Der Dienst und die Freiheit. Die Predigt von Bischof Stefan Oster zur Diakonenweihe von Arnes Sohshang SDB am 27. Mai 2018 im Don-Bosco-Zentrum Regensburg.
Lieber Arnes, liebe Mitbrüder, liebe Freunde, Weggefährten von Arnes, liebe Gläubige alle,
das heutige Fest der Heiligen Dreifaltigkeit ist ein großartiger Tag für eine Diakonenweihe. Die Texte, die uns die Liturgie schenkt, enthalten so viel Erinnerung an den Reichtum, den wir empfangen haben und immer neu empfangen in unserem Glauben; einen Reichtum, den wir dann auch verschenken können. Im Amt des Diakons in besonderer Weise, aber eben auch als Getaufte und Gefirmte in unserer Kirche. Wir alle haben Gaben empfangen – und das besondere an Gottes Gaben: Sie werden mehr, wenn man sie verschenkt oder wenn man sich selbst mit ihnen verschenkt.
Der Dienst des Diakon
Und das ist der Diakon ja zuerst: ein Mann, der dient. Der diakonos im Griechischen heißt schlicht Diener. Aber als Christ ist einer nur dann ein wirklicher Diener, wenn er sich im Dienen auch gibt, wenn er schenken kann und sich selbst verschenkt. Ein bloßer „Dienst nach Vorschrift“, wie wir sagen, ist noch nicht der Dienst, den Jesus meint.
In der ersten Lesung haben wir eine Rede des Mose gehört, der seinem Volk aufgibt, sich zu erinnern. Gibt es irgendwo ein Volk, das einen Gott kennt, der ihm so nahe ist, der solche Zeichen und Wunder gewirkt hat, der sie befreit hat aus der Gefangenschaft?, fragt Mose rhetorisch. Und gibt es ein Volk, fragt Mose an anderer Stelle auch noch, das so ein Gesetz hat: eine solch reife und grundlegende Lebensordnung wie Israel?
Erinnerung aus der Innerlichkeit
Die Zehn Gebote, liebe Schwestern und Brüder, gelten heute noch vielen Menschen als eine Art Grundorientierung im Leben. Mose erinnert sein Volk. Ich glaube, lieber Arnes, Erinnerung ist ein Stichwort, das heute mehr denn je nötig ist: Du wirst in den Dienst der Verkündigung eintreten. Und Verkündigung ist zu einem großen Teil wirklich Erinnerung, Erinnerung an das, was uns geschenkt und geschehen ist und immer neu geschieht. In der Taufe, durch die Sakramente, durch den Glauben, den wir haben und durch die Gemeinschaft der Kirche.
Erinnerung aber meine ich in einem tiefen Sinn – nicht einfach nur im Sinn von Gedächtnis, sondern so, dass uns immer neu aufgeht, was uns innerlich ist, was unser Glaube an den Vater tief von innen her wirklich bedeutet. Wir alle neigen heute dazu, uns an der Oberfläche aufzuhalten, wir neigen dazu, uns im Außen zu verlieren, in der Welt des Betriebs, des Konsums und der Medien. Wir sehnen uns zwar oft nach Tiefe und Innerlichkeit – wissen aber oft gar nicht mehr, wie wir da hinkommen.
Du versprichst heute auch, ein Mann der Innerlichkeit zu werden, ein Mann des Gebets. Ich bin überzeugt, dass Deine Predigt, Deine Verkündigung nur dann die Menschen im Innern berühren kann, wenn sie auch aus Deinem eigenen Inneren erwächst, wenn sie nicht nur gut Gelerntes ist, auch nicht nur gut Vorgetragenes ist, sondern wenn sie aus Deinem eigenen Herzen kommt, aus Deinem Gebet, aus Deinem eigenen Umgang mit Gott, dem Vater, der Dir nahe ist.
Die eigene Lebens- und Glaubensgeschichte
Deine eigene Glaubensgeschichte, lieber Arnes, ist tief hinein verwoben in Deine Lebensgeschichte. Auch das ist jeder Erinnerung in diesem Sinne wert. Du kommst aus Indien, aus dem Bundesstaat Meghalaya mit seiner Hauptstadt Shillong. Du bist das jüngste Kind von zwölf Geschwistern, Dein Vater, der leider schon 2013 verstorben ist, war ein Bauer, ein Reisbauer, der auch einige Kühe besaß. Aber zugleich war er eine Art Gemeindeleiter in Eurer Pfarrei, einer der sich gekümmert hat, dass die Menschen zusammengekommen sind, dass das Gemeindeleben weiterlaufen konnte, der viel organisiert und getan hat für die Menschen.
Und du hast mir erzählt, dass er zunächst gar nicht gerechnet hatte, dass sein jüngster Sohn Arnes ein Priester werden könnte – weil Du offenbar damals gar nicht so ein fleißiger Schüler warst, sondern eher frech und ein wenig aufsässig. So hast Du Dich zumindest selbst beschrieben, auch wenn das heute schwer vorstellbar ist für die, die Dich kennen. Aber natürlich hat sich der Vater gefreut als der junge Arnes vor allem auch durch den Kontakt mit dem Pfarrer mit Don Bosco in Berührung gekommen ist und in ihm die Entscheidung gewachsen ist, sich den Salesianern anzuschließen.
Der Dienst als Salesianer
Eine erste Entdeckung war für Dich wohl auch, als Du eines Tages gebeten wurdest, in Deinem Dorf für einige Zeit als Aushilfslehrer bei den Jüngeren einzuspringen, obwohl Du selbst noch in der Schule warst. So bist du tatsächlich zu Don Bosco gegangen, zu uns Deinen Brüdern – und zunächst ganz weit vom Norden Indiens in den Süden, nach Tamil Nadu, um den ersten Teil Deines Studiums zu absolvieren, die Philosophie.
Danach bist Du gefragt worden, ob Du nicht ins Ausland gehen würdest – und Du hast zugesagt. Dabei hattest Du allerdings gedacht, Du würdest in ein englischsprachiges Ausland kommen und nicht nach Deutschland. Aber Du bist gegangen, im Gehorsam, und hast Dich tatsächlich auch durchgebissen. Du wolltest zwar gleich am Anfang beim Sprachkurs die Sachen wieder hinschmeißen, weil die erste Erfahrung mit Deutsch so schwierig war.
Aber nach und nach bist Du hineingewachsen. Und ehrlich gesagt: Ich habe Dich ja noch einige Zeit in Benediktbeuern erlebt. Wir waren ziemlich erstaunt, wie gut Du Dich entfaltet hast auf Deinem Weg bei uns, wie blendend Du Deutsch gelernt hast, und wie selbstverständlich und fraglos Du Deine Begabungen eingebracht hast, vor allem auch in der Musik und im Sport.
Die innere Freiheit in schwierigen Umständen
In alledem ist Dir – so meine ich – immer mehr zugewachsen, was der Apostel Paulus im Römerbrief, in unserer zweiten Lesung schreibt: Wer sich hineinnehmen lässt in das Leben mit Jesus, wer sich Ihm zur Verfügung stellt, der darf die Erfahrung machen, dass er im Leben mit Ihm nicht eingeschränkter wird, sondern innerlich freier.
Jesus nimmt uns in die Erfahrung der Kindschaft mit hinein, in seine eigene Erfahrung der Sohnschaft. Und so erlebt ein Christ, dass er auch in vermeintlich engen Bedingungen oder in Orten fern der Heimat dennoch frei sein kann, kein Sklave, sondern frei, wie Paulus sagt. Weil er in seinem Herzen rufen kann: Abba, Vater.
Frei in der Fremde für die unfreien Fremden
Und vermutlich war es auch für Dich diese innere Klarheit, die Dir geholfen hat in der Arbeit mit minderjährigen Flüchtlingen in Regensburg. Die jungen Menschen, die fremd und fern der Heimat waren und sich vielleicht auch im fremden Land und fremder Kultur unfrei gefühlt haben, mit denen kannst Du offenbar genau deshalb besonders gut.
Die Jugendlichen erleben in Dir: Da ist einer, der ist auch nicht aus Deutschland und dennoch lebt er hier selbstverständlich, dankbar und innerlich frei, als Salesianer Don Boscos. Kein Sklave des Konsums, kein Sklave der vielen Möglichkeiten in einem Land wie unserem, sondern einer, der mitten in alledem frei ist, weil er einen Vater im Himmel hat und einen Bruder und Herrn in Jesus und seinen Geist. Das, liebe Schwestern und Brüder, das ist der christliche Dienst des Diakons: Er ist ein Diener, der frei geben, der sich geben kann, der freigebig ist, weil er selbst frei ist in Gott, von dem er so viel empfangen hat.
Der Dienst an der Freiheit der jungen Menschen
Schließlich hören wir noch das Evangelium. Es ist der allerletzte Abschnitt des Matthäus-Evangeliums, in dem der Auferstandene die Jünger auffordert, jetzt dasselbe zu tun, was er, Jesus getan hat. Sie sind berufen, in seiner Kraft hinauszugehen und die Menschen wieder heimzuholen in die Freiheit der Kinder Gottes. Wir sind berufen, die Menschen einzuladen in die Jüngerschaft Jesu, damit sie sich selbst als Kinder des Vaters erfahren.
Liebe Schwestern und Brüder, in unserer Kultur wird so viel erzählt über die Dinge, die angeblich frei machen: Die Anerkennung durch andere, die Macht über andere, das Geld, das körperliche Wohlbefinden und anderes mehr. Nichts davon ist einfach in sich schlecht. Aber wenn wir es verabsolutieren, wenn es uns zum wichtigsten wird, dann versklavt es uns. Dann sind wir Sklaven des Betriebs, Sklaven des Geldes, Sklaven der Sucht nach mehr von allem. Und eben nicht wirklich frei.
Der Diakon Don Boscos
Ein Diakon aber ist ein Diener der Freiheit. Ein Diakon Don Boscos ist ein Diener der Freiheit der Kinder Gottes besonders für diejenigen, die unter den jungen Menschen schon versklavt sind oder gefährdet, Sklaven zu werden. Dazu gehören auch schlechte Lebensbedingungen, zu wenig Bildung, zu wenig Entfaltungsmöglichkeiten unter den jungen Menschen.
Ein Salesianerdiakon in der Kirche hilft den Menschen, vor allem den jungen Menschen gut hineinzufinden ins Leben. Er wünscht sich für alle Jugendlichen würdige Lebensbedingungen, er wünscht sich, dass junge Menschen verantwortungsvolle, frohe Menschen werden und er hilft ihnen vor allen Dingen den inneren Ort der Freiheit zu entdecken, die Heimat bei Jesus und beim Vater, der Herzensort, an dem wir keine Sklaven mehr sind.
Dass die jungen Menschen das in Dir immer wieder neu entdecken können und dass sie durch Deinen Dienst auch immer öfter in diese Freiheit der Kinder Gottes finden können, das wünsche ich Dir, lieber Arnes, von ganzem Herzen. Und in diesem Sinn erbitten wir nun Gottes Geist und Gottes Kraft für Deine Weihe zum Diakon. Amen.