Das geistliche Testament von Bischof Wilhelm: „Ich habe die Kirche immer geliebt“

Am Abend des 19. November haben wir auch im Dom zu Passau ein Requiem für den verstorbenen Bischof Wilhelm gefeiert. In der Predigt habe ich auch das schöne geistliche Testament von Bischof Wilhelm vorgetragen:

Liebe Schwestern und Brüder im Glauben,

an diesem heutigen Requiem in unserem Dom, möchte ich ein paar Gedanken, die ich schon vergangenen Montag in Altötting gesagt hatte, zusammenfassend wiederholen – und ich möchte sie einmünden lassen in ein Schriftstück, dass Bischof Wilhelm unter der Überschrift „mein geistliches Testament“ hinterlassen hat. Ein Wort in diesem geistlichen Testament berührt mich besonders. Bischof Wilhelm schreibt „Ich habe die Kirche immer geliebt“. Ich denke, wenn wir diesen Satz als Grundlage nehmen – zusammen mit seinem Wahlspruch: „Jesus Christus als den Herrn verkündigen“ – dann erschließt sich uns sehr viel vom Denken und Handeln meines verehrten Vorgängers.

Ich habe die Kirche immer geliebt

„Ich habe die Kirche immer geliebt“: Es war vor allem die Kirche in der Eucharistie, in der auch musikalisch festlich gefeierten Liturgie, die er geliebt hat. Und weil für ihn Kirche ohne die Eucharistie nicht denkbar war, hat er sich auch um die Priester gesorgt – und nicht wenige, vor allem aus der jüngeren Generation sehr geprägt. Es war aber auch die Kirche des Volkes, in seinen vielen und unermüdlichen Fahrten hinaus ins Bistum zu so vielen Gelegenheiten, Gottesdiensten, Begegnungen, Jubiläen, Wallfahrten, Firmungen und anderem mehr. Es war die Frömmigkeit des Volkes Gottes, die er schätzte, wie die Marienverehrung – besonders natürlich in Altötting. Die Verbände waren ihm wichtig, die Erwachsenenverbände, ebenso wie die Jugendverbände und allen voran war er Kolping-Mann, ein Verband, dem er im Heimatbistum Regensburg lange vorgestanden war. Die Caritas hat Bischof Wilhelm selbstverständlich gefördert, weil er vor allem durch die Caritas die Kirche an der Seite der Benachteiligten wissen wollte. Er war auch ein Freund und Schützer des Lebens, ebenso wie ein intensiver Förderer der Familien.

Ein kantiger Mann mit klaren Überzeugungen

Bischof Wilhelm konnte auch kantig sein, ein Mann klarer Überzeugungen – Und er war es oftmals auch deshalb, weil er die Kirche liebte. Dass diese Liebe zur Kirche durchaus zu unterschiedlichen Positionen führen kann, hatte sich bereits am Anfang seines Dienstes in Passau gezeigt. Das große Engagement, das sehr viele Menschen für den pastoralen Entwicklungsplan PEP an den Tag gelegt hatten, den sein Vorgänger Bischof Franz Xaver Eder initiiert hatte, dieses Engagement konnte Bischof Wilhelm speziell für dieses Projekt wenig teilen. Zu viele Fragen hatte er dazu, besonders auch nach den korrigierenden Anmerkungen, die aus Rom gekommen waren. Und so hatte er die Umsetzung des PEP zunächst zögerlich und dann gar nicht mehr weiterverfolgt. Und ich bin sicher, er hat das aus persönlicher Überzeugung und aus Liebe zur Kirche getan – auch wenn sich nicht wenige daran gestoßen haben.

Einladung zur Hermeneutik des Wohlwollens

Und weil ich fest glaube, dass Bischof Wilhelm jetzt Friede und Versöhnung erleben darf, möchte ich uns alle einladen, dass wir uns gerade im Blick auf unterschiedliche Positionen in unserer Kirche dennoch und gerade deswegen immer wieder um einen Blick des grundsätzlichen Wohlwollens füreinander mühen. Kann ich dem anderen zutrauen und zugestehen, dass er auch etwas Gutes für die Kirche will – auch dann, wenn er anders denkt und handelt als ich? Meines Erachtens ist diese Hermeneutik des Wohlwollens eine wesentliche Aufgabe für uns als Kirche von morgen, also die Einübung eines Blickes, einer Kunst der Auslegung, die den anderen Menschen nicht gleich auf das festnagelt, was ich an ihm negativ oder kritisch sehe, sondern dass ich auch dieses Kritische zwar nicht übersehe, aber lerne, es in den tieferen Blick des Wohlwollens einzubetten. In das Zutrauen also, dass auch der andere grundsätzlich etwas Gutes meint und sucht? Meines Erachtens konvergiert dieses Anliegen mit dem, was uns Papst Franziskus als synodalen Weg auf dem Weg zur weltweiten Bischofssynode vorschlägt: Einander Zuhören und den Hl. Geist einladen, dass er uns allen hilft, die nächsten Schritte als Kirche gemeinsam zu gehen.

Das geistliche Testament von Bischof Wilhelm

Liebe Schwestern und Brüder, es gäbe noch viel mehr zu sagen zu Bischof Wilhelm und seinem Anliegen, aber ich möchte ihn jetzt doch noch selbst sprechen lassen, in einem Text, den er uns als sein „geistliches Testament“ hinterlassen hat. Er hat diesen Text am 10. November 2020 verfasst, also ziemlich genau ein Jahr vor seinem Todestag. Er hat ihn mir in einem Umschlag hinterlassen, den ich nach seinem Ableben öffnen sollte. Er schreibt darin folgendes:

 

Mein geistliches Testament.

Da Gott mich nun zu sich gerufen hat, erkläre ich voller Dankbarkeit, dass ich mein Leben in Seine guten Vaterhände zurückgebe. Er hat mich mit großer Liebe und Geduld durch all die Lebensjahre geführt und mir lebenslang Seine Hilfe geschenkt.

Deshalb habe ich allen Grund, das Erbarmen des Herrn zu preisen, heute – und ich hoffe – auch in Ewigkeit. So vertraue ich jetzt auf Seine Barmherzigkeit, da er mich zu Seinem Gericht ruft.

Ich sage allen ein herzliches Vergelt’s Gott, die mich auf meinem Lebensweg begleitet haben. Es war ein großes und unverdientes Geschenk Gottes, dass ich so viele gute Menschen in meinem Leben erfahren durfte, angefangen von meinen guten und frommen Eltern, meiner Tante Resie Denz, die mich nach dem frühen Tod meiner lieben Mutter – der Vater war in Gefangenschaft in Amerika – zu sich nach Regensburg genommen hat, und von vorbildlichen Erziehern und Priestern.  

Ich wollte in meinem Leben als Priester und Bischof immer mit meinen bescheidenen Kräften und Fähigkeiten Christus und der Kirche dienen. Dabei war mir der selige Adolph Kolping in meinem Priestersein Vorbild. Von seinem Wort „Jesus Christus, Gottes Sohn, ist die gewaltigste Weltwahrheit, die wir besitzen!“ war ich ganz durchdrungen. Von daher habe ich auch mein bischöfliches Wirken unter das Wort des hl. Paulus gestellt: „Jesus Christus als den Herrn verkündigen“ (vgl. 2 Kor 4,5). In diesem Geist wollte ich arbeiten. Ich wollte die Menschen zu Jesus Christus führen, ihnen die Quellen unseres Glaubens erschließen, sie in ihrer Treue zu unserer Kirche bestärken und ihnen helfen, als christlich gefestigte und innerlich gereifte Persönlichkeiten in ihrem Leben zu stehen und das Zeugnis ihres Christseins zu geben.

Ich habe die Kirche immer geliebt. Ich danke deshalb allen, den Mitbrüdern und Laien, die mich in meinem priesterlichen und besonders in meinem bischöflichen Dienst angenommen haben, mir zur Seite gestanden sind und mir geholfen haben. In ihrer Gemeinschaft durfte ich die beglückende Erfahrung machen, dass unser Glaube lebendig ist und schön, dass er uns eine verlässliche Antwort gibt in Zeiten des Fragens und Ringens. Diese Wahrheit gab mir Kraft, Mut und Freude.

Nicht das Wehklagen über missliche Zeitverhältnisse ist den uns anvertrauten Menschen Hilfe in ihren vielfachen Nöten und Bedrängnissen. Nur die Freude am Glauben, die sich entzündet an der Glut der göttlichen Liebe, die in Jesus Christus berührbar geworden ist und die fruchtbar wird in der dienenden Hingabe am Mitmenschen, ist zeichenhaft gegenwärtig und verändert die Welt. Nur sie kann dem Menschen wiederum Lebensmut, Lebensfreude und Hoffnung schenken.

Dabei habe ich mein Leben und all mein Denken und Tun der Gottesmutter Maria, der Mutter der Kirche, anvertraut. Ihr habe ich mich am 8. Dezember 1950 für immer geweiht und mich unter ihren mütterlichen Schutz gestellt.

Ich bitte um Vergebung, wenn ich jemandem weh getan habe oder sonstwie an ihm schuldig geworden bin. Gott weiß, dass ich darunter selbst gelitten habe.

Der Herr fordert von denen viel, die er Seine Freunde nennt, und er hat ein volles Recht darauf. Der Priester und Bischof, die der Herr in Seiner Gnade erwählt und in Seine Nachfolge gerufen hat, dürfen sich in ganz besonderer Weise Freunde Jesu Christi nennen. Möge er mir nun ein gnädiger und barmherziger Richter sein und mir Seine ewige Freundschaft schenken und Leben in Fülle. Schenkt mir das Almosen des Gebetes!  

„Für mich ist Christus das Leben und Sterben Gewinn“ (Phil 1,21). In te, Domine speravi, non confundar in aeternum. Auf dich, o Herr, habe ich meine Hoffnung gesetzt. In Ewigkeit werde ich nicht zuschanden. 

Altötting, den 10. November 2020

+Wilhelm Schraml, Bischof em. Von Passau“

Lieber Bischof Wilhelm, von Herzen danken wir Dir für dieses Zeugnis für Christus und seine Kirche. Ja, wir versprechen Dir unser Gebet – auf dass der Herr all seine Verheißungen an Dir erfüllen möge. Ruhe in Frieden. Amen.