Muhammad Ali ist tot. War er der Größte? Gedanken von Bischof Stefan Oster über die Urteile nach dem Tod des berühmten Boxers 2016.
Das Folgende sage ich, ohne je selbst ein Urteil über die „Größe“ des verstorbenen Boxers Muhammad Ali fällen zu können und zu wollen. Aber die im Augenblick seines Todes beinahe einhellige Ansicht quer durch viele Medien und in vielen öffentlichen Stimmen, er sei „der Größte“ gewesen, macht mich nachdenklich.
Das öffentliche Lob auf Muhammad Ali
Der größte Boxer, der kompletteste Athlet, der Sportler des Jahrhunderts, der auch so viel getan habe für die Gesellschaft, vor allem die Rechte der Schwarzen, der große Entertainer. Muhammad Ali, das moralische Vorbild!? Die bedeutendste Persönlichkeit der Sportgeschichte!? Vgl. solche Wertungen etwa auf SPIEGEL online.
Dieser Mann ist zugleich der, der auch von sich selbst beständig behauptete, er sei „der Größte aller Zeiten“. Derselbe, der gesagt hat, dass es sein „Job“ sei, „andere Leute zu verprügeln“, ebenso wie „Gras wächst oder Vögel fliegen“. Derselbe, der viermal verheiratet war, zudem zwei Kinder aus außerehelichen Verhältnissen hatte. Und das ist wieder derselbe, von dem etwa Grünen-Vorsitzender Cem Ödzemir sagt, er sei „einer der bedeutendsten Menschen, die jemals gelebt haben“ (Zitat auf SPIEGEL online), oder der, der „eine Inspiration für Sportler und Menschen“ ist (so Radprofi André Greipel, ebd.).
Das Urteil von „Größe“
Sicher gibt es in jedem von uns etwas Legitimes, das bewundern will, das Größe erkennen, das positive Eigenschaften feiern will. Und Menschen, die einen Boxkampf ästhetisch oder einfach nur spannend finden, werden an diesem Sportler immer wieder ihre helle Freude gehabt haben. Und sicher auch solche, die seinen Akt der Wehrdienstverweigerung in Zeiten des Vietnam-Krieges ein überaus bedeutsames und wichtiges Zeichen für die amerikanische Gesellschaft fanden.
Aber natürlich frage ich mich: Ist ein solches Urteil von „Größe“, in das so viele nun nach seinem Tod freudig einstimmen, nicht auch Ausdruck der Blindheit einer Welt und Zeit, die nicht mehr weiß, was oder wer wirklich groß ist?
Ein paar Fragen und Bibelzitate
Kann jemand legitim „der Größte“ sein in einem Sport, der davon lebt, dass jeder seinem Gegner so viel Schmerz wie möglich zufügen will, bis dieser möglichst nicht mehr aufrecht stehen kann? Und worauf bezieht sich „groß“ vor allem im Angesicht des Todes dieses Mannes? War/ist er auch jetzt noch, im Tod, und im Angesicht seines Richters „der Größte“? (Vgl. etwa Barack Obama: „Er war der Größte. Punkt.“)
Das Evangelium jedenfalls macht an vielen Stellen deutlich, dass das, was wir Menschen gerne für groß halten, mit einiger Wahrscheinlichkeit gering sein könnte in den Augen Gottes. Nur ein paar Belege dazu:
- 1 Kor 1,27-29: „Das Törichte in der Welt hat Gott erwählt, um die Weisen zuschanden zu machen, und das Schwache in der Welt hat Gott erwählt, um das Starke zuschanden zu machen. Und das Niedrige in der Welt und das Verachtete hat Gott erwählt: das, was nichts ist, um das, was etwas ist, zu vernichten, damit kein Mensch sich rühmen kann vor Gott.“
- Lk 16,15. „Gott kennt euer Herz. Was die Menschen für großartig halten, das ist in den Augen Gottes ein Gräuel.“
- Mt 19,30: „Viele aber, die jetzt die Ersten sind, werden dann die Letzten sein, und die Letzten werden die Ersten sein.“
- Mk 9,35: „Wer der Erste sein will, soll der Letzte von allen und der Diener aller sein.“
Wer kann sich rühmen vor Gott?
Der Apostel Paulus ist zudem der Ansicht, dass sich überhaupt kein Mensch rühmen könne vor Gott, weil keiner – ehe er nicht durch Christus erlöst wurde – ein Herz habe, das gottgefällig wäre (Röm 3,10). Und Jesus warnt im Lukas-Evangelium vor dem Phänomen, dass einen alle loben könnten (Lk 6,26). Denn ebenso sei es den falschen Propheten ergangen!
Und schließlich fällt Jesus selbst ein Urteil über den „Größten“ unter den Menschen, der je auf dieser Welt gelebt hat: Johannes der Täufer (Mt 11,11). Dessen Größe bestand nach dem Evangelium darin, in radikaler persönlicher Lebensform Israel zur Umkehr zu rufen, der Wahrheit Gottes die Ehre zu geben und dem Messias den Weg vorzubereiten – bis zum Martyrium. Aber Jesus fügt in seinem Urteil über den Täufer trotzdem noch einigermaßen rätselhaft hinzu, dass der Kleinste im Himmelreich immer noch größer sei als dieser.
Das Geschenk der Gnade
Wie wäre dieses Wort Jesu zu verstehen? Wenn wir das Evangelium als Ganzes lesen, dann womöglich so: Keiner, kein Mensch kommt laut Evangelium je durch eigene Größe oder großartige Leistungen und Eigenschaften in das Reich, in dem Jesus selbst der Größte, der König ist, in das Reich, in dem er mit dem Vater regiert, also ins eigentliche Leben! Ausnahmslos jeder, der dort hinein findet, kommt durch das Geschenk der Gnade und der Erlösung durch das Kreuz Christi dort hin. Sagt zumindest Jesus selbst (Joh 14,6), sagt unser Glaube, sagt die Schrift.
Und die Voraussetzung für den Menschen, dieses Geschenk anzunehmen, besteht gerade nicht in der Proklamation der eigenen Größe, sondern im Niederlegen der eigenen Krone (Offb 4,10) und im oft unscheinbaren Dienst (Lk 17,10). Sie besteht in der Kapitulation des eigenen Ego (Lk 9,24) und seiner selbst eingebildeten Größe (Ps 51,19), sie besteht in der Niedrigkeit der Magd (Lk 1,48), die glaubt, dass Gott diese Niedrigkeit sieht und sie in gewisser Hinsicht sogar braucht, um in ihr ankommen und durch sie in die Welt kommen zu können.
Muhammad Ali, ruhe in Frieden
Die Voraussetzung besteht in der liebenden Demut, die Gott alleine groß sein lässt! Ich weiß nicht, ob Muhammad Ali in seinen letzten Lebensjahren, die von Krankheit gezeichnet waren, in diese Demut und in dieses Gottvertrauen gefunden hat. Wir hoffen es, damit er jetzt im Himmelreich groß sein kann – weil es der Herr ihm geschenkt hat und nicht, weil er es in den Augen einer nach eigener Größe süchtigen Welt verdient hätte. Möge er ruhen in Frieden.
Kommentare
Mohammed Ali war von der öffentlichen Bußhaltung des Islams so beeindruckt, dass er konvertierte.
Buße dürfte in seinem Leben ein wichtiger Aspekt gewesen sein.
Ich hoffe Gott hat ihm vergeben,Gott liebt bußfertige Herzen,ein Aufruf auch an die Christen?
Ich glaube, viele Menschen haben einfach das Bedürfnis, bewundern zu wollen, weil dieses Bewundern scheinbar ihr eigenes alltägliches Leben übersteigt. Seien es Stars aus der Showbranche, des Sports oder sonstwie aus Milieus, zu denen sie kaum Zugang haben – an sie kann man seine Träume anhängen.
Dass junge Leute für ihre Idole schwärmen, kann ich verstehen, ist diese Schwärmerei doch ihrer Jugend geschuldet.
Doch wenn es selbst noch Erwachsene tun, finde ich das etwas seltsam.
Sehen sie ihr eigenes Leben denn so klein und unbedeutend an?
Für Gott sind wir alle gleich wichtig.
ER beurteilt uns nicht nach Ruhm und Ansehen und auch nicht nach dem Bankkonto – nicht im Leben und auch nicht im Sterben.
Vor Ihm sind wir alle gleich!
Geehrter Herr Bischof,
Ihre Gedanken zum Thema, „Der Größte“ kann ich sehr gut nachvollziehen. Danke für die Ausführungen.
Eine Bekannte sagte vor ein paar Tagen zu mir: „Unser Herrgott hat jetzt Urlaub, der Fußball regiert die Welt!“ Das war sicher ironisch gemeint, aber irgendwie wahr. Und was wir mit Gott nicht schaffen, beim Fußball geht’s: Für viele ist er jetzt vier Wochen Mittelpunkt des Lebens. Alles richtet sich nach den Spielen: Feste werden so gelegt, dass zu dem Termin keine wichtigen Spiele stattfinden, oder es gibt’s Public Viewing, die Fans nehmen sich extra Urlaub, um ja nichts zu verpassen, die Kinder in der Schule schreiben keine Proben an Tagen nach wichtigen Spielen usw..
Meine Frage: Wie steht die Kirche oder besser gefragt, wie stehen Sie zu solchen sportlichen Großereignissen wie Fußball-EM, Fußball-WM oder auch Olympia.
Der Grundgedanke ist sicherlich gut, aber wenn man sich das „Drumherum“ von solchen Veranstaltungen betrachtet:
Die Vorgeschichte, nach welchen Kriterien die Spiele vergeben werden, die Ausbeutung von Mensch und Natur in den Austragungsländern, der Hype um die Sportler (grad hab ich gelesen: „Sankt Schweini“), die Sportler selbst, die sehr unter Druck stehen und oft ihre Gesundheit ruinieren, die überteuerten Fanartikel usw.
Vielleicht sehe ich das auch zu negativ, weil ich kein Fußballfan bin, aber meiner Ansicht nach geht’s den Veranstaltern nur um Macht, Profit und Ansehen.
Herr Bischof, Sie erwähnen im obigen Text die Bibelstelle Lk 16,15. „Gott kennt euer Herz. Was die Menschen für großartig halten, das ist in den Augen Gottes ein Gräuel.“
Gilt das nicht auch bei solchen großen sportlichen Veranstaltungen?
Herzliche Grüße
Marie-Luise Ziller
Liebe Frau Ziller,wie Sie mir aus dem Herzen sprechen.Wir Leben in einer lustorientierten Gesellschaft, Fußball und steht wohl auch in diesem Zusammenhang.
In beinahe allen Bereichen des Lebens ist das Lustprinzip der König.
Ich finde es schade,so manche Fußballspieler angeblich auch gläubig sind,in Rom waren, dass diese Begegnung mit Papst Franziskus nicht dazu geführt hat wie es möglich wäre diese „Meisterschaften“mit Gebetsandachten vor und nach dem Spiel zu begleiten.
Wie ein Priester sagte“In die Weltprozessionen“ hinein zu wirken.
So viele Menschen, welch vergebene „TorChance“
Liebe Frau Wasserfaller,
Liebe Frau Ziller,
natürlich haben Sie recht bezüglich der Fußball-EM oder -WM: Das war schon immer so! Den VERANSTALTERN geht es um Macht, Ruhm, Prestige und ums Bankkonto. Und den (meisten) Spielern geht es leider (nur) um eben dasselbe!
Aber sehen Sie es doch auch von der positiven Seite:
Z.Bsp. Philipp Lahm (vll. ist Ihnen der Herr als ehemaliger Spielführer der Dt. Nationalmannschaft bekannt?) hat durch die WM 2010 in Südafrika sein Herz für die dortigen Kinder und Jugendlichen entdeckt. Die Folge können Sie hier nachlesen:
http://www.philipp-lahm-stiftung.de/stiftung/antrieb/
Es gibt viele Fußball-Profis aus Südamerika – und aus anderen Kontinenten – die in Europa viel Geld verdienen und damit aber auch Förderprogramme in ihrer Heimat unterstützen.
Ausserdem: Sport – und dazu gehört auch der Fußball – verbindet.
Es fallen Grenzen, es werden Freundschaften zwischen unterschiedlichsten Nationalitäten geschlossen.
Wenn am Samstag, also in 2 Tagen so mancher „Deutsche“ beim Italiener in der Pizzeria die Viertelfinalbegegnung Dtschl. – Italien anschaut, und sich danach die Gäste – ganz gleich wie es ausgeht – in den Armen liegen, dann ist das „Begegnung pur“.
Und ich zitiere unseren Hr. SOB, bzw. Martin Buber:
„Alles wirkliche Leben ist Begegnung“ 🙂
Zurück zu Ali, Sport und Fußball:
Natürlich sind einzelne Sportler – und dazu gehörte mE. auch das „Großmaul“ Ali – Personen, die sehr ICH-bezogen sind, und auch Ihre sozialen Leistungen o.ä. immer nur der eigenen Promotion unterstellen.
Aber: Man sollte nicht überall nur das Negative sehen! 🙂
Ein Glas, das zu 70 % leer ist, ist immerhin noch 30 % voll!
Und seine Gläubigkeit kann jeder Sportler selbst zeigen; sei es mit einer Bekreuzigung vor oder nach dem Spiel (wenn das Kreuzzeichen nach einem geschossenen Tor gemacht wird, ist das allerdings sehr „kritisch“) oder wie es vereinzelt auch immer wieder vorkommt, wenn ein Spieler sein Trikot hochzieht und darunter ein T-Shirt mit JESUS LIEBT DICH erscheint o.ä. Das ist immer wieder „erfrischend“.
Von einer (offiziellen? christlichen?) Gebetsandacht vor oder nach dem Spiel halte ich aber absolut schon gar nichts. Das wäre Diktatur-Pur.
Und man erreicht damit mehr das Gegenteil.
Aber nichts für ungut: Ich erwische mich selbst auch immer wieder bei meiner „Zwangs-Neurotischen-Missionier-Sucht“.
Aber.. 🙂 Liebe Schwestern in Christus :
Man muß die Perlen nicht vor die Säue werfen… 🙂
In diesem Sinne: Shalom und einen gesegneten Tag.
MK
Lieber Herr Kalleder,
Auch wenn das Glas 30% voll ist (finde ich z.B. eine sehr gute Sache von Philipp Lahm), ist es halt in Sachen Hochleistungssport und den damit verbundenen Großveranstaltungen auch zu 70% leer. Die Gründe habe ich oben genannt. Ich musste da mal meinen Unmut etwas Luft machen 😉 . Aber ich hab auch erkannt, dass der Blog von Bischof Oster die falsche Seite hierfür ist. Es gibt halt keine Löschfunktion wie bei FB 😉 . Meine negative Einstellung liegt wahrscheinlich daran, dass ich so überhaupt kein Fan von Fußball EM, WM und Olympia bin. Begegnung findet für mich genauso gut woanders statt.
Aber Sie haben sicher recht, der Sport verbindet auch. 🙂
Ich denke, die Sportler, die an Gott glauben, die wissen auch mit ihrer Berühmtheit umzugehen, sie kennen ihre körperlichen Grenzen und können ihre Bekanntheit für das gute Zwecke einsetzen.
Aber was mich sehr freut ist, hier auf dem Blog immer wieder mal von Ihnen zu lesen. 🙂
Liebe Grüße
Marie-Luise Ziller