit seiner kurzen Beschreibung. Er ergänzt: „Sorgt euch um nichts, sondern bringt in jeder Lage betend und flehend eure Bitten mit Dank vor Gott!“ Aus meiner Sicht spricht hier ein unglaubliches Vertrauen aus den Worten des Apostels. Wer aus dem Glauben an die Nähe des Herrn lebt, der kann nicht nur gut sein, er darf und kann auch alle seine Sorgen auf ihn werfen. Der kann und darf auch innerlich frei werden von Sorgen.

Nicht so, dass ihm alles egal wäre, aber so, dass das, was ihn sorgt und ängstigt, dass all das seinen letzten Stachel verloren hat. Er weiß ja, wohin damit: Er kann immer alles, mit Flehen, bittend und mit Dank vor den Herrn bringen. Liebe Schwestern und Brüder, Paulus schreibt uns heute von einem Glauben, der ein riesiges Geschenk an uns alle ist, ein Angebot Gottes: „Wenn Du Dich wirklich auf mich einlässt, sagt Gott, wenn Du Dein Leben auf mir aufbaust, dann trage ich Dich, dann nehme ich Dir Ängste, dann schenke ich Dir Frieden.“

Paulus schließt nämlich diese kurze Passage ab mit dem Satz: „Der Friede Gottes, der alles Verstehen übersteigt, wird eure Herzen und eure Gedanken in der Gemeinschaft mit Christus Jesus bewahren.“

Wissen wir, zu wem wir gehören?

Aber, liebe Schwestern und Brüder, das ist meine Frage in so vielen Begegnungen mit unseren Christen und Christinnen von heute: Stimmt das? Hat Paulus recht? Ist das ein Erfahrungshintergrund von uns? Wissen wir, zu wem wir gehören? Ist es so, dass wir wirklich den Frieden im Herzen haben, weil wir Jesus kennen und lieben und zu Ihm gehören? Ich bin wirklich sehr froh, dass Sie hier in Kirn so eine schöne, nun runderneuerte Kirche haben und einen neuen Ambo, den ich segnen durfte.

Und ich habe gehört, wie groß die Spendenbereitschaft war und ist, wie intensiv die Bereitschaft bei den Hand- und Spanndiensten mitzuhelfen. Soviel ist hier ehrenamtlich passiert! Liebe Schwestern und Brüder, das ist für mich ein wichtiger Hinweis darauf, dass Freude am Glauben da ist, das Bewusstsein dafür auch, wie wichtig eine Kirche als geistlicher Mittelpunkt in einem Dorf ist. Ich spüre, dass auch Sehnsucht darin liegt, Sehnsucht nach Tiefe, Sehnsucht nach Mehr.

In schwierigen Zeiten nicht den Grund zur Freude verlieren

Andererseits wissen Sie alle, dass wir in schwierigen Zeiten leben, dass unser Glaube angefochten ist, dass viele Menschen der Kirche den Rücken kehren, dass wir, auch wir Priester und Bischöfe, uns immer neu Fragen nach unserer Glaubwürdigkeit stellen müssen.

Ich danke daher zunächst allen, die Sie alledem, was unseren Glauben und die Kirche anfragt, Stand halten, dass Sie dennoch treu sind. Und wenn ich ehrlichen Herzens danke, dann nicht deshalb, weil es zuerst um die Kirche als Institution ginge, oder einfach nur um den Erhalt um Einfluss in der Gesellschaft oder gar um Macht. Es geht wirklich um Jesus, um Gott. Er wohnt unter uns in seinem Volk. Wahrhaftig.

Den Herrn suchen und neu entdecken

Und ich möchte Sie einladen, liebe Schwestern und Brüder, vertiefen Sie miteinander den Glauben, suchen Sie, entdecken Sie den Herrn neu. Wir haben im Evangelium von Johannes dem Täufer gehört, dieser adventlichen Gestalt. Er sagt darin, dass er nur mit Wasser tauft, dass aber nach ihm einer kommen wird, der mit dem Hl. Geist und mit Feuer taufen wird.

Liebe Schwestern und Brüder: Das sind wir! Wir haben die Taufe aus dem Hl. Geist empfangen. Meine Frage an mich selbst und uns alle lautet: Wie finden wir dahin, dass Menschen an uns spüren, der oder die ist mit dem Hl. Geist und mit Feuer getauft? Der hat den Herrn im Herzen, der kennt ihn und wenn er von ihm spricht, dann spürt man, dass er ihn wirklich liebt, dass er sein Leben tief bereichert und beschenkt hat.

Wenn andere an uns so etwas spüren, meine Lieben, dann sind wir attraktiv. Nicht, weil wir zuerst so eine schöne Kirche haben, sondern weil die schöne Kirche so belebt ist von Menschen, die Gott suchen, die ihn aber auch schon gefunden haben. Deren Suche nur immer neue Vertiefung ist, weil sie spüren, dass durch die Begegnung mit dem Herrn die Sehnsucht nach Ihm nicht kleiner, sondern größer wird.

Anbetung vertiefen

Pfarrer Kieweg hat mir von einer Initiative erzählt: Er möchte die Anbetung vertiefen. Wie schön. Liebe Schwestern und Brüder, nehmen Sie diese Einladung an. Schenken Sie dem Herrn Zeit, einfach weil Sie Ihn lieben und weil Sie sich nach mehr von Ihm sehnen.

Wir haben den Ambo gesegnet, den Ort, von dem Sein Wort verkündet wird. Nehmen Sie es als Einladung, sein Wort auch zur Hand und vor allem sich zu Herzen zu nehmen. Lernen Sie die Schrift entdecken und darin Gott selbst zu uns sprechen. Wenn solche Dinge wachsen, dann wird die Kirche nicht nur äußerlich, sondern auch innerlich neu.

Barmherzigkeit: Grund zur Freude

Wir haben eben das Heilige Jahr der Barmherzigkeit eingeläutet. In unserem Bistum wird es viele Initiativen dazu geben. Ich freue mich, wenn es auch hier in Kirn und im ganzen Pfarrverband für Sie alle Gelegenheiten gibt, sich neu von der Barmherzigkeit Gottes beschenken zu lassen – und sie an andere weiter zu schenken.

Ihre Kirche ist neu, liebe Schwestern und Brüder, nehmen Sie es zum Anlass, sich auf Entdeckungsreise der Kirche Ihres Herzens zu machen: Der Herr wohnt in Ihnen und er sehnt sich danach, dass die Welt das wahrnimmt. Ich wünsche Ihnen allen, ein gesegnetes Jahr der Barmherzigkeit und ein gesegnetes Zugehen auf Weihnachten – hier in Ihrer neuen Kirche und im gesamten Leben Ihrer Pfarrei und des Pfarrverbandes. Amen.