Will Gott das Leid? Über Katastrophen und die Heimat beim Vater. Eine Predigt von Bischof Stefan Oster anlässlich der Flutkatastrophe im Raum Passau 2016.
Liebe Schwestern, liebe Brüder im Glauben,
„der Herr war nicht im Sturm“, haben wir in der Lesung aus dem Buch der Könige gehört, in dem uns die Geschichte des Propheten Elija erzählt wird. Der Herr war nicht im Sturm, nicht im Erdbeben, nicht im Feuer, er war vielmehr im leisen Säuseln des Windes. Und Elija nimmt ihn und seine Herrlichkeit darin wahr, erst nachdem er lange durch die Wüste marschiert ist, nachdem er lange alleine war, nachdem er sich am Ende in eine Höhle zurück gezogen hatte.
Wo ist Gott bei Katastrophen?
Liebe Schwestern und Brüder, lässt uns dieses Wort „Der Herr war nicht im Sturm“ nicht unweigerlich an die jüngsten schrecklichen Ereignisse in Simbach, in Triftern, in Anzenkirchen und anderen vom Hochwasser so betroffenen Orte in unserer Umgebung denken? Der Herr war nicht im Sturm, heißt es in der Lesung.
Warum lässt Gott Katastrophen zu?
Und ich betone das, weil wir uns fragen: Warum lässt Gott solche Katastrophen zu, warum lässt er Leid solchen Ausmaßes zu, warum den plötzlichen Tod von sieben Menschen? Warum lässt er zu, dass ältere Menschen oder Familien oder Geschäftsleute ihr Haus, ihren Laden, ihr Hab und Gut verlieren? Schickt uns Gott dieses Unglück? Oder ist er auch hier „nicht im Sturm“?
Nun, es gibt in der Bibel, überwiegend im Alten Testament, durchaus Texte, die das nahelegen könnten, dass Gott so etwas schicken könnte. In solchen Texten wird die Überzeugung ausgedrückt, dass Gott der große Souverän ist in allem und daher im Letzten auch verantwortlich für Unglücke. Und diese Texte bringen dann häufig zum Ausdruck, dass Gott solche Unglücke benutzt, um den Menschen zu strafen oder ihn zurück zu bringen auf die rechte Bahn.
Das Neue Testament sieht von Christus her
Im Neuen Testament aber sehen wir zumeist weiter und tiefer, weil alles von Jesus her gedeutet wird. Das neue Testament betont deutlicher und intensiver, dass im Grunde die ganze Welt in Unordnung geraten ist, dass sie erlösungsbedürftig ist, ungerecht und nicht mehr einfach heil ist.
Von Jesus her sehen bedeutet: Er ist in die Welt gekommen, nicht um sofort einfach alles Unglück und Unheil wegzunehmen, das sich ereignen könnte, sondern um zuallererst den zentralen Knotenpunkt der ganzen Schöpfung zu heilen: das Herz des Menschen, unser Herz!
Die Welt wird nur von innen her heiler
Die Welt wird gewissermaßen nur von innen nach außen heiler, tiefer, gerechter. Nicht einfach durch äußere Beseitigung des Unheils. Ja, es stimmt, Jesus hat viele Kranke geheilt, auch physisch. Aber in alledem hat er auch durch solche Heilungen deutlich gemacht, dass er das Herz des Menschen sucht, dass er es erneuern, dass er es mit Gott versöhnen will.
Er will dem Menschen neue, tiefe innere Heimat schenken – beim Vater. Er will den Menschen überführen vom Zustand eines Waisenkindes, das den Schicksalsmächten der Welt und der Natur hilflos ausgeliefert ist, in den Zustand eines Gotteskindes, das weiß, dass es einen Vater hat, auch dann noch, wenn äußerlich die ganze Welt in Unordnung ist.
Der Heilige Geist ist eine Erstlingsgabe, die wir von Jesus empfangen haben, sagt Paulus. In diesem Geist lernen wir vertrauen, zu wem wir gehören, auch dann, wenn die Zeiten schwierig sind. Aber vollständig heil wird alles erst, wenn wir einmal bei ihm ganz daheim sein werden. Nur: bis dahin werden sich in dieser Welt, die grundsätzlich in Unordnung ist, auch weiterhin Unglücke und Katastrophen ereignen.
Gott will nicht das Leid, sondern das Heil
Aber wir dürfen aus der Sicht Jesu sagen: Gott will dieses Leid nicht und auch nicht das Unglück, er will vor allem anderen unser Heil. Und das Heil ist aus der Sicht Gottes zuallererst das erneuerte Herz, das weiß, wohin es gehört: zum Vater. Aber damit wir das lernen, damit wir verstehen, wohin wir gehören, kann Gott im Grunde alles auf der Welt verwenden.
Alles weist direkt oder indirekt auf den Schöpfer hin, wenn wir es mit dem Herzen sehen lernen. Das Schöne und Gute sowieso. Aber nicht selten eröffnet gerade die Erfahrung von Leid für uns Menschen die Möglichkeit, eben neu auf ihn zu hören, besser auf ihn zu hören, uns tiefer auf ihn einzulassen.
Warum? Weil wir in Zeiten, in denen alles nur blendend läuft, unseren Vater allzu leicht vergessen! Weil wir uns dann allzu leicht fest halten am bloß Weltlichen. Aber wenn wir mitten in der Erfahrung von Unglück gar nicht mehr wissen, wohin, dann lernen wir womöglich leichter und neu ein Vertrauen, das sagt: „Bei ihm, bei Gott und nur bei Ihm können wir daheim sein, selbst wenn um uns die ganze Welt zusammenbricht.“
Ein tragender Glaube hilft in Katastrophen
Haben wir das nicht auch schon festgestellt, liebe Schwestern, liebe Brüder, dass Menschen, die einen tiefen Glauben, eine intensive Gottesbeziehung haben, irgendwie besser durch Phasen des Leides kommen, durch Zeiten des äußeren Unglücks, der Krise? Haben wir nicht ein Gespür dafür, dass sie weniger leicht verzweifelt sind, dass sie sogar anderen im Unglück noch Kraft geben können?
Und ist es nicht auch so, dass durch Leid und Unglück für einen Menschen, der nicht glaubt, die Stimme Gottes manchmal lauter hörbar wird als sonst? Weil so ein Mensch in der Not oft offener ist für Tieferes? Weil ihm manches genommen wurde, an was er sich sonst klammern könnte? Haben Sie nicht auch schon erlebt, dass Gott mitten im Unglück wirklich Heil wirken konnte, weil sich ein Mensch in seiner Not neu mit Gott versöhnt und den Frieden gefunden hat?
Gott trägt im Kreuz unsere Katastrophen mit
Liebe Schwestern und Brüder, wir leben in einer Welt, die nicht nur, aber auch voller Leid, voller Krankheit und oft auch voller Katastrophen ist. Gott will das nicht, aber Gott hat in Jesus selbst die Katastrophe des Kreuzes auf sich selbst genommen, er hat das grausame Todesurteil übernommen, ist den Tod des Menschen gestorben, um uns zu zeigen: Mitten darin, mitten im Unglück, mitten in der Krankheit, mitten im Kreuz, kann sich eine Quelle des Heils öffnen.
Ungeahnt, tief, voller Frieden. Jeder von uns, liebe Schwestern und Brüder, hat schon seine eigenen kleineren oder größeren Katastrophen erlebt oder wird sie erleben. Und jeder von uns ahnt vermutlich das Geheimnis, dass wir als Menschen nicht dann wirklich reifer werden, wenn alles immer nur glatt läuft.
Wachsen im Vertrauen auf den Herrn
Sondern wir reifen vor allem dann, wenn wir lernen, uns in den schweren Zeiten auf den Herrn zu verlassen. Nach dem letzten großen Krieg beispielsweise waren unsere Kirchen voll, voller Menschen, die sich wirklich von Herzen an Gott gewendet haben.
Und ich bin sicher, dass es diese verwundeten, offenen Herzen waren, die mitgeholfen haben, ein Land aufzubauen, in dem neu Solidarität spürbar wurde, in dem auch echte Umkehr war, angesichts des Grauens, den Deutschland damals über die Welt gebracht hatte. Und ist es nicht auch heute so, dass gerade im Unglück der derzeitigen Hochwasserkatastrophe so viel Hilfe, Hilfsbereitschaft und neue Hoffnung freigesetzt wurde und wird?
Das Leid verliert seinen letzten Stachel
Meine Lieben, wir sind hier, um miteinander an die Quelle zu gehen, hin zum Kreuzesopfer Jesu für uns. Sein Tod am Kreuz wird uns zum Brot des Lebens, das Blut des Lammes wird zum Kelch des Heiles. Aus der geöffneten Seite Jesu am Kreuz, aus seinem geöffneten Herzen entspringen die Sakramente der Kirche. In seinem Kreuz ist Heil, im Kreuz schenkt er sich uns ganz.
Und wenn wir uns in unserem eigenen Kreuz mit dem Herrn verbinden, wenn wir als Antwort auf sein Kreuz unser Leben Ihm in die Hände legen, wenn wir Ihn lieben, Ihm vertrauen, Ihn anbeten, dann wirkt er immer neu das Heil in uns, dann kommt der Segen, dann kommt der Frieden – mitten hinein in eine Welt, in der immer noch Leid herrscht, immer noch Kriege und Unglücke passieren. Aber dem, der mit Christus ist, für den kann alles Leid den letzten Stachel verlieren.
Gebet für die von Katastrophen Betroffenen
In dieser Heiligen Messe beten wir ganz besonders um das Heil für uns und unsere Lieben, und besonders auch für die, die von der Hochwasserkatastrophe bei uns so schwer betroffen sind. Wir beten dafür, dass der Herr unsere Herzen an Seines zieht und Heilung schenkt.
Wir beten darum, dass er uns allen einen neuen Aufbruch des Glaubens schenkt, dass er uns allen hilft zu beten, dass er uns hilft, in seinem Geist zu wachsen. Und wir dürfen auch mit allen unseren Gebrechen an Leib und Seele kommen und sie ihm hinhalten mit der Bitte um Heilung an Leib und Seele. Herr schenke uns Dein Heil – und lass uns vor allem durch Dich mit dem Vater versöhnt sein. An unserem Leben soll für alle deutlich werden, dass wir Deine Kinder sind. Amen.
Kommentare
Lieber Herr Bischof innigen Dank für diese Botschaft der überaus reichen Gnade.
Mitten im Leid noch den Sinn zu erkennen- Christus selbst, ist die unverzichtbare Hoffnung unseres Glaubens.
Gott spricht mitten ins Leid hinein und gibt Hoffnung. schenkt Errettung im Blick auf die Ewigkeit.
Der hl.Geist hat diesen Gottesdienst spürbar getragen und mögen wir bedenken,dass Gott dort wo er selbst in großer Not angerufen, im Leben und Gottesdiensten angebetet und geehrt wird , als Person im hl.Geist anwesend ist! Welch unfassbaren Wunder des Allerheiligen Gottes.
Viel zu oft betrachten wir das Sichtbare nicht nur in Katastrophen , auch im Gottesdienst.
Das Gott anwesend ist,möge wieder mehr ins Bewußtsein gelangen.!
„Ich bin bei Euch,alle Tage“ Welch ein Trost und Segen
Gott war da an diesem Abend und mit Ihm 1000 Engel Gottes.
Möge der Herr für diese Gnade über alles vergängliche hinaus gepriesen sein.
„Wer Ohren hat der höre“das Stille säuseln!
Ein Abend an dem die Zeit aufhörte zu existieren und viele Gläubige in ein Stück des Reiches der Himmel versetzt wurden und Gott selbst Herzen erneuerte.
Mit Gott sind 1000 Jahre wie ein Jahr und 5Std wie Eine.
Mögen wir uns in jedem Gottesdienst wieder bewust an die lebendige Anwesenheit Gottes erinnern.Gott ist wahrhaft da!
Er kommt uns entgegen,nicht nur im Sichtbaren auch im Transzendenten.
Er wohnt an solchen Tagen mitten unter uns,es ist wie ein Moment im Paradies,dort wo das Unheil der Sünde noch keine Wirksamkeit hatte.
Mögen uns Menschen die Sünden vergeben sein..
Vergelt’s Gott! Amen
Lieber Herr Bischof, dankbar darf ich bitte auf eine sehr bewegende Predigt von Dr.Johannes J.Kreier/bezugnehmend auf Ihre gesegneten Worte f You hinweisen Auf YouTube „Ich befehle Dir steh auf“Möglicherweise auch ein sehr bewegender Gedanke zum bevorstehenden Gedenkgottesdienst in Simbach
Mit Gottes Segen
GW